ERP-Zufriedenheitsstudie

Platz für Spezialisten

06.10.2005
Von Dr. Karsten
In der ERP-Zufriedenheitsstudie der Trovarit AG und der i2s GmbH in Zusammenarbeit mit COMPUTERWOCHE Mittelstand haben die Anwender ein klares Votum zugunsten kleinerer und spezialisierter Anbieter abgegeben.

IM DEUTSCHEN ERP-Markt ist Platz für Spezialisten - das ist die vielleicht wichtigste Botschaft der Anwenderbefragung „ERP Zufriedenheit Deutschland 2005“. Während in weiten Teilen der Presse der Eindruck entsteht, das Geschäft mit der Business-Software sei eine Sache für wenige große Anbieter, zeichnen die Anwender ein völlig anderes Bild. Wie bunt und vielgestaltig dieses ist, veranschaulichen die Grafiken A und B, die einen Überblick über die benoteten Systeme und ihr Abschneiden in der Gunst der Nutzer vermitteln. Dabei wird deutlich: Die Systeme der kleinen, meist weniger bekannten Hersteller sind keineswegs alle veraltet und funktional unzureichend, wie die Big Player der Softwarebranche glauben machen wollen. Im Gegenteil: Wie schon im Vorjahr erhalten gerade solche Systeme Bestnoten, die selbst Experten bislang eher unbekannt waren. Dabei handelt es sich zumeist um Lösungen für kleinere Unternehmen oder um spezielle Branchensoftware.

Guter Durchschnitt

Beim Blick auf die Ergebnisse dürfen sich aber die Hersteller insgesamt über gute Noten freuen: Im Durchschnitt erhielten sie für ihre Produkte und Dienstleistungen das Prädikat „Gut“ und konnten sich gegenüber dem Vorjahr sogar leicht auf die Noten 4,0 (Zufriedenheit mit dem Anbieter/Einführungsdienstleister) und 4,05 (Zufriedenheit mit dem System) verbessern. Bewertet wurde von mehr als 1700 Teilnehmern auf einer Notenskala von 1 (mangelhaft) bis 5 (sehr gut). Verbesserungen gab es vor allem bei Funktionalität, Flexibilität und Office-Integration. Weniger zufrieden waren die Teilnehmer mit „Schnittstellen/Offenheit zu anderen Systemen“, „Support/Engagement des Anbieters“ sowie „Möglichkeiten zur firmenübergreifenden Integration“ der Lösungen.

Das überdurchschnittlich gute Abschneiden von Kleinanbietern und Spezialisten für Branchensoftware hat vor allem zwei Ursachen: Erstens steigen mit der Projektgröße Belastung und Risiken auf Anwenderseite signifikant. Zweitens fällt es größeren ERP-Herstellern mit umfangreicher Kundenbasis schwerer, sich intensiv um einen einzelnen Kunden zu kümmern. Hier sind kleinere Anbieter in einer besseren Ausgangsposition, die viele von ihnen auch zu nutzen wissen. Denn „weichere Faktoren“, wie etwa das Auftreten und das Engagement des ERP-Anbieters oder persönliche Beziehungen zum Anbieter, geben im Mittelstand weitaus häufiger den Ausschlag als bei größeren Unternehmen. Passt es auf dieser Ebene, dann verzichten Mittelständler gern auf die „bekannte Marke“ oder eine Marktführerschaft des Anbieters.

Neben den guten Noten bekommen die Hersteller auch einige Kritik ins Stammbuch geschrieben. Im Fokus steht dabei erneut die mangelnde Flexibilität der Softwarelösungen. Aufgrund neuer Technologien lassen sich die Systeme aber inzwischen besser auf die jeweiligen Anforderungen der Unternehmen anpassen als vor einem Jahr. Mangelnde Unterstützung der Geschäftsprozesse durch unzureichende Softwarefunktionen wird denn auch weniger bemängelt.

Die Anbindung von Office-Werkzeugen funktioniert mittlerweile ebenfalls spürbar besser. Diese Möglichkeit wird in der betrieblichen Praxis begrüßt. Das zeigt der häufigere ergänzende Einsatz von Microsofts „Excel“. Unzufrieden sind viele ERP-Anwender mit dem Aufwand für die Datenpflege. Gleiches gilt für die Bedienerfreundlichkeit der Systeme, wenngleich es in beiden Kategorien leichte Verbesserungen gab (0,52 Prozent beziehungsweise 0,45 Prozent). Beim Thema Datenpflege allerdings besteht der Verdacht, dass der Fehler meist nicht allein im ERP-System liegt. Eric Scherer, Geschäftsführer der Zürcher i2s GmbH und Initiator der Studie, meint dazu aufgrund seiner Projekterfahrung: „Hier ist dringend ein Kulturwandel auf Seiten der Anwender notwendig.“ Er bezeichnet Daten als „Blut in den Venen jedes ERP-Systems“. Ihr Wert sei vielerorts noch nicht richtig erkannt: „Die Pflege von Stammdaten ist ein eigener Geschäftsprozess, der durchdacht umgesetzt werden muss und auch Investitionen verlangt.“

Nicht frei von Mängeln

Noch stärker als im vergangenen Jahr kritisierten die Anwender die schwierige Anbindung anderer Geschäftsapplikationen an das ERP-System. Kritisch sehen sie ferner die Möglichkeiten der firmen- und standortübergreifenden Vernetzung von ERP-Systemen. Offenbar haben die Anbieter auf die höheren Anforderungen durch Globalisierung und Internationalisierung noch nicht adäquat reagiert. Schließlich fällt die wachsende Kritik von ERP-Anwendern am Support und Engagement vieler Anbieter im laufenden ERP-Betrieb auf. Möglicherweise haben die Bemühungen der Hersteller um mehr (Kosten-)Effizienz hier die Kundenzufriedenheit beeinträchtigt.