Wenn der Roboter übernimmt

Personalabteilung muss sich von Administration verabschieden

08.08.2016
Von  und
Alexandra Mesmer war bis Juli 2021 Redakteurin der Computerwoche, danach wechselte sie zu dem IT-Dienstleister MaibornWolff, wo sie derzeit als Head of Communications arbeitet.
Hans Königes war bis Dezember 2023 Ressortleiter Jobs & Karriere und damit zuständig für alle Themen rund um Arbeitsmarkt, Jobs, Berufe, Gehälter, Personalmanagement, Recruiting sowie Social Media im Berufsleben.
Die Digitalisierung wird die Weltwirtschaft so stark verändern wie die industrielle Revolution. Ob Unternehmen diese Veränderungen bewältigen, wird vor allem auf der menschlichen Seite entschieden, das belegen eine Studie und eine Konferenz zum Thema. Der HR-Abteilung kommt dabei eine Schlüsselrolle zu.

Brauchen wir künftig eine Personalabteilung? Diese Frage stellte Ulrich Jänicke, CEO des Softwareherstellers aconso, den Personalverantwortlichen, die seiner Einladung zur HR-Konferenz nach München gefolgt waren. Aufgrund der zunehmenden Automatisierung erübrigen sich auch im Personalbereich viele administrative Aufgaben. Zudem übernehmen künftig Prozessbeteiligte wie Führungs­kräfte, Mitarbeiter oder Bewerber selbst Arbeitsschritte, die bisher in der HR-Abteilung ablaufen. Vor dem Hintergrund müsse die Personalabteilung ihren Schwerpunkt nicht mehr in der Administration, sondern im Design von transparenten, klaren und einfachen Prozessen definieren und sich damit auch von der ­IT-Abteilung emanzipieren.

Der Roboter als Chef? Erste Versuche gibt es schon, das Fazit der Mitarbeiter: Der Roboter als Führungskraft ist zumindest nicht schlechter als der Mensch, er wisse viel mehr und ist gerechter, da er beispielsweise keinen bevorzuge.
Der Roboter als Chef? Erste Versuche gibt es schon, das Fazit der Mitarbeiter: Der Roboter als Führungskraft ist zumindest nicht schlechter als der Mensch, er wisse viel mehr und ist gerechter, da er beispielsweise keinen bevorzuge.
Foto: Ociacia - shutterstock.com

Wir brauchen auch in Zukunft eine Personalabteilung, aber eine andere. Jänickes These bestärkte Wolfgang Jäger, der an der Hochschule RheinMain im Fachbereich Design, Informatik und Medien lehrt. Ob Arbeitsorganisation, Aus- und Weiterbildung, Recruiting oder Administration, in allen HR-Prozessen machte der Personalexperte einen großen Veränderungsbedarf aus.

Zusammenarbeit mit Wettbewerbern

Die heutigen Personalabteilungen, in denen vor allem Juristen das Sagen hätten, müssen sich mit einer zunehmend hybriden Arbeitswelt auseinandersetzen. Nur mit einem rein juristischen Ansatz sei dieses Umdenken nicht möglich, prognostizierte Jäger. Wird das Motto "Arbeite, wo, wann und mit wem du willst" ernst genommen, müsse man mit einer Vielzahl unterschiedlicher Arbeitsformen umgehen können: Von Zeitarbeit über Gleitzeit und Vertrauensarbeitszeit bis hin zu Teilzeitarbeit und Projektarbeit. Um Innovation und letztlich die Wettbewerbsfähigkeit zu fördern, sollten Unternehmen vermehrt mit Wettbewerbern und externen Ideengebern zusammenarbeiten. Diese Kollaboration, auch mit Kunden und Lieferanten, erfordere vor allem Soft Skills. Fähigkeiten, die in aktuellen Zielvereinbarungen allerdings kaum eine Rolle spielen, so die Analyse Jägers. Hier dominierten nach wie vor wirtschaftliche Ziele. Das sei nicht zeitgemäß.

Algorithmus ergänzt Bauchgefühl

Einschneidende Veränderungen prognostizierte Jäger auch für das Recruiting. In der Personalbeschaffung kommen mehr und mehr Big-Data-Lösungen zum Einsatz, die Potenziale von Bewerbern über deren Online-Aktivitäten analysieren. Über Predictive Analysis könne der Personalbedarf durch Ermittlung der voraussichtlichen Fluktuation sowie der internen Auftrags- und Bestellungslage ebenso genau erfasst werden wie der Personalentwicklungsbedarfs anhand der Daten aus den Qualitätsmanagement- und Kompetenzmanagementsystemen. Dauer und Kosten der Besetzung einer offenen Position können anhand historischer und aktueller Daten in Verbindung mit den frei zugänglichen Arbeitsmarktdaten ermittelt werden.

In der Personalbeschaffung werden Personaler dazu lernen und die technischen Hilfsmittel akzeptieren lernen. Auch gebe es schon erfolgreiche Tests mit Recruiting-Robotern, die in zehn Sekunden den richtigen Bewerber aussuchen oder mit Social-Bots, die Bewerber in sozialen Netzwerken ansprechen. Die Texte für den Bot haben freilich seine 19jährige Tochter unnd ein gleichaltriger Mitschüler geschrieben, räumte Jäger ein, damit der Roboter die Zielgruppe authentisch ansprechen kann.

Prof. Dr. Wolfgang Jäger von der Hochschule RheinMain testete bereits erste Recruiting-Roboter und Social-Bots.
Prof. Dr. Wolfgang Jäger von der Hochschule RheinMain testete bereits erste Recruiting-Roboter und Social-Bots.
Foto: Hochschule RheinMain

Auch in Sachen Weiterbildung wird sich die HR-Abteilung umstellen und schnellere Lösungen wie Massive Open Online Courses (MOOC), mobiles Lernen oder Video-Seminare über Youtube-Videos anbieten müssen.

Großer Nachholbedarf

Auf die digitale Zukunft sind Personalabteilungen von heute aber schlecht vorbereitet. Das ist das Ergebnis einer telefonischen Befragung von 126 HR-Managern durch TNS Infratest im Auftrag der Unternehmensberatung Promerit. Zwar hat mehr als die Hälfte der Befragten die Digitalisierung in der Unternehmens- wie in der HR-Strategie verankert und erste Initiativen umgesetzt. Jeder Zweite der Befragten schreibt der HR sogar eine Treiberfunktion bei dem Thema zu, gemeinsam mit IT und Geschäftsleitung. Wichtige Aufgaben sind nach Ansicht der Befragten die Gestaltung von Arbeitsplatz und Zusammenarbeit der Zukunft, Entwicklung ­digitaler Kompetenzen und einer agilen Organisation als Netzwerkorganisation sowie digitale Führung und Leadership.

Das Digitalisierungspotenzial von HR-Prozessen schätzen die HR-Manager als sehr hoch ein, sehen aber überall Nachholbedarf. Recruiting sei der Prozess mit dem größten unausgeschöpften Digitalisierungspotenzial. "HR sollte aber zugleich an der Digitalisierung des eigenen Bereichs arbeiten, um als Treiber der Digitalisierung ernst genommen zu werden", empfiehlt Kai Anderson, Gründer und Partner von Promerit. Die Studie zeige, dass Personalabteilungen, die fit für die Digitalisierung sind, einen größeren Wertbeitrag zum Unternehmen leisten und den eigenen Anspruch als Strategiepartner besser einlösten.