Plattenorientierte MDT - ohne DV-Spezialisten?

04.02.1977

Dies vorweg: Der Begriff ist geblieben, die Inhalte haben sich geändert.

Was heute mit 16, 32, 48, 64 und wer weiß wie vielen K's angeboten wird, mit Platten dran und auch Bildschirmen, bezeichnen die Nixdorfs, Kienzles, etc. immer noch als "Mittlere Datentechnik". Wer mit 1401 und später 360/20 groß geworden ist, muß da eigentlich nur neidisch werden: Erstaunlich, wie viele Hardware es heute für's Geld gibt. Mittlere Datentechnik heute, das wäre relativiert ein elektronisches Abrechnungssystem für 40000 Mark.

Bei aller technischer Veränderung, die Verkäufer-Argumentation ist die gleiche geblieben: MDT, das ist gleichzusetzen mit leicht bedienbar, leicht programmierbar, mit einem Wort narrensicher.

Daß diese Behauptungen mit Vorsicht zu genießen sind, erklären nahezu einstimmig

die Befragten. hö

Hans-W. Ohliger, Organisator, Bavaria- und St. Pauli-Brauerei, Hamburg

In den letzten Jahren hat sich auf dem Gebiet der MDT eine rasante Entwicklung vollzogen. Der Einsatz von Magnetplatten ermöglichte auch in unserem Hause die Losung dringend anstehender organisatorischer Probleme in der Offline-Verkaufsdatenerfassung. Seit März haben wir ein System ICL (Singer) 1503 (16 KB) mit einer Festplatte von 2,5 Mio. Bytes im Einsatz. Für dieses System werden zwei Programmiersprachen angeboten: CDE für einfache und DPL für komplexere Problemlösungen, für die wir uns entschieden haben.

Die Platte bietet viele Vorteile, die wir von der Groß-EDV her kennen. Das Betriebssystem sowie die Anwender-Programme sind auf der Platte gespeichert. Dadurch ist es möglich, Programme zu segmentieren und umfangreiche Programme mit kleinem Speicher zu fahren. Neben den Stammdaten, die index-sequentiell gespeichert und somit im direkten Zugriff sind, befinden sich sämtliche In- und Output-Dateien auf der Platte. Damit kann über die Programme auf n-Dateien zugegriffen werden bzw. verschiedene Programme können die gleichen Dateien verarbeiten. Die Zugriffsgeschwindigkeit beeinflußt auch bei hoher Eingabeleistung nicht die Verarbeitung. Ferner bietet die Platte den Vorteil des Updates, damit wird dauerndes Reorganisieren vermieden. Druckausgaben werden in einem Spool-Bereich geschrieben und parallel zum Input gedruckt, so daß die Druckgeschwindigkeit durch das "Multiprogramming" nicht die Verarbeitung verzögert.

Die Möglichkeit, die Bedienungskraft über Bildschirmanweisungen "anzuleiten", verringert die Einarbeitungszeiten und vermeidet Bedienungsfehler. Somit kann auch ungeschultes Personal innerhalb kürzester Zeit mit dem Gerät vertraut gemacht werden.

Basierend auf unsere guten Erfahrungen haben wir uns entschlossen, in unserem Hause weitere MDT-Systeme mit Magnetplatten zu installieren und die Einsatzgebiete wesentlich zu erweitern, damit das zentrale Rechenzentrum entlastet wird.

Ernst Timmermann, Handlungsbevollmächtigter, Gemeinnützige Siedlungs AG (SAGA), Hamburg

Die heute auf dem Markt angebotenen Kleincomputer - irrtümlich noch mit MDT-Systemen bezeichnet - können nicht mehr von EDV-Laien oder nicht qualifiziertem Personal bedient werden - dazu sind sie schon zu sehr "kleine" Großcomputer. Sicherlich ist die Bedienung der plattenorientierten MDT-Systeme einfach, bei der Programmierung allerdings wird es bereits problematisch, und zwar zu dem Zeitpunkt, da der Anwender merkt, daß es mit der vom Hersteller installierten Software allein nicht getan ist. Ist er einmal Aber die Anfänge dieser Anwendungen hinaus und hat sich an das Arbeiten mit dem Computer gewöhnt, merkt er bald, daß ein Abweichen von diesen Standards ihm bessere Möglichkeiten anbietet. Zudem ist die Hersteller-Software nicht immer die billigste. Der Einsatz von solchen kleinen Plattensystemen verlangt es auch - wie in der Groß EDV-, daß die gesamte Organisation umgestellt und abgestimmt werden muß. Ein nicht kaufmännisch voll ausgebildeter Verantwortlicher wird schon bald sehr große Probleme bei der Einführung solcher Systeme haben.

Selbst bei uns - wir benutzen ein Inforex 5000-System mit einer Speicher-Kapazität von etwa 100 Mio. Bytes zur Nachbearbeitung vom Zentralcomputer aufbereiteter Daten - mußten qualifizierte Programmierer einen etwa 14tägigen Kurs absolvieren, damit wir für dieses an und für sich "vorprogrammierte" System selber Programme schreiben können.

Josef Uhl, Leiter der EDV, Christian Holzäpfel GmbH, Horb

Ganz ohne Kenntnisse der Materie sollte man es nicht wagen, ein plattenorientiertes MDT-System im Haus zu installieren. Hierzu ist zumindest eine Grundausbildung in EDV erforderlich, noch besser betraut man mit dieser Aufgabe qualifizierte Programmierer.

In unserem Hause ist seit Mai 1976 eine Nixdorf 8870, Modell 2 installiert. Heute laufen die Nixdorf-Software-, Pakete Lohn und Gehalt und Finanzbuchhaltung - wir beginnen aber bereits mit den Vorbereitungen. für die Umstellung der Auftragserfassung und -abwicklung, beide Programme werden von uns selbst geschrieben.

Bedient wird das System von mir - ich bin seit 1971 in der EDV und habe eine Ausbildung zum DV-Kaufmann - und einer Assistentin, die auf das System eingearbeitet wird.

Eine Art Multiprogramming fahren wir derzeit lediglich im Bereich Finanzbuchhaltung: Dateieingabe sowie parallel dazu Ausgabe über Drucker.

Durch die Möglichkeit des "Double", also die Foreground- und Background-Verarbeitung kann man auch bei diesen kleinen Systemen Multiprogramming fahren.

Heinz Waibel, Prokurist und Leiter des Finanzbereichs, Miropa GmbH, Konstanz

Wir sind ein Direkt-Verkaufsunternehmen mit derzeit etwa 100 Vertretern und 100 000 Kunden in Deutschland, zu denen noch jährlich etwa 10 bis 15000 neue hinzukommen. Um der ständig steigenden Konkurrenzsituation gerecht zu werden, mußten wir uns relativ kurzfristig einen eigenen Computer ins Haus holen. Seit Januar 77 ist bei uns eine Nixdorf 8870- Anlage installiert.

Bis zu diesem Zeitpunkt wurden unsere Daten in einem entfernten Service-Rechenzentrum verarbeitet. Aber selbst wenn die Zusammenarbeit reibungslos funktionierte, waren uns die Wartezeiten, die durch das ewige Hin- und Herschicken aller Informationen auftraten, zu lang.

Den Aussagen der Hersteller solcher Systeme, daß für den Betrieb kein qualifiziertes Personal erforderlich sei, sollte man kritisch gegenüberstehen: Es ist richtig, daß das Handling problemlos ist wenn alle Anwendungen einmal laufen. Aber bis dahin ist doch noch ein weiter Weg. Die gesamte Organisation muß umgestellt werden, zudem sollte man versuchen, Software selbst zu erstellen, da die vom Hersteller angebotene nicht immer auch die billigste ist. Und hierzu haben wir uns einen Spezialisten geholt, der jetzt nach und nach das künftige Bedienungspersonal ausbildet.

Multiprogramming ist für eine spätere Ausbaustufe vorgesehen, in der derzeitigen Situation fahren wir lediglich im Vordergrund- und Hintergrund-Betrieb.

Ich selbst mußte mir zwangsläufig EDV-Kenntnisse aneignen, denn bei Einsatz eines solchen, doch mit der Groß-EDV verwandten Systems muß man selber Bescheid wissen - man darf sieh nicht nur auf Aussagen von anderen verlassen.