Personaler im Clinch mit Dienstleistern

19.10.2006
Von 
Winfried Gertz ist Journalist in München. Er arbeitet in einem Netzwerk von zahlreichen Anbietern kreativer Dienstleistungen. Das Spektrum reicht von redaktioneller Hörfunk- und Fernsehproduktion über professionelle Fotografie bis zu Werbetexten für Industrieunternehmen und Non-Profit-Organisationen.
Personaler lagern Teile ihres Geschäfts aus, weil es hilft Kosten zu sparen. Wenn allerdings Probleme mit dem Dienstleister auftreten - was vorkommen soll - , wird es für sie ungemütlich.
Personaler lagern administrative Aufgaben aus, in der Hoffnung, sich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren zu können.
Personaler lagern administrative Aufgaben aus, in der Hoffnung, sich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren zu können.

Die Anarcho-Hymne der Spontis und Hippies hieß: "Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert". Kein Leitmotiv für Personaler, die in der innerbetrieblichen Hierarchie oft unten stehen und sich um eine grundlegende Imagekorrektur bemühen. Outsourcing könnte ihnen dabei wertvolle Dienste erweisen.

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Um ihren Job sind Personalverantwortliche nicht zu beneiden. Mitarbeiter, die um ihren Arbeitsplatz bangen, halten sie mit Durchhalteparolen bei Laune. Ohne mit der Wimper zu zucken, stellen sie Entlassungspapiere aus, wenn beispielsweise an der "Restrukturierung" kein Weg vorbeiführt. Nun geht es den Personalern selbst an den Kragen. "Hatten sie Veränderungsprojekte in den 90er Jahren aktiv begleitet", sagt Thomas Faltin von der Unternehmensberatung Towers Perrin in Frankfurt am Main, "sind sie nun selbst in den Fokus geraten und müssen ihren Bereich abspecken."

Schlanke Personalabteilung

Das Mittel, mit dem Unternehmen ihre Strukturen auf den Prüfstand stellen und vor allem Kosten sparen wollen, heißt Outsourcing. Aufgaben, die wie die IT oder die Personalarbeit angeblich nicht zur "Kernkompetenz" zählen, könnten auch von externen Dienstleistern verantwortet werden, glauben die Manager. Bei der Auslagerung von Personalaufgaben rangiert die Lohn- und Gehaltsabrechnung ganz oben, wie die Unternehmensberatung Kienbaum ermittelte. Dieses Ausgliedern ganzer Arbeitsabläufe wird auch Business Process Outsourcing genannt, kurz BPO. Weitere Prozesse im Personalwesen auszulagern ist laut Kienbaum lediglich für sieben Prozent der befragten Firmen eine Option.

Frustrierte Mitarbeiter

Während Konzerne, darunter vor allem Banken und Versicherungen Personalprozesse zunehmend in Shared-Service-Centers zusammenlegen und in elektronischen Self-Services und Hotlines mit dem Ziel konsolidieren, die Kundenorientierung und Qualität der Personalarbeit zu verbessern, wenden sich mittelständische Firmen an spezialisierte Serviceprovider, die in vertrauensvoller Partnerschaft monatlich für sie die Entgeltabrechnung inklusive IT erledigen sollen.

Neben der Datev, der traditionellen Anlaufstelle von kleinen und mittleren Betrieben treten inzwischen zahlreiche Outsourcer auf den Plan, die ebenfalls diesen "Payroll" genannten Basisservice anbieten. Payroll schließt neben der Stammdatenverwaltung auch die Meldungen an Versorgungskassen und Sozialversicherungsträger ein. Statt in der Personalabteilung rufen Mitarbeiter nun beim Dienstleister an, beispielsweise um tarifrechtliche Fragen zu klären. Dabei handelt es sich um Aufgaben, die Personaler bisher selbst mit großem zeitlichen und finanziellen Aufwand erledigt haben. "Der Mittelstand schätzt die räumliche Nähe", beschreibt Thomas Eggert, Geschäftsführer der Münchner TDS HR Services & Solutions GmbH, worauf es dem Kunden ankommt. Vom Servicepartner erwarte er das "spezielle Fachwissen über deutsche Tarife oder Branchen".

Doch zunächst ist der potenzielle Kunde verwirrenden Botschaften ausgesetzt. Studien und Anbieter versprechen den Personalern das Paradies. Zum Beispiel, dass man als Dienstleister Lösungen in petto habe, "nach denen der Personalleiter tagelang suchen müsste", so Paul Schönert, Geschäftsführer des Dienstleisters Hansalog Services GmbH in Hamburg. Panikmache verbreitet hingegen der IT-Branchenverband Bitkom. Unter Verweis auf einen angeblichen Outsourcing-Rückstand gegenüber den USA und Großbritannien von fünf Jahren warnt Vizepräsident Jörg Menno Harms: "Unser Land verschenkt wirtschaftliches Gestaltungspotenzial."

Ob der unbedingte Wille zum Auslagern tatsächlich die messianisch versprochenen Vorteile wie etwa Kostenführerschaft oder höhere Flexibilität nach sich zieht, steht freilich auf einem anderen Blatt. "Die Servicequalität der Dienstleister", kritisiert Andreas Zilch, Vorstand der Münchner Experton Group, sei in den ersten sechs Monaten nach Projektstart "einfach nur grauenhaft". Besonders kleineren Firmen werde übel mitgespielt.

Dies kann Karl Schubert, Personalleiter einer Maschinenbaufirma in Mannheim, nur bestätigen. Stets sei er beim Dienstleister mit Personalwechseln konfrontiert, zudem würden Vereinbarungen nicht eingehalten. "Einigen Mitarbeitern mangelt es an Kompetenz und der gebotenen Servicementalität", ärgert sich Schubert. Wäre er nicht an den vom Vorgänger unterzeichneten langfristigen Vertrag gebunden, würde er die ausgelagerten Aufgaben "am liebsten wieder selbst in die Hand nehmen".

Mittelmäßige Dienstleister

Der Personalleiter, nur ein lästiger Nörgler? Weit gefehlt: Wie viele andere Personalverantwortliche will sich Schubert im Management mehr Gehör verschaffen. Für ihn ist moderne Personalarbeit weniger das stoische Erledigen von Verwaltungskram. Engagiert will er vielmehr zeigen, in welchem Maße der Unternehmenserfolg von engagierten und kompetenten Mitarbeitern getragen wird. Durch das Auslagern der Lohn- und Gehaltsabrechnung, einer Verwaltungsaufgabe, die viel Zeit in Anspruch nimmt, hält sich Schubert den Rücken frei für eine bessere Rekrutierung, für mehr Personalentwicklung und Talentförderung, für Aufgaben also, die viel Zeit in Anspruch nehmen, was zuvor nicht denkbar war. Zu früh darf er die Ärmelschoner aber nicht abstreifen. "Bringt der Dienstleister die erwartete Leistung nicht", lautet seine größte Sorge, "fällt das Kartenhaus zusammen."

Faltin empfiehlt den Firmen, Probleme mit dem Dienstleister über Tracking-Systeme zu messen, "um zum Beispiel den Preis neu zu verhandeln". Doch welche Personalabteilung ist schon technisch so ausgestattet? Lediglich zu beklagen, das Outsourcing nicht funktioniere, hilft andererseits auch nicht weiter. Wer schon vor der Entscheidung zur Auslagerung versäumt zu recherchieren, wer überhaupt als seriöser Partner in Frage komme, sagt Heinz Schick, Chef des Beratungshauses Laqon AG in Rheda-Wiedenbrück, dürfe sich nicht wundern, wenn das Projekt schließlich aus dem Ruder laufe: "Was Konzerne allein aus Kostengründen besser machen, wird von mittelständischen Firmen oft missachtet."

Laut Schick, der zahlreiche Outsourcing-Projekte eingefädelt hat und diese als externer Ratgeber steuert, geht bei vielen Firmen spätestens nach zwei Jahren die rote Lampe an: "In 30 bis 40 Prozent der Projekte explodieren die Kosten." Selbst die Marktforscher von Gartner erwarten, dass ausufernde Kosten und "inakzeptable Serviceleistungen" im Jahr 2009 jedes zweite BPO-Projekt in Mitleidenschaft ziehen werden. Um das Schlimmste abzuwenden, gehen bereits heute einige Dienstleister mit sich ins Gericht. So bat die ADP Employer Services GmbH aus Neu-Isenburg ihre Kunden um Kritik. Fazit: "Wir müssen die Kompetenz unserer Mitarbeiter sowie unsere Erreichbarkeit verbessern", verspricht Oliver Zoll, Director Business Development & Communications.

Während Auftraggeber ihre Kosten senken und bisweilen auch für Lohn und Gehalt zuständige Sachbearbeiter an den Servicepartner auslagern, sind die BPO-Anbieter gezwungen, jeden Cent umzudrehen. Gut unterrichteten Kreisen zufolge tobt gerade im mittelständisch ausgerichteten BPO-Markt ein Preiskrieg, bei dem Anbieter wie etwa die Dortmunder Koch Data GmbH pro Lohnabrechnung lediglich sechs Euro in Rechnung stellen. Während ADP den Standort Dresden kräftig ausbaut, wo die Lohnkosten laut Zoll "bis zu 40 Prozent niedriger liegen als in den alten Bundesländern", geht auch Wettbewerber TDS in der Niederlassung Zwickau bis an die Schmerzgrenze.

Der Sprung nach Osteuropa steht also aus Kostengründen unmittelbar bevor. Für Zilch eine logische Entwicklung: "Einige Mittelständler nutzen bereits Nearshore-Outsourcing, weil Mitarbeiter dort oft gut Deutsch sprechen." Sogar an indische Partner könnte man sich im Mittelstand bald gewöhnen, meint zumindest Gerrit Hermes, General Manager der Hexaware Technologies GmbH in Bad Homburg. "Freilich müssen die Inder erst noch lernen, wie Prozesse in deutschen Firmen ablaufen." Ob ein 400 Mitarbeiter zählendes Unternehmen aus dem Schwarzwald aber seine Entgeltabrechnung einem Partner aus einer anderen Kultur anvertraut, darf bezweifelt werden.

Personaler wie Schubert beruhigen diese Entwicklungen keineswegs. Lässt die Qualität des Servicepartners zu wünschen übrig, schlägt das heftig auf ihr Image zurück. "Eigentlich wollten sich die Personaler als Business-Partner etablieren", redet Towers-Berater Faltin Klartext. "Nun heißt es: Der hat ja schon Probleme mit seinem angestammten Geschäft." Personaler sollten diese Gefahr nicht unter den Teppich kehren. (hk)