6. Internationaler EDM-Kongreß

Ploenzke bewertet die Industriequalitäten von R/3

25.04.1997

Die Entscheidung SAPs, künftig eigene Lösungen für das EDM-Segment beziehungsweise für das synonym verwendete Produktdaten-Management (PDM) anzubieten, ist noch relativ jung und wurde erstmals auf der Hausmesse "Sapphire" Mitte vergangenen Jahres in Philadelphia bekanntgegeben. Welche Bedeutung das Thema Dokumenten-Management in der Industrie für die Walldorfer hat, läßt sich auch daran ablesen, daß sie sich gegen Ende 1996 an dem Karlsruher EDM-Spezialisten Eigner + Partner GmbH beteiligt haben. Ein vollständig eigenes Modul in Form von "R/3 PDM" wird es jedoch nicht vor Release 4 des betriebswirtschaftlichen Pakets geben.

Trotzdem scheint bereits die aktuelle Version über derart ausgeprägte EDM-Eigenschaften zu verfügen, daß Ploenzke sie noch vor den entsprechenden Produkten von IBM und Baan für den Auftakt des intern entwickelten Prüfverfahrens auswählte. Die seit rund acht Jahren in diesem Markt tätigen Berater aus Kiedrich/Rheingau sprechen in ihrem jetzt auf dem 6. Internationalen EDM-Kongreß in Mainz vorgestellten Testbericht "EDM-Standardbenchmark SAP R/3" von einem bemerkenswerten Funktionsumfang der Software für diesen Applikationsbereich. Die betroffenen Features seien zwar ursprünglich nicht mit der Zielrichtung Engineering Data Management entwickelt worden, sie ließen sich jedoch aufgrund des konzeptionellen Ansatzes auch in diesem Umfeld einsetzen.

Die Anwendung selbst wird überwiegend für Serienfertiger positioniert und dort speziell im produktionsnahen Unternehmensbereich. Voraussetzung sei die Arbeit innerhalb des fertigen Produktspektrums beziehungsweise der Umgang mit bereits konkret definierten Produktdaten und -dokumenten. Nicht unterstützt werden dagegen die vorgelagerten Prozesse - so etwa die bei der Produktneuentwicklung typischen Anforderungen bezüglich des Simultaneous Engineering und die damit verbundenen CAx-Integrationen.

Zu beachten sei auch, daß die EDM-Nutzung innerhalb von R/3 nur möglich ist, wenn die Standardsoftware auch in der Logistik verwendet wird. Eine Aufspaltung in Stand-alone-Komponenten für PPS und EDM ist erst mit Version 4 geplant.

Die derzeitigen Schwächen von R/3 hinsichtlich des EDM-Einsatzes führt Ploenzke auf die noch kurze Entwicklungsgeschichte des Systems zurück. Im Testbericht heißt es, daß flexiblere Möglichkeiten zur Definition und Anwendung von Workflow-Applikationen erwartet würden. Auch bezüglich der Workflow-Interoperabilität zwischen einzelnen R/3-Installationen gebe es noch Nachholbedarf bei deren Abbildung im System.

Ähnliches gelte für die Dokumentenverteilung, die noch nicht den Anforderungen der Engineering-Abteilungen entspreche. Die Handhabung von Redlining-Informationen sowie das Plot-Management befinden sich derzeit im Entwicklungsstadium. Kritik muß sich R/3 auch hinsichtlich der Ergonomie gefallen lassen. Die Komplexität des Systems spiegele sich in der Gestaltung des grafischen Engineering-Startmenüs wider, so daß selbst geübte Anwender gelegentlich die gewünschte Funktion in mehreren Submenüs suchen müßten.

Besondere Aufmerksamkeit widmete Ploenzke der Anbindung von Fremdprodukten. Die Berater stellen fest, daß die spezifische Integration von Applikationen, gerade im Bereich 3D-CAD und CAE-Systeme, seitens SAPs nicht forciert wird. Hierin liegt auch ein wesentlicher Grund, weshalb sich R/3 kaum für das Produktdaten-Management innerhalb von Entwicklungsprozessen eignet. Drittanbieter würden zwar zunehmend selbst R/3-Interfaces für ihre Applikationen schreiben, sie seien dabei jedoch auf die vorgegebene Standard-Schnittstellen-Funktionalität beziehungsweise das von SAP geplante "Open Product Data Interface" angewiesen.

Ploenzke gibt außerdem zu bedenken, daß die Schnittstellen-Zertifizierung in der Regel nur für Teile der insgesamt elf von SAP definierten Funktionsbereiche gilt. Anwender sollten deshalb darauf achten, ob das vom Dritthersteller zur Werbung angeführte SAP-Zertifikat den gewünschten Funktionsbereich abdeckt.

Einen großen Vorteil sehen die Berater darin, daß die typische EDM-PPS-Kopplungsproblematik entfällt, wenn sich der Anwender für eine Installation beider SAP-Lösungen und damit für eine gemeinsame Datenbasis entscheidet. Durch die zentrale und redundanzfreie Ablage von Materialstamm-, Stücklisten- und Klassifikationsdaten soll sich der Aufwand für den Datentransfer und für konsistenzerhaltende Maßnahmen eindämmen lassen. Die mit Release 4.0 avisierte Option "Stand-alone-PDM" erlaubt eine separate Installation mit entkoppelter Datenbasis, wobei der Transfer zur SAP-PPS via Application Link Enabling (ALE) erfolgt.

Im Resümee hält Ploenzke den heutigen EDM-Funktionsstand in R/3 für geeignet, wenn es vorrangig um die Verwaltung von Engineering-Dokumenten geht. Auch die Möglichkeit zum einheitlichen Zugriff auf Dokumente und die systemweit nutzbare Workflow-Funktionalität kämen prinzipiell einem integrierten Daten-Management entgegen. Potentielle Anwender des Systems sollten sich jedoch bewußt sein, daß die hohe Integration der Module in R/3 auch einen Mehraufwand bei der Systemanpassung und tendenziell Einschränkungen der Flexibilität mit sich bringt.