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Bislang greifen Behörden kaum durch

Pleite wegen Facebook-Party?

18.08.2012
Immer wieder sorgen über das Internet initiierte Massenpartys für Aufregung. Meist bleiben die Gemeinden oder Länder auf den Kosten dafür sitzen. Das soll sich in Baden-Württemberg nun ändern.

Die nächste Party ist nur wenige Klicks entfernt. Doch die Feste, die sich dank Facebook in ein paar Sekunden organisieren lassen, sind den Behörden immer häufiger ein Dorn im Auge. Denn die improvisierten und unangemeldeten Sausen werden meist laut, Gäste pinkeln in Vorgärten und lassen gerne auch ihren Müll herumliegen. Wie am Donnerstag in Freiburg geschehen, wo zwei 15-Jährige die sturmfreie Bude nutzen wollten - eigentlich für eine kleine Privatparty. Polizeieinsätze und Aufräumarbeiten sollen deswegen die Veranstalter zahlen - und nicht der Steuerzahler.

Doch obwohl die Initiatoren rechtlich in die Pflicht genommen werden können, fällt es schwer, unter den zahlreichen Facebook-Partys der vergangenen zwei Jahre auch nur eine einzige zu finden, bei der die Verursacher tatsächlich belangt wurden. "Man will das einem 14-, 15- oder 16-jährigen Mädchen oder Jungen nicht aufbürden, nur weil sie ein Häkchen falsch gesetzt haben", sagt Alexander Kießling, Polizeisprecher in Frankfurt. "Die Verhältnismäßigkeit soll gewahrt bleiben." Die Kosten für den Einsatz bei einer Freiluft-Party mit 800 Gästen in Frankfurt im vergangenen Sommer habe das Land getragen.

Im schleswig-holsteinischen Strande übernahm die Gemeinde die Kosten für die spontane Party. "Das hat der Bauhof aufgeräumt", sagt Bürgermeister Udo Lüsebrink. Auch die Party einer 14-Jährigen, die in Zirndorf in Mittelfranken aus dem Ruder lief, blieb zumindest finanziell folgenlos für das Mädchen. "Wir haben ihr keine Kosten auferlegt. Zwar hat man das geprüft, aber keinen Weg gefunden", sagt ein Polizeisprecher in Nürnberg.

Das kann Rechtsanwalt der Kölner Christian Somecke nicht verstehen. "Wer bewusst zu einer Facebook-Party aufruft, ohne den Teilnehmerkreis zu beschränken, muss auch für die entstandenen Kosten den Kopf hinhalten." Das sei so, als wenn jemand unzählige Plakate in der Stadt klebe - dann müsse mit Sicherheitsleuten und Toilettenwagen für die öffentliche Sicherheit gesorgt werden. Und auch wer einen Notruf tätigt, ohne dass ein Notfall vorliegt, wird zur Kasse gebeten.

Doch selbst bei der "Mutter aller Facebook-Partys" musste das Geburtstagskind Thessa nicht zahlen. Als sich 15.000 Menschen aus ganz Deutschland im vergangenen Jahr ankündigten, sagte sie die Party ab. Trotzdem kamen etwa 1600 Feierwütige. Fazit: Polizeieinsatz, Ausschreitungen, Festnahmen. 158 Beamte rückten laut der Deutschen Polizeigewerkschaft zur Party an - das summiere sich bei einem Acht-Stunden-Einsatz und einem durchschnittlichen Stundenlohn von 34 Euro auf insgesamt 43.000 Euro.

Doch weil Thessa nur aus Versehen einlud und sich ernsthaft bemühte, den Fehler wieder gutzumachen, blieben ihr die Kosten erspart. "Und nun ist es schwierig, jemandem die Kosten zuzurechnen", sagt Frank Reschreiter, Pressesprecher der Hamburger Innenbehörde. "Das ist ähnlich wie bei Fußballspielen, wo es im Umfeld zu Ausschreitungen kommt - die auch der Steuerzahler tragen muss." Auch das Brüderpaar in Freiburg hatte nach ersten Erkenntnissen der Polizei bloß 40 Leute einladen wollen. Durch ein Versehen kamen rund 350.

Die Hamburger denken aber darüber nach, bei einem ähnlichen Vorfall die Kosten zumindest teilweise abzuwälzen. "So kann es nicht mehr weitergehen", sagt Reschreiter. Unterstützung kommt nun aus Baden-Württemberg. Dort will das Land hart durchgreifen, wenn absichtlich zu öffentlichen Facebook-Partys geladen wird.

Mehr als 200.000 Euro kostete der Behördeneinsatz in Konstanz laut "Bild am Sonntag". Ein Lehrling wollte dort allen zeigen, wie eine richtig große Party läuft. Die Stadt schloss vorsorglich das Freibad, 283 Beamte und ein Helikopter waren laut dem Zeitungsbericht im Einsatz. Doch wie viel und ob überhaupt der Lehrling wirklich zahlen muss, ist nach wie vor fraglich. Ein Sprecher des Innenministeriums in Stuttgart betonte am Freitag mit Blick auf das geringe Einkommen des Mannes: "Das Polizeirecht sieht keine soziale Komponente vor." Milde kann der Konstanzer also nicht erwarten.

Der Sprecher räumte ein, dass hier rechtliches Neuland betreten werde und etwa ein Einspruch vor dem Verwaltungsgericht möglich sei. Am anderen Ende der Republik sind die Behörden auch nicht weiter: Ein 26-Jähriger, der vor zwei Jahren mit 5000 jungen Menschen eine Strandparty auf Sylt feierte, weigert sich, die Kosten von rund 40.000 Euro zu tragen. Die Gemeinde klagte, doch das Verfahren ruht.

Ein zusätzliches Problem: Oft geschehen die Online-Aufrufe anonym. So können etwa die Behörden in Backnang bei Stuttgart nicht wie geplant kassieren. Dort sind der Polizei Ende Juni Kosten in Höhe von 120.000 Euro entstanden. Doch wissen sie nicht, von wem sie das Geld eintreiben sollen: Sie können die Spur nicht zurückverfolgen. (dpa/tc)