Verhängnisvolle Entwicklungen vor dem Club of Rome angeprangert:

Politiker sollen Mikros kontrollieren

21.12.1979

BERLIN (CW) - "Steigende Arbeitslosigkeit oder Umweltverschmutzung und Rohstoffknappheit" - diesen Gefahren setzt uns das neue Jahrzehnt aufgrund der unvermeidlichen Expansion der Mikroelektronik aus, die den Einbruch des Computers in alle Lebensbereiche mit sich bringt. So sieht Günter Friedrichs, Vorstand bei der IG Metall, unsere Zukunft, wenn die elektronische Revolution allein in die Hände der Ingenieure gerate.

In seinem Vortrag "The Coming Decade of Danger and Opportunity", den er Anfang Oktober auf der Club of Rome-Conference (ICC Berlin) gehalten hat, beleuchtet Friedrichs die negativen und positiven Effekte, die die moderne Elektronik mit sich bringen kann. Für das schwerwiegendste Problem der kommenden Jahre hält er die Beantwortung der Frage, wie die Vollbeschäftigung zu erreichen und beizubehalten sei.

Die hochentwickelten mikrogesteuerten Werkmaschinen und Geräte müßten zwangsläufig eine Produktionsbeschleunigung oder eine Arbeitsersparnis nach sich ziehen, sonst wären sie nicht konkurrenzfähig. Das bedeute aber eine Freisetzung von Arbeitskräften oder eine Erhöhung der Produktion, beides zeitige schlechte Auswirkungen auf die Gesellschaft.

Friedrichs Hauptthesen: "Die Einführung der Mikroelektronik wird die Arbeitsmöglichkeiten in der Produktion, den Büros und im Dienstleistungsgewerbe unter den momentanen Bedingungen verringern. In der Vergangenheit konnte der Arbeitsersparnis-Effekt, der infolge X technischer Veränderungen auftrat, ì durch relativ großes ökonomisches Wachstum kompensiert werden. Langfristig wird die Mikroelektronik zweierlei bringen: Qualitätsverbesserungen, die so groß sind, daß eine zusätzliche Nachfrage erwirkt wird, und vollständig neue Produkte, die dann wirklich neue Arbeitsplätze schaffen."

An diesen Leitgedanken hängt Friedrichs seine Zukunftsvisionen auf. Er glaubt nicht an eine post-industrielle Gesellschaft wie Daniel Bell, in der dem Menschen vorwiegend die Aufgabe der Dienstleistungen zufällt, sondern vermutet eher, daß der Teil des Tages, der dem Beruf gilt, zunehmend kürzer wird. In der Ausbildungsphase des Menschen habe man demnach darauf zu achten daß er auf eine sinnvolle Freizeitgestaltung ausreichend vorbereitet ist.

Zwei andere mögliche Vorteile, glaubt Friedrichs, könnten aus der Computertechnik resultieren: "Vielleicht wiederholt sie, was einstmals mit der Einführung der elektrischen Maschine geschah: das Überleben der Klein- und Mittelbetriebe." Und im Zusammenhang mit der computergesteuerten Bearbeitung der Routineaufgaben "könnte die Mikroelektronik dazu beitragen, die menschlichen Tätigkeiten wieder interessant zu gestalten".

Da Verbesserungen jedoch erst auf lange Sicht eintreten werden, meint der IG Metall-Vorstand, werden wir in den kommenden fünf bis zehn Jahren mit schwerwiegenden arbeitspolitischen Problemen zu kämpfen haben. Schwarz nehme sich die Zukunft aus, wenn die Politik den Fragenkomplex weiterhin ignoriere. Dann könne es dazu kommen daß der Regelkreis Arbeit sich zum Chaos aufschaukele.