Erste digitale Signalstrecke der Post:

Phantomkreise verhelfen zur DFÜ-Kapazität

25.02.1977

MANNHEIM - Mit dem technisch brillanten Trick der "Phantomkreise" ist es der Bundespost gelungen, ihre hoffnungslos überladenen Trägernetze für die digitale Übertragung zu erschließen: Ohne kostspielige Eingriffe in das Netz gewinnt die Gscheidle-Truppe mit "Phantomkreisen" zusätzliche Leistungskapazität. Anfang Februar ist zwischen Mannheim und Frankfurt die erste digitale Übertragungsstrecke in Betrieb genommen worden und die Bundespost dem Ziel eines "Integrierten - und Datennetzes" nähergekommen.

Bisher wurden alle digitalen Daten zur Fernübertragung in Tonsignale (analoge Daten) umgewandelt. Dabei wird die postalische Standardleitung 17a (ein Koaxialpaar mit acht isolierten, symmetrischen "Sternvierern" - nach der Leitungsanordnung so benannt - ) im Bereich bis zu zehn kHz von Fernwirksignalen, Tonprogrammen und für Dienstgespräche genutzt. Der Niederfrequenzbereich ist damit besetzt. Für den Telefon- und Fernschreibverkehr wird der Frequenzbereich von 12 bis 552 kHz verwendet. Oberhalb der 552 kHz lassen sich Analog-Dienste wegen des unzureichenden Signal- und Geräuschabstandes nicht mehr unterbringen - wohl aber die Digitalübertragung. Für sie wird der "Phantomkreis" von ein bis drei MHZ ausgenutzt, indem die Signale lediglich in andere Frequenzbereiche umgewandelt und übertragen werden.

Standardfrequenzen hoffnungslos überladen

Die digitalen Übertragungsstrecken sind maximal 150 Kilometer lang. Sie schließen mit einem Datenendgerät ab, das die zu übertragenden Signale an der 2 Mbit/s-Schnittstelle (2084 kbit/s) vom Daten-Multiplexgerät (oder Dateneinfügungsgerät) in die geeignete Form beziehungsweise Frequenz zu bringen hat. Überdies muß das Datenendgerät den nachgeordneten Streckenabschnitt auf seine Betriebsfähigkeit überwachen.

Das passende Signal aus dem Bit-Bündel

Das integrierte Fernschreib- und Datenübertragungsnetz arbeitet in zwei Ebenen: In der "unteren" Netzebene operieren die Datenvermittlungsstellen des EDS-Systems. In der "oberen" Netzebene verbinden Zeitmultiplexer die Datenvermittlungsstellen. Neu ist das Datenübertragungssystem Pulse Code Modulation mit 30 digitalen Kanälen (PCM 30 D), das die Siemens AG, München, entwickelt hat: Das System PCM 30 D bündelt im Zeitmultiplex bis zu dreißig 64 kbit/s-Signale zu einem 2048 kbit/s-Signal. Ein besonderes Daten-Einfügungsgerät erlaubt das Aus- oder Einblenden von vier beliebig wählbaren 64 kbit-Signalen aus dem 2048 kbit-Bündel, wobei die nicht betroffenen Signale unverändert gesendet werden. Der Empfänger gewinnt aus dem 2048 kbit/s-Primärsignal die Einzelsignale zurück und ordnet sie den richtigen Anschlüssen zu. Die ausgesonderten 64 kbit/s-Signale können dabei untereinander und zum Primärbündel "plesiochron" sein: Das heißt, die Bitrate des ankommenden Signals kann (mit einer Toleranz von ± 10(-4)) geringfügig kleiner oder größer als die Übertragungskapazität des dem Datenkanal zugeordneten Zeitabschnitts sein, denn der Pulsrahmen (256-bit) des Primärsignals (siehe Grafik) besteht aus 32 Zeitabschnitten. Dabei dient der Zeitabschnitt Null abwechselnd der Übertragung von Rahmenkennungs- und Meldewort.

Angelpunkt ist der Zeitabschnitt 16

Angelpunkt ist der Abschnitt 16 innerhalb des Plusrahmens - er übernimmt das "Stuffing", so das englische Codewort für "Positiv-/Negativ-Impulsstopfen": Ist bei plesiochronem Betrieb das ankommende Signal kleiner als die Übertragungskapazität wird ein "Positiv-Stopfen" eingefügt, ist es größer, wird über den Hilfskanal des Zeitabschnitts 16 der Negativ-Stopfen gesendet. Der Vorzug des ganzen Systems besteht darin, daß der Plusrahmen des 2048 kbit/s-Signals für die digitale Übertragung mit dem des bereits für Fernsprecher eingeführten Zeitmultiplex-Systems PCM 30 identisch ist.

Sendung ohne Bitverlust

Ohne in den Kabelschächten wühlen zu müssen lassen sich mit der "Zeitmultiplex-Datenfernübertragung mit 2048 kbit/s auf vorhandenen TF-Kabeln" Übertragungskapazitäten ohne Bit-Verlust erreichen. Bis 1978 soll das Netz (das in einer großen Acht über die Bundesrepublik gezogen ist, siehe Grafik) für die digitale Übertragung eingerichtet sein. Dennoch bleibt dahingestellt, ob Gscheidles Mannschaft den Wettlauf um den Kapazitätsausbau gewinnt: Bis 1985, so prognostiziert die "Eurodata-Marktstudie", wird die Zahl der DFÜ-Terminals auf mehr als eine Million angestiegen sein.