Wofür der Chef geradestehen muss

Pflichtverletzungen eines GmbH-Chefs

29.05.2012
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Renate Oettinger war Diplom-Kauffrau Dr. rer. pol. und arbeitete als freiberufliche Autorin, Lektorin und Textchefin in München. Ihre Fachbereiche waren Wirtschaft, Recht und IT. Zu ihren Kunden zählten neben den IDG-Redaktionen CIO, Computerwoche, TecChannel und ChannelPartner auch Siemens, Daimler und HypoVereinsbank sowie die Verlage Campus, Springer und Wolters Kluwer. Am 29. Januar 2021 ist Renate Oettinger verstorben.

Haftung für Sozialversicherung und Steuern

3. Haftung für Sozialversicherungsbeiträge und Steuern

a) Haftung für Sozialversicherungsbeiträge

Gemäß § 266 a StGB ist der Geschäftsführer verpflichtet, Sozialversicherungsbeiträge an die zuständigen Sozialversicherungsträger abzuführen. Verstößt er dagegen, macht er sich strafbar und gegenüber der GmbH und den Sozialversicherungsträger schadensersatzpflichtig. Abzuführen sind allerdings lediglich die Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung, nicht die Arbeitgeberanteile. Leistet der Geschäftsführer im Rahmen einer Krise Sozialversicherungsbeiträge für den Arbeitnehmer, liegt kein Verstoß gegen

§ 64 Abs. 3 GmbHG vor, auch wenn er in diesem Falle die Sozialversicherungsträger besser behandelt als sonstige Gläubiger. Hintergrund dieser Regelung ist, dass sich der Geschäftsführer ansonsten strafbar machen würde. Zahlt der Geschäftsführer dagegen die Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung, kann er wiederum der GmbH gemäß § 63 Abs. 3 GmbHG schadensersatzpflichtig sein, da er in diesem Falle die Sozialversicherungsträger zu Unrecht den Gläubiger bevorzugt.

Der Geschäftsführer muss im Rahmen einer Krise also darauf achten, dass unbedingt die Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung auch abgeführt werden. Es genügt auch nicht, wenn einfach die Bruttolöhne gemindert werden. Vielmehr muss in diesem Falle auch die Meldung an die Sozialversicherung entsprechend korrigiert werden.

b) Haftung für Lohnsteuer

Der Geschäftsführer ist verpflichtet, die Lohnsteuer für den Arbeitnehmer von dessen Bruttolohn einzubehalten und an das Finanzamt abzuführen. Die Lohnsteuer wird behandelt wie Gelder des Arbeitnehmers. Aus diesem Grunde ist der Geschäftsführer auch im Rahmen der Krise verpflichtet, diese Lohnsteuer an das Finanzamt abzuführen. Verstößt er hiergegen ist er gegenüber dem Finanzamt schadensersatzpflichtig.

Im Rahmen der Krise ist es hier allerdings möglich, die Bruttolöhne zu senken und von diesen gesenkten Bruttolöhnen die neu zu ermittelnde Lohnsteuer einzubehalten und an das Finanzamt abzuführen. Ist es dem Geschäftsführer also nicht möglich, den vollen Lohn auszubezahlen, muss er von dem verminderten Lohn die sich daraus errechnende Lohnsteuer einbehalten und an das Finanzamt abführen.

c) Haftung für Umsatzsteuer

Der Geschäftsführer ist verpflichtet, die Gläubiger gleich zu behandeln. Ist nicht genügend Geld vorhanden, muss er die Gläubiger quotal bedienen. Dies gilt auch für das Finanzamt im Rahmen der Umsatzsteuer. Verstößt er hiergegen, haftet er dem Finanzamt gegenüber auf Schadensersatz, allerdings nur in Höhe der Quote. Es ist also zu ermitteln, wie hoch die liquiden Mittel sind. Die fälligen Forderungen sind demgegenüber zu stellen, so dass eine Quote ermittelt werden kann.

Mitwirkungspflicht

Umstritten und problematisch ist die Mitwirkungspflicht des Geschäftsführers und/oder des Insolvenzverwalters gegenüber dem Finanzamt zur Ermittlung der Quote für den Schadensersatz. Der Geschäftsführer wird regelmäßig sagen können, dass ihm eine Mitwirkung nicht möglich ist, da sich die Unterlagen beim Insolvenzverwalter befinden. Der Insolvenzverwalter ist nach herrschender Ansicht nicht verpflichtet, gegenüber dem Finanzamt unterstützend tätig zu sein. Es ist nicht Aufgabe des Insolvenzverwalters, dafür Sorge zu tragen, dass das Finanzamt Schadensersatzansprüche gegenüber einen Geschäftsführer durchsetzen kann.

4. Resümee

Die Änderung des GmbHG hat eindeutig dazu geführt, dass die Haftungsgefahren des Geschäftsführers deutlich erfüllt wurden. Dem Geschäftsführer ist es nunmehr erlaubt, auch aus dem Stammkapital Darlehen oder sonstige Zahlungen an die Gesellschafter zu leisten. Im Gegenzug muss er dann allerdings darauf achten, dass der Rückforderungsanspruch jederzeit werthaltig ist. In der Praxis wird das ein großes Problem sein.

Ein Fremdgeschäftsführer wird wohl kaum zu seinem herrschenden Gesellschafter gehen und diesen auffordern, jeweils ein aktuelles Vermögensverzeichnis vorzulegen. Tut er das allerdings nicht, macht er sich gegenüber der GmbH eventuell schadensersatzpflichtig.

Weiterhin wurde verschärfend aufgenommen, dass Zahlungen in der Krise, die durch den Geschäftsführer veranlasst sind, diesen potentiellen Schadensersatzansprüchen aussetzt. Ein Schadensersatzanspruch entsteht immer dann, wenn eine Zahlung nicht mehr dem Maßstab eines sorgfältigen Geschäftsführers entspricht. Dies kann bereits dann vorliegen, wenn die Zahlung auf ein debitorisches Konto erfolgt.

Dem Geschäftsführer ist in einem solchen Falle dringend zu raten, ein neues Konto zu errichten, das lediglich auf Guthabenbasis geführt wird und dafür Sorge zu tragen, dass zukünftige Zahlungen nur noch auf dieses neue Konto fließen.

Die Haftung für Steuer und Sozialversicherungsbeiträge hatte in der Vergangenheit schon den gleichen Umfang. (oe)
Der Autor Dr. Norbert Gieseler ist Mitglied der Deutschen Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e.V. (www.mittelstands-anwaelte.de).

Kontakt:

Dr. Norbert Gieseler, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, für Steuerrecht und für Erbrecht, c/o MG&P - Rechtsanwälte Meinhardt, Gieseler & Partner, Rathenauplatz 4-8, 90489 Nürnberg, Tel.: 0911 58056024, E-Mail: kanzlei@mgup.de, Internet: www.mgup.de