Recruiting in Zeiten des Fachkräftemangels

Personaler - selten so gefordert wie heute

10.01.2013
Von 
Hans Königes war bis Dezember 2023 Ressortleiter Jobs & Karriere und damit zuständig für alle Themen rund um Arbeitsmarkt, Jobs, Berufe, Gehälter, Personalmanagement, Recruiting sowie Social Media im Berufsleben.

Personaler arbeiten wie Headhunter

Georg Bachmaier, Microsoft: "Wir investieren fleißig in die Suchmaschinen-Optimierung, damit die Bewerber uns schnell finden."
Georg Bachmaier, Microsoft: "Wir investieren fleißig in die Suchmaschinen-Optimierung, damit die Bewerber uns schnell finden."
Foto: Microsoft

Um dieses Ziel zu erreichen, hat sich bei Microsoft zum Beispiel die Recruiting-Abteilung neu organisiert, und die sogenannten Staffing Consultants arbeiten wie Headhunter. Man tauscht sich mit den Fachabteilungen aus, welche Mitarbeiter in den nächsten ein bis drei Jahren gebraucht werden. Danach werde sowohl im eigenen Talentpool als auch auf dem externen Arbeitsmarkt Ausschau nach geeigneten Kandidaten gehalten. Unbedingt möchte man auch Mitarbeiter ansprechen, die nicht aktiv auf Jobsuche sind, die man aber als passend identifiziert hat. Bachmaiers Ziel ist es, vorausschauend zu rekrutieren. Schon wenn sich abzeichnet, dass eine Stelle im Unternehmen neu zu besetzen ist, will er aktiv werden.

Und am besten gleich die Aspiranten ansprechen und ihnen sagen, dass in einigen Wochen oder Monaten eine Stelle bei ihnen frei wird. Der Microsoft-Personaler gibt freimütig zu, dass einige Kandidaten zurückhaltend auf dieses Verfahren reagiert hätten. Andere wiederum seien froh über den Wissensvorsprung und die Möglichkeit, sich Gedanken zu machen.

Verstärken will Bachmaier auch die Aktivitäten im Internet und in den sozialen Netzen. Man investiere zum Beispiel fleißig in die Suchmaschinenoptimierung, damit die Bewerber die Microsoft-Stellen im Netz schneller fänden als bisher.

Mit Freunden in der Firma spielen

Etwas unorthodoxer agiert der Spieleentwickler Innogames aus Hamburg. Das 200 Mitarbeiter starke Unternehmen wächst rasant und sucht vom Designer über Programmierer bis zu Projektleitern. Natürlich greife auch sie auf den üblichen Personal-Marketing-Mix zurück, erzählt Personal-Managerin Wiebke Burrichter. Wer allerdings die Digital Natives erreichen wolle, müsse den einen oder anderen Trampelpfad verlassen.

Wiebke Burrichter, Innogames: "Wir zahlen keinen Bonus, wenn Mitarbeiter ihre Freunde empfehlen. Das geschieht freiwillig."
Wiebke Burrichter, Innogames: "Wir zahlen keinen Bonus, wenn Mitarbeiter ihre Freunde empfehlen. Das geschieht freiwillig."
Foto: Anya Zuchold

So habe Innogames den sogenannten Game Jam ins Leben gerufen. 48 Stunden, ein Wochenende lang, stellen die Hamburger ihren Entwicklern und deren Freunden, Bekannten und Nachbarn Büros, die Infrastruktur "und ganz viel Red Bull" zur Verfügung, damit sie sich spieltechnisch austoben können. "Darüber hinaus haben wir auch viele firmeninterne Feiern und Team-Events", sagt Burrichter. Es dürfen auch Freunde mitgebracht werden, so dass sie neue Leute kennenlernt, von denen der eine oder andere Lust bekommt, zu Innogames zu wechseln oder dort ins Berufsleben einzusteigen. Burrichter dürfte wohl auch die große Ausnahme in der Hightech-Branche sein, indem sie ihren Kollegen keinen Bonus zahlt, wenn diese Freunde empfehlen, die dann im Haus anfangen: "Das geschieht bei uns freiwillig."

Burrichter hält auch nicht viel vom Gejammere der IT-Industrie, man könne keine Frauen für die Branche gewinnen. Ihrer Ansicht nach haben Unternehmen die Verantwortung, junge Frauen schon früh für dieses Berufsfeld zu begeistern. Als Beispiel führt sie den Girls Day an, an dem auch Innogames Mädchen im Alter von zehn bis 13 Jahren einlädt und ihnen Grundlagen der Spieleentwicklung näherbringt. Und dann komme in der Regel die Reaktion: "So einfach geht das, da wollen wir auch mitmachen." Es komme darauf an, so die Hamburger Managerin, das Bild des IT-Fachmanns in den Köpfen der Mädchen zu verändern. Die hätten oft Menschen vor Augen, die selbst bei schönstem Badewetter lieber das ganze Wochenende in einer Garage online herumballerten als an einen See zu gehen.

Eine Beobachtung, die auch Heinz Züllighoven, Professor im Arbeitsbereich Softwaretechnik an der Hamburger Universität und Geschäftsführer eines kleinen Softwarehauses in der Hansestadt, macht: "90 Prozent der Mädchen sehen den Informatiker als den grün angehauchten Keller-Nerd." Seine frustrierende Schlussfolgerung: "Wenn in den Schulen dieses Bild vorherrscht, können wir uns im Studium abstrampeln, wie wir wollen." Auch mit dem Informatikunterricht an den Schulen geht der Professor hart ins Gericht: "Daddeln auf irgendwelchen Internet-Seiten oder die eigene Homepage basteln", das könne man nicht ernst nehmen und als Informatikunterricht bezeichnen. "Was vielfach im Unterricht läuft, ist erschreckend", lautet sein hartes Urteil.

Falsche Vorstellungen der Firmen

Auch dem Kooperationspartner Wirtschaft schenkt Züllighoven reinen Wein ein. Die Unternehmen hätten falsche Vorstellungen vom universitären Ausbildungsbetrieb, würden die Studenten am liebsten als billige Arbeitskräfte beschäftigen wollen. Unlängst sollte eine seiner Informatikstudentinnen im fünften Semester im Rahmen eines Praktikums für ein Unternehmen Sicherheitssoftware entwickeln, die danach für den produktiven Betrieb vorgesehen war: Sein verzweifelter Aufschrei: "Wer denkt sich denn so was aus?"

Heinz Züllighoven, Uni Hamburg: "90 Prozent der Mädchen sehen den Informatiker als grün angehauchten Keller-Nerd."
Heinz Züllighoven, Uni Hamburg: "90 Prozent der Mädchen sehen den Informatiker als grün angehauchten Keller-Nerd."
Foto: Anya Zuchold

Der Professor hat konstruktive Vorschläge parat, wie sich die Zusammenarbeit von Wissenschaft und Wirtschaft verbessern ließe. Er plädiert zum Beispiel für hochschulnahe Ausbildungsverträge, eine Art privates Bafög von Seiten der Arbeitgeber. Den Firmen empfiehlt er, an den Hochschulen aktuelle fachliche Vorträge, etwa zu interessanten Projekten oder auch zu Trends, zu halten. Viel zu wenig würden auch gemeinsame Forschungs- und Entwicklungsvorhaben in Angriff genommen. Große Wirkung mit wenig Geld erziele man mit von der Wirtschaft gesponserten Stellen für wissenschaftliche Mitarbeiter. Das Unternehmen bezahle solche Stellen, und der Mitarbeiter arbeite an forschungsnahen Projekten zur Hälfte an der Universität, zur Hälfte in der Firma.