1. Platz Großunternehmen

Peter Leukert, CIO der Commerzbank

24.11.2011
Der Grosse Integrator - Der Erfolg der Bankenfusion hing von diesem IT-Projekt ab. Genau das hat unser "CIO des Jahres" gemanagt.

Seit ein paar Jahren bestimmen IT-Integrationsprojekte in der Finanzbranche den Trend. Die HypoVereinsbank und ihre Muttergesellschaft Unicredit machten mit "EuroSIG" Schlagzeilen. Beinahe unbemerkt von der Öffentlichkeit pfiff die Finanz Informatik, IT-Organisation der Sparkassen und Landesbanken, den Endspurt zu "OSplus" an. Beides keineswegs triviale Unterfangen. Aber ein Projekt stellte sie doch in den Schatten: die Integration von Commerzbank und Dresdner Bank. Elf Millionen Kunden waren betroffen, fast 4500 Projektmitarbeiter involviert, Synergien in Milliardenhöhe standen auf dem Spiel - mehr noch: der Erfolg der Fusion hing wesentlich davon ab.

Auch menschlich anspruchsvoll

Der Startschuss fiel im September 2008. Im Mai 2011, also nur etwa 1000 Tage später, wurde der Abschluss gefeiert. Den Kosten für die Umsetzung stehen heute schon hohe Einsparungen gegenüber, so dass sich das Projekt im nächsten Jahr amortisiert haben wird. Die Synergieeffekte werden sich, so der Plan, bis 2014 auf 2,4 Milliarden Euro im Jahr belaufen.

Die Begleitumstände waren schwierig. So fiel der Projektzeitraum direkt mit der weltweiten Finanzkrise zusammen. Das bedeutete wechselnde Rahmenbedingungen für ein ohnehin hochkomplexes und auch menschlich anspruchsvolles Vorhaben. Schließlich ging es bei der Integration keineswegs nur um Bilanzen, Systeme und Kunden, sondern auch um die mehr als 4000 Menschen, die in den beiden zusammenwachsenden IT-Bereichen ihren Lebensunterhalt verdienten und verdienen.

Die Aufgabe, das alles unter einen Hut zu bringen, fiel dem Commerzbank-CIO Peter Leukert zu. Schon vor der Übernahme hatte der Finanzdienstleister mit dem gelben Logo entschieden, den IT-Bereich auf Basis einer Projektorganisation neu zu strukturieren. Dies erwies sich nun als Glücksgriff. Vor allem das damit einhergehende Karrieremodell habe sich hilfreich ausgewirkt, sagt Leukert, da es sich auf die fachlichen Fähigkeiten der Mitarbeiter konzen-triere. Anhand der jeweiligen Begabungen und Qualifikationen ließen sich die neuen Aufgaben transparent und nachvollziehbar zuordnen.

Unpopuläre Entscheidungen

Zudem spielte das Insourcing einiger durch die Dresdner Bank ausgelagerter Services den Projektverantwortlichen in die Karten: Mehr als 90 Prozent der Mitarbeiter können auch in der neu aufgestellten IT-Organisation wieder eine Aufgabe übernehmen.

Aber Leukert musste durchaus auch ein paar unpopuläre Entscheidungen treffen. Etwa hinsichtlich der Mitarbeiter, die die Kernsysteme der Dresdner Bank betreut und weiterentwickelt haben. Schon in der Planungsphase der Übernahme hatten Vorstand und Projektleitung entschieden, die Systeme der Commerzbank weiterzunutzen und die der Dresdner Bank auslaufen zu lassen. Schließlich diente auch das Geschäftsmodell der "alten" Commerzbank als Maßstab für den neu aufgestellten Finanzdienstleister. Darüber hinaus galt es, die Komplexität der IT-Umgebung und das operationelle Risiko zu senken. Die betroffenen Mitarbeiter konnten also das Ende ihrer Aufgabe früh absehen. Allerdings bekamen sie frühzeitig Optionen für eine weitere Karriere im Konzern aufgezeigt.

Als die größten Herausforderungen des Projekts nennt Leukert rückblickend das schwierige wirtschaftliche Umfeld und die hohe Komplexität des Vorhabens. Darüber hinaus verschweigt er auch nicht, dass es durchaus kulturelle Unterschiede zwischen den Commerzbank- und den Dresdner-Bank-Beschäftigten zu bewältigen galt.

Aber diese Hürden haben der CIO und sein Team übersprungen, ohne den Überblick und die Nerven zu verlieren. Mittlerweile sind die letzten Daten der Dresdner-Bank-Anwendungen archiviert und die Programme abgeschaltet. Diese Konsolidierung bilde eine der Voraussetzungen dafür, dass die Commerzbank wesentliche Teile der angepeilten Synergien erzielen könne, sagt Leukert.

Und was nun? Wie auch immer sich die wirtschaftliche Lage entwickelt, Leukert wird wenig Zeit zum Durchatmen haben. Die nächsten Aufgaben sind bereits formuliert und in Angriff ge nommen: "Nach drei Jahren der Konsolidierung heißt der nächste Schritt Optimierung - für die IT-Plattform und die Bank als Ganzes." Im Rahmen des Programms "Commerzbank Exzellenz" sollen die Geschäftsprozesse der Bank und deren IT-Unterstützung aus der Perspektive der Endkunden überarbeitet werden.

Daneben will Leukert aber auch neue, innovative IT-Projekte anschieben. Sie sollen der Bank helfen, ihren Marktanteil auszuweiten. Hier stehen vor allem zwei Themen auf dem Plan: zum einen neue Services, darunter auch mobile Dienstleistungen, wie die Kunden sie immer häufiger fordern, zum anderen eine bessere Unterstützung für die Kundenberater der Bank.

Last, but not least muss sich der CIO um einige regulatorische Themen kümmern, die nun umzusetzen sind. Dazu zählen Compliance-Vorschriften aus dem Umfeld von Basel II beziehungsweise III sowie FATCA (Foreign Account Tax Compliance Act). Vorhaben wie diese lassen sich nicht aufschieben. In diesen Zusammenhang gehört auch ein Projekt, in dessen Rahmen die Commerzbank gemeinsam mit dem Softareanbieter SAP einige Teile ihrer Finanzarchitektur modernisieren will.

Das Tagesgeschäft darf hinter diesen Projekten selbstverständlich nicht zurückstehen. Langweilig dürfte es Leukert und seinem Team also auch in den kommenden Jahren kaum werden.

Karin Quack, Redakteurin COMPUTERWOCHE

Fakten

Unternehmen

Mitarbeiter: 59.000.

Branche: Banking / Financial Industry.

Projekt

Name: IT-Integration der Dresdner Bank.

Zeitrahmen: September 2008 bis Mai 2011.

Eingesetzte IT-Produkte: Entsprechend der Systemlandschaft der Commerzbank.

Projektkosten: Der Einmalaufwand für die Integration be trug insgesamt 2,5 Milliarden Euro. Wir er warten aus der Übernahme ab 2014 jährliche Kostensynergien von 2,4 Milliarden Euro.

Beschreibung: Vollständige Integration der Dresdner Bank in die Commerzbank mit insgesamt elf Mil lionen Kunden; Meilensteine: Markenmigra tion im Juni 2010, personalwirtschaftliche Umsetzung der neuen Organisationsstruktur im Juli 2010, Harmonisierungs-Release im August 2010, Abschluss der Migration von zirka 300.000 Handelsbuchpositionen im Investment Banking Ende 2010, Datenmigration im April 2011.

Herausforderungen

Vor allem das Zusammenfallen des Projektzeitraums mit der Finanzkrise; dazu die Komplexität des Gesamtvorhabens; schließlich die kulturelle Integration.