Philips-Manager Lorenz will technische Zukunft maßgeblich mitgestalten, aber: Europas Märkte hemmen Innovationen

02.10.1987

BONN (vwd) - Auf die drei Kerntechnologien Mikroelektronik, optische Technologie und Software-Technologie will der niederländische Elektroriese N.V. Philips Gloeilampenfabriken seine Zukunft ausrichten. Innovationen auf diesen Gebieten. so erklärte Vorstandsmitglied Gert Lorenz in Bonn, seien die Basis aller künftigen Geschäftsaktivitäten von Philips. Sie sollen ihre Produktgestalt unter anderem in der Informations- und Kommunikationstechnik finden.

Innovationen sind allerdings ohne kenntnisreiche Mitarbeiter nicht denkbar. Nur qualifizierte Ingenieure und Wissenschaftler könnten kreative Prozesse zu Lösungen führen, an deren Ende neue, marktfähige Produkte stünden. Dabei müsse eine Kultur der Kreativität im Unternehmen herrschen, die von internem und externem Wettbewerb gleichermaßen beflügelt werde. Ohne ausreichende finanzielle Mittel freilich, betonte Philips-Manager Lorenz, könne es kaum zu innovativen Entwicklungen kommen. Viel Geld sei heute erforderlich. Während die Entwicklung des Transistors einige hunderttausend Dollar gekostet und die des Mikrochips schon viele Millionen verschlungen habe, müßten zur Ausformung der Submikrontechnik (unter anderem für die Herstellung des Megabit-Chip) mehrere hundert Millionen Dollar bereitgestellt werden.

Innovation, wie Philips sie verstehe, bedeute immer auch Substitution herkömmlicher Produkte und Verfahren. Sie muß zugleich, so Lorenz, zur Rationalisierung führen. Europa hingegen zählt der frühere Vorstandsvorsitzende der Nürnberger Philips Kommunikations Industrie AG (PKI) nicht zu den für Innovationen prädestinierten Märkten. Seiner Meinung nach ist der europäische Markt zu sehr "fragmentiert", als daß er genügend Potential für die Durchsetzung von Innovationen biete. Hier seien die Vereinigten Staaten und Japan schon deshalb attraktiver, weil sie wesentlich größere geschlossene Märkte böten. Daher plädiert Lorenz auch mit Verve für den europäischen Binnenmarkt.

Gleichwohl fühlt sich Philips bei aller Globalisierung der Aktivitäten dem heimischen Europa verpflichtet. Dies kommt auch in den Bedingungen zum Ausdruck, die Lorenz für das Philips-Engagement in der Submikrontechnologie anführt:

1. Sie ist ein Wachstumsmarkt, der "mit oder ohne Subventionen" erschlossen werden mußt

2. Sie eröffnet die Chance zu internationaler Kooperation (wobei das erarbeitete Know-how beim jeweiligen Partner verbleibt).

3. Zentrum aller Basisaktivitäten ist Europa.

4. Ihre Entwicklung wird auf die Niederlande und die Bundesrepublik Deutschland konzentriert.

Dabei räumt Lorenz ein, man habe sich für diese beiden Länder entschieden, weil es - wie auch in den anderen Industrienationen - dafür Mittel aus dem Etat des Forschungsministeriums gab. Ebensogut hätte Philips, so der Hinweis des "Auslandsdeutschen" (Lorenz über Lorenz), sich auch für Frankreich entscheiden können. Insofern habe es angesichts der für ihn vollkommen unverständlichen Diskussion um die Zuschüsse aus dem Etat des Bundesforschungsministers an Siemens und Philips in der Bundesrepublik an der entscheidenden Frage gefehlt: Welchen infrastrukturellen Beitrag leistet die Submikrontechnologie für die deutsche Volkswirtschaft? Nach Lorenz Auffassung ergibt sich hier ein in der Öffentlichkeit noch nicht hinreichend realisierter Beitrag, der wesentlich bedeutsamer sein könnte als etwa der einer deutschen Beteiligung an der Raumfahrt, die immerhin elf Milliarden Mark verschlingt, während an Zuschüssen für die Submikrontechnologie nur rund 750 Millionen Mark vorgesehen sind.

Die Submikrontechnologie, so Lorenz weiter, sei kein Abfallprodukt irgendwelcher Forschungsaktivitäten in anderen Bereichen. "Hier gibt es keinen Teflon-Effekt", betonte er. Vielmehr ginge es um eine Basistechnologie mit vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten in der Zukunft. Als plastisches Beispiel kann das Autotelefon gelten, das heute noch aus rund 250 Komponenten zusammengesetzt ist, in den neunziger Jahren hingegen nur noch aus zehn Einzelkomponenten bestehen wird.

Sämtliche Signalprozessoren in der Konsumelektronik, die digitale Kennungen in Bilder oder Sprache umsetzen, ebenso wie integrierte Schaltungen für alle Produkte der

Unterhaltungselektronik, Speichereinheiten für Computer und Schaltungen zur Spracherkennung in vielfältigen Anwendungen sind künftiger Ausfluß der Submikrontechnologie.

Auf diesem Feld in Europa zusammen mit Japan und den USA an der Weltspitze zu stehen, ist für Philips-Manager Lorenz erklärtes strategisches Ziel. In den drei Kerntechnologien Mikroelektronik, optische Technologie und Software-Technologie die technische Zukunft maßgeblich zu gestalten, hat sich der Eindhovener Elektrokonzern selbstbewußt vorgenommen. "Wir wollen Herr dieser Kerntechnologien bleiben", postuliert Lorenz und steckt damit sowohl für Philips als auch für die Konkurrenz das Terrain ab.