Einstiges Internet-Vorzeigeunternehmen in der Krise

Pixelpark tritt auf die Kostenbremse

06.04.2001
BERLIN - Sehr dünn ist die Luft für die Pixelpark AG geworden. Das einstige Paradeunternehmen der deutschen Internet-Agenturszene steckt tief in den roten Zahlen. Abhilfe schaffen soll nun ein drastisches Sparprogramm. Außerdem setzen die Berliner darauf, dass ihnen Mehrheitseigentümer Bertelsmann auch weiterhin die Stange hält. Dies aber ist mehr als ungewiss. Von Beate Kneuse*

Offenkundig unwohl in seiner Haut fühlte sich Pixelpark-Gründer und -Vorstandschef Paulus Neef, als sein scheidender Finanzchef Jan Kantowsky Anfang vergangener Woche der versammelten Journaille das Ergebnis des Rumpfgeschäftsjahres 2000 (1. Juli bis 31. Dezember) präsentierte. Kein Wunder: Denn was Kantowsky in der nüchternen Art eines Zahlenprofis zu Protokoll gab, war übel. Die ohnehin schon miserablen vorläufigen Ergebnisse mussten jetzt noch einmal deutlich nach unten korrigiert werden. Statt des erwarteten Minus vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) von 5,9 Millionen Euro beläuft sich dieses nun auf zehn Millionen Euro, der Nettoverlust hat sich mit rund 15,6 Millionen Euro gegenüber dem Geschäftsjahr 1999/2000 (Ende: 30. Juni) fast verdreifacht; beim Umsatz fehlen mit 52,3 Millionen Euro knapp drei Millionen.

Großprojekt verpatztDer Grund: Wegen nicht eingehaltener Liefertermine hat ein Großkunde ein Projekt abgebrochen, an dem die Berliner bereits über acht Monate gearbeitet hatten. Den Namen des Kunden wollte Neef nicht preisgeben, hartnäckigen Gerüchten zufolge handelt es sich dabei aber um den Versicherungsriesen Allianz. Pixelpark musste jedenfalls Umsätze in Höhe von zwei Millionen Euro ausbuchen und für etwaige Gewährleistungsansprüche des Kunden Rückstellungen von 2,3 Millionen Euro bilden.

Das verpatzte Projekt ist indes nicht der einzige Grund, dass der Katzenjammer bei den Berlinern derzeit groß ist. Noch vielmehr drückt die Stimmung, dass der viele Jahre hochgelobte und als Visionär hofierte Neef sein Unternehmen offensichtlich nicht mehr im Griff hat, weil er in die vor allem den Dotcoms nachgesagte "Wachstumsfalle" getappt ist. Mit dem kleinen Schönheitsfehler, dass Pixelpark kein Startup ist.

Ehrgeizige ZieleGetrieben vom Ehrgeiz, seine Web-Agentur zu Europas führendem Internet-Dienstleister zu machen, hat Neef schlichtweg vergessen, die im Rahmen der dafür nötigen raschen Expansion erforderlichen internen Strukturen zu schaffen und die Kosten im Auge zu behalten. So kaufte Pixelpark im vergangenen Jahr die Unternehmen ZLU (Zentrum für Logistik und Unternehmensplanung) sowie K2, einen französischen Internet-Dienstleister, und holte damit das für einen Full-Services-Anbieter dringend benötigtes Know-how an Bord - unterschätzt wurden jedoch die Integrationskosten. Mehr Geld als erwartet verschlangen zudem die Aufwendungen für den Aufbau neuer Standorte, vor allem in Spanien und in Osteuropa. Verspekuliert haben sich die Berliner zudem mit ihrem Ansinnen, in der Internet-Startup-Szene mitzumischen. Der dafür aus der Taufe gehobene Inkubator Venturepark bescherte Pixelpark zuletzt ein Minus von 3,1 Millionen Euro.

Nun heißt es, die Ärmel hochzukrempeln und das Unternehmen aus der Schieflage zu bringen, das allerdings zu einem Zeitpunkt, da unter den Internet-Dienstleistern ein knallharter Ausleseprozess vonstatten geht. Immerhin aber hat Neef begriffen, dass es zum Herumreißen des Ruders anderer Qualitäten als die eines Visionärs bedarf. Anfang Februar holte er sich mit Peter Ostermann einen Chief Operating Officer an die Seite, der nun als Mann fürs Grobe fungiert. Letzte berufliche Station des gebürtigen Österreichers war die Erste Bank AG in Wien, wo er als Vorstand für Organisation, IT, Zahlungsverkehr, ObjektManagement und Beschaffung zuständig war. Davor arbeitete er fünf Jahre bei Andersen Consulting (jetzt Accenture).

Seine Erfahrungen dürften für die anstehenden Aufräumarbeiten bei Pixelpark von großem Wert sein. Denn es gibt viel zu tun. Im Rahmen des Anfang März eingeleiteten Effizienzprogramms wurden als Sofortmaßnahmen ein Mitarbeiter-Aufnahmestopp sowie ein Personalabbau beschlossen. Mehr als 60 Mitarbeiter haben laut Ostermann das Unternehmen bereits verlassen. Weitere sollen folgen.

Intensiv geprüft wird nach Auskunft Ostermanns derzeit auch, wie es um die Profitabilität einzelner Geschäftsfelder und Standorte bestellt ist. Unter die Lupe genommen werden zudem die Auslastung der Personalressourcen sowie die Administrations- und Sachkosten. Insgesamt soll das Programm zu einer Kostenreduktion von rund 20 Prozent führen. "Wenn wir diese Maßnahmen entschlossen umsetzen", zeigte sich Ostermann überzeugt, "wird unsere Ertragssituation im dritten und vierten Quartal positiv ausfallen." Für das Gesamtjahr 2001 wird Pixelpark aber, wie Noch-Finanzchef Kantowsky, der zum Mehrheitsgesellschafter Bertelsmann zurückgeht, einräumen musste, weder beim Gewinn vor Zinsen und Steuern noch beim Netto-Ergebnis schwarze Zahlen schreiben. Beim Umsatz erwartet er 130 Millionen Euro.

Die Rolle der MutterWas letztlich tatsächlich aus dem Lebenswerk von Paulus Neef wird, hängt aber nicht nur von einer erfolgreichen Sanierung ab. Bei der Bertelsmann AG, seit 1996 mit knapp 59 Prozent Mehrheitsaktionär, ist der Internet-Pionier schon vor Monaten in Ungnade gefallen. Hartnäckig halten sich die Gerüchte, die Gütersloher wollten ihre Anteile verkaufen. Neef selbst betonte jetzt noch einmal, es gebe ein "klares Commitment" seitens Bertelsmann. Außerdem habe man vom Mehrheitseigner im zurückliegenden Rumpfgeschäftsjahr ein Darlehen von rund 26 Millionen Euro erhalten. "Diese Investition zeigt, dass Bertelsmann unseren Wachstumskurs trägt." Eine Art Treueschwur lässt sich daraus aber wohl kaum ableiten. Solange aber Pixelpark in einer solch desolaten Verfassung ist, dürfte sich der Medienriese mit einem Verkauf schwer tun.

*Beate Kneuse ist freie Journalistin in München