Politik und Kybernetik

25.03.1977

Die allgemeine Systemtheorie unterscheidet:

- Sich selbst zerstörende Systeme;

- Nicht-lebensfähige Systeme, die sich zwar nicht selbst zerstören, aber die die Umwelt nicht meistern können;

- Lebensfähige Systeme, welche ihren ursprünglichen Charakter trotz Herausforderung der Umwelt bewahren;

- Sich selbst entwickelnde und sich anpassend verändernde Systeme.

In welcher Art von Systemen (Familie, Abteilung, Unternehmen, Kommune, Nation) leben wir?

Die zentrale Bedeutung, die dem kybernetischen Prinzip heute in den Ingenieurwissenschaften zukommt läßt übersehen, daß André Ampére diesen Begriff bereits 1834 in Anlehnung an das griechische Wort für "Steuermann" schuf, um damit die "Wissenschaft von der Regierung und der Regelung" zu bezeichnen. Schrittmacher einer solchen Tradition, naturwissenschaftliche Erkenntnisse für die Analyse gesellschaftlicher Zusammenhänge zu verwenden, war bereits Thomas Hobbes, der vor 300 Jahren versuchte, seine Sozialphilosophie ("De more geonometrico") zu begründen.

Lernfähige Systeme?

Indes, dieser Ansatz ging verloren. Wissenschaft von der Regelung und Wissenschaft von der Regierung entfernten sich voneinander. Unter der Vorherrschaft juristischen Denkens beschränkte sich die Analyse des politischen Geschehens auf staatsrechtliche Interpretation der Beziehungen zwischen Institutionen.

Die Weiterentwicklung der politischen Wissenschaft stellte dann das politische Handeln in den Mittelpunkt der Analyse. Dem folgte zwangsläufig der entscheidungstheoretische Ansatz und seine Weiterentwicklung in der Spieltheorie. Gleichzeitig forderte die Erklärung von Begriffen wie politischer Wille und politische Macht die Kategorien "Input" und "Output" von "politischen Systemen" einzuführen.

Die Fähigkeit politischer Systeme und Subsysteme, ihre Ziele zu erreichen und sich unter wechselnden Umwelteinflüssen zu behaupten, beruht auf drei Feedback-Prozessen:

- Zielsuchende Rückkoppelung,

- Kontrollierende Rückkoppelung,

- Erfahrungs-Rückkoppelung.

Von der Effizienz dieser Feedback-Prozesse ist die Lernfähigkeit von Systemen, auch von politischen Systemen abhängig. Ständiges "schöpferisches" Lernen ist Voraussetzung dafür, die Informationen aus solchen Rückkoppelungsmechanismen für Zielrevisionen und Kurskorrekturen zu nutzen. Der Verfall der Lernfähigkeit eines Systems im Zeitablauf zeigt sich an folgenden drei Symptomen:

- Überbewertung gegenwärtiger Ziele über mögliche und vielleicht nötige Zukunftsprojekte:

- Verfall der Aufnahmekapazität für neue Informationen durch Filter oder gar Tabuisierungen aufgrund von Tradition oder Ideologie;

- Verlust der Tiefendimension des Gedächtnisses aufgrund ungenügender Speicherungskapazität oder zu langsamen Zugriffs.