Hochkonjunktur für Headhunter in der DV-Branche

Personalberater streiten über besten Weg der Personalsuche

07.09.1990

MÜNCHEN (hk) - Unternehmen suchen stets die bestqualifizierten Mitarbeiter, ganz gleich, für welche Position. Der Weg, auf dem sie ihre Führungskräfte finden, ist für sie unerheblich. Dennoch haben sich mit der Zeit gewisse Regeln herausgebildet, die nicht unumstritten sind.

"Hinsichtlich des Gehalts gibt es eigentlich keine Grenzen, die festlegen, wann Führungskräfte im Wege der Direktsuche oder aber mit Hilfe von Anzeigen gefunden werden", so Fritz von Gadow, Geschäftsführer der GKR Unternehmensberatung, Tochter der in London ansässigen Goddard Kay Rogers & Associates.

Tatsache ist, daß Unternehmen, wenn es um die Rekrutierung von Führungskräften geht, zunehmend auf Personalberater zugreifen. Eine Untersuchung der "Leicester Business School" in London bei den 500 wichtigsten kontinentaleuropäischen Unternehmen hat diesen Trend belegt. Laut der englischen AnaIyse sind 85 Prozent der Geschäftsführer und 70 Prozent der Vorstandsmitglieder von Personalberatern vermittelt worden. Nur rund zehn Prozent der Vermittlungen, so die Studie, kommen per Anzeige zustande. Unbestreitbar ist, daß sich die DV-Branche in bezug auf die Personalsuche von den anderen Branchen unterscheidet. Sie ist klein und überschaubar und häufige Wechsel an der Spitze stehen an der Tagesordnung, gerade bei amerikanischen Vertriebstöchtern. Da kommt es schon mal vor, so GKR-Geschäftsführer von Gadow, daß "heute jemand als Auftraggeber da ist und morgen als Kandidat bei mir sitzt".

Über die Wege, an diese Top-Leute heranzukommen, gibt es allerdings unterschiedliche Meinungen. Die Großen im Personalberatungsgeschäft, nämlich Kienbaum und Baumgartner, halten noch sehr viel davon, auch Top-Management-Positionen über Anzeigen zu besetzen. Baumgartner-Geschäftsführer Wolfgang Struwe läßt an Deutlichkeit nichts vermissen: "Wir besetzen Positionen, und zwar über alle Branchen gesehen, sowohl Vorstands- und Geschäftsführungsmitglieder als auch Führungskräfte und Spezialisten zu 80 Prozent über die Stellenanzeigen ."

"Mit Anzeigen ist kein Blumentopf zu holen"

Kienbaum-Geschäftsführer Waldemar Timm in Karlsruhe, spezialisiert auf den DV-Arbeitsmarkt, unterstützt die Argumentation des Sindelfinger Beraters mit folgendem Beispiel aus jüngster Vergangenheit: Auf eine Stellenanzeige, in der ein Alleingeschäftsführer für ein Unternehmen der High-Tech-Branche mit einem Umsatz von etwa 100 000 Millionen Mark gesucht wurde, bewarben sich 103 Kandidaten, viele davon sehr gut qualifiziert.

Für Manfred Schmidt, geschäftsführender Gesellschafter der Intermedia Management- und Personalberatungs-GmbH in München, geht die Tendenz bei der Suche nach Führungskräften auch in der DV-Branche eindeutig in Richtung Direktsuche: "Selbst bei Programmierern und Vertriebsingenieuren sind wir schon aktiv." Mit Anzeigen bei der Suche nach Top-Führungskräften sei schon lange kein Blumentopf mehr zu holen, so auch die Einschätzung von PA-Consultent Dieter Albeck. Er vertritt die Ansicht, daß gerade in der Computer-Domäne die Direktsuche noch ausgeprägter sei als in anderen Branchen, weil es sehr stark an Führungskräften fehle und weil es eine sehr dynamische Branche mit häufigem Wechsel sei. Zudem wollen die Auftraggeber "immer den besten und nicht unbedingt denjenigen, der sich verändern will". Das bedeute eben, daß die Leute persönlich angesprochen werden müssen.

Für die Personalverantwortlichen der großen DV-Hersteller ist das Thema Führungskräfte-Rekrutierung von außen kein spannendes Thema. Denn, so wird unisono argumentiert: Die Top-Positionen werden aus den eigenen Reihen besetzt. So setzt sich das DI-Management in München-Perlach nach eigenen Angaben nur aus altgedienten Siemensianern zusammen. Auch bei HP kann sich Personalchef Harald Reichelt nicht daran erinnern, in den letzten Jahren eine hohe Management-Position von außen besetzt zu haben. DEC-Personalverantwortliche Clementine Krell begründet die Zurückhaltung der Unternehmen, was die Besetzung der Führungspositionen mit fremden Leuten angeht, damit, daß man dem Führungsnachwuchs im eigenen Unternehmen Perspektiven anbieten müsse. Dies sei allerdings oft Wunschdenken, weiß der Frankfurter SCS-Geschäftsführer Dietmar Petzold.

Die Personalberater kennen natürlich ihre Pappenheimer und üben sich nicht so in vornehmer Zurückhaltung wie die Großunternehmen. "Es ist nicht unüblich, bei der Konkurrenz zu fischen", weiß der Kienbaum-Berater. Sehr wichtig seien in dieser Branche letzten Endes die informellen Kontakte. Timms Erfahrung: "Wenn einer in Frankfurt zum Mittagessen geht, weiß man nachher nicht, welche Tür er danach öffnet."