Personalengpass könnte UMTS-Start verzögern

25.10.2000
Von in Alexandra
Die UMTS-Auktion mischt nicht nur den Finanzmarkt, sondern auch den Arbeitsmarkt auf. Ob Carrier oder Systemhersteller, sie alle wollen ihren Mitarbeiterstamm deutlich vergrößern, um die neue Technologie möglichst schnell marktreif zu machen und Geld zu verdienen.

Knapp 100 Milliarden Mark hat die Ersteigerung der UMTS-Lizenzen die sechs Carrier gekostet, weitere 50 Milliarden Mark soll der Aufbau der Netze in Deutschland verschlingen. Diese hohen Investitionen setzen die Netzbetreiber enorm unter Druck, die Zukunftstechnologie schnell Wirklichkeit werden zu lassen - Experten rechnen aber nicht vor Mitte 2002 mit dem Start des ersten Netzes in Deutschland.UMTS: Für die Entwicklung der Handy-Technologie brauchen die Firmen noch jede Menge IT-Experten. Der Markteintritt könnte sich verzögern, wenn es den Unternehmen nicht gelingt, genügend qualifiziertes Personal zu rekrutieren.

Kein leichtes Unterfangen für die deutschen Carrier, da sie im selben Teich wie ihre Zulieferer, Firmen und Unternehmensberatungen nach den entsprechenden Profis fischen. Zuerst brauchen sie Fachkräfte, die das UMTS-Netz planen und aufbauen. Dafür können sie sich aus dem Pool der GSM-Spezialisten bedienen. Zugleich wächst aber auch der Bedarf an Softwareexperten, die neue Produkte und die Zusatzdienste für den Mobilfunkstandard der Zukunft entwickeln. Unter Druck stehen aber auch die Systemhersteller wie Nokia, Motorola oder Siemens. Dazu eine Einschätzung von Matthias Bellmann, Vice President Personnel bei

Siemens Information and Communication Mobile (ICM): "Je teurer die Carrier die Lizenzen erworben haben, umso weniger Zeit bleibt ihnen bis zum Markteintritt. Dadurch wird auch der Zeit- und Personaldruck für uns Zulieferer größer." Systemhersteller wie Ericsson, die in Deutschland bisher mit

Mannesmann D2 nur einen Netzbetreiber bedienten, könnten künftig viele neue Kunden gewinnen - in den europäischen TK-Markt drängen 60 Netzbetreiber - und bräuchten dann erheblich mehr Mitarbeiter.

Schon in den vergangenen acht Monaten ist der TK-Arbeitsmarkt explodiert: So hat die Stellenmarktanalyse von EMC/Adecco, die 40 Tageszeitungen inklusive der CW berücksichtigt, ergeben, dass es von Januar bis August mit 8599 mehr als doppelt so viele Angebote für IT-Experten in der TK-Branche gab als noch im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Allein

T-Mobil schuf im vergangenen Jahr 1500 neue Arbeitsplätze - ein Zuwachs, der sich nach Auskunft von Unternehmenssprecher Philipp Schindera vor allem aus den starken Zuwächsen im GSM-Geschäft erklärt. Als Motor des künftigen Personalwachstums sieht T-Mobil die UMTS-Technologie. Gesucht werden neben IT-Experten vor allem Netzplaner und Mitarbeiter im Einkauf.

Auch Viag Interkom hat, bedingt durch den neuen Mobilfunkstandard, diesbezüglich einen enormen Bedarf. "Wir wollen bis Ende des Jahres noch 500 Leute einstellen", verkündet Unternehmenssprecher Michael Rebstock. Ein ehrgeiziges Ziel angesichts der europäischen Konkurrenz. "Die Carrier suchen Qualifikationsprofile, die es auf dem Markt eigentlich gar nicht gibt. Sie brauchen zum Beispiel Nachrichtentechniker, die einen MBA (Master of Business Administration) gemacht haben, und die gleich massenweise", sagt Diethard Bühler, Kenner der TK-Szene und Mitglied der Geschäftsführung der Unternehmensberatung

A. T. Kearney. Diethard Bühler, Telekommunikationsexperte von A.T. Kearney.

Vergleicht man Stellenannoncen für UMTS-Experten, die heute schon im Internet geschaltet sind, suchen die Firmen nach ähnlichen Qualifikationen. Hoch im Kurs stehen Ingenieure der Nachrichten- und Elektrotechnik sowie Informatiker. Sie alle sollten idealerweise nach dem Studium bereits ein oder zwei Jahre Berufserfahrung gesammelt haben, sei es im Bereich Softwareentwicklung oder mit dem Mobilfunkstandard GSM. Den Begriff "Berufserfahrung" definieren die Unternehmen bei näherem Nachfragen aber nicht so eng. So setzt Viag Interkom auch verstärkt auf Hochschulabsolventen, die dann im ersten halben Jahr durch zahlreiche Kurse eingearbeitet werden: "Ob Netzbetrieb, -aufbau, -planung oder -design, jeder Bereich hat ein eigenes Schulungsprogramm entwickelt", erklärt Personalexperte Hans Weiss. Dazu kommen vier bis sechs Wochen Fortbildung, die jeder Mitarbeiter im technischen Bereich erhält. Auch Siemens ICM stellt sich darauf ein, dass sich zum Großteil Berufseinsteiger auf die derzeit mehr als 1000 offenen Stellen im Entwicklungsbereich bewerben. Eine Tatsache, die Personalchef Bellmann aber nicht stört: "Gerade die Studienrichtungen, die sich mit unseren Themen befassen, sind sehr nah am Markt dran." Auch Praktika zählen für ihn als Berufserfahrung.

Für Unternehmensberater Bühler beschränkt sich das Personalproblem der TK-Firmen nicht nur auf den Bereich Netzwerkplanung und Softwareentwicklung: "Die Carrier, die noch kein Netz haben, müssen überlegen, ob sie für UMTS nicht eine neue Firma aufbauen sollen. Dann benötigen sie als Erstes IT-affine Führungskräfte, die die Netz- und Systementscheidungen treffen können." Angesichts des bevorstehenden Personalengpasses stellt sich so manche TK-Firma schon auf Abwerbeversuche der Konkurrenz ein und sorgt vor. Viag Interkom führt beispielsweise im technischen Sektor gerade eine Fachlaufbahn ein, um den Wert eines Spezialisten dem einer Führungskraft anzupassen, auch wenn er keine Personalverantwortung trägt. Zugleich hofft der Münchner Carrier auf Unterstützung durch den Mutterkonzern British Telecom, der seine Mitarbeiter für einen ein- bis zweijährigen Einsatz nach Deutschland schickt.

Bühler rechnet in den nächsten fünf Jahren mit einem stark steigenden Personalbedarf, der sich aber nur kurzfristig durch die Hilfe aus dem Ausland decken lässt: "International agierende TK-Firmen können auf die personellen Ressourcen ihrer Niederlassungen in anderen Ländern zurückgreifen. So kann man sich eine Art internationale Einsatztruppe vorstellen, die das Netz nacheinander in jedem Land aufbaut. Eine solche Entwicklung geht aber zu Lasten von kleinen Märkten wie der Schweiz." Langfristig sieht Bühler die Firmen in der Pflicht, ihr Personalproblem im eigenen Land zu lösen: "Im Kampf um die flexiblen und erfahrenen Mitarbeiter werden die Unternehmen ihre hohen Ansprüche zum Teil zurückschrauben und auch verstärkt Neueinsteiger betriebsintern ausbilden müssen."