Amerikaner forcieren angeblich eine Renaissance de Kundenbetreuung, aber:

Personalabbau kein Tabu mehr für Big Blue

17.04.1987

NEW YORK/STUTTGART (bi) - Mit dem offiziellen Ziel, die Verkaufsmannschaft zu Lasten der Produktion zu stärken, versucht IBM jetzt, die angekündigten "Umstrukturierungsmaßnahmen" ohne Gesichtsverlust greifen zu Lassen. Wie schon zu Jahresbeginn bekanntgeworden, versetzt allein die US-Mutter mehr als 15 000 ihrer insgesamt 237 000 Beschäftigten: weitere 10 000 gehen vorzeitig in den Ruhestand.

Dieses Frühpensionierungsprogramm bezieht sich außer auf die USA noch auf vier weitere Länder, nämlich die Niederlande, Kanada, Frankreich und Großbritannien. Zahlen für diese Märkte wurden indes noch nicht bekannt. Die Bundesrepublik war in diesem Zusammenhang bisher noch nicht genannt worden.

Der jüngste Exodus, leitender und langjähriger Mitarbeiter der deutschen Niederlassung in Stuttgart (vergleiche CW Nr. 16/86, Seite 4), signalisiert jedoch, daß auch die IBM Deutschland GmbH sich dem internationalen Streamlining nicht mehr entziehen kann. Von "Einstellungsstopp" ist ohnehin seit einigen Monaten unter IBMern die Rede. Zum letzter Mal waren die Big-Blue-Clerks in Deutschland 1983 mit einem Vorruhestandsprogramm konfrontiert worden.

Wie jetzt das "Wall Street Journal" feststellt, ist das entsprechende US-Programm das umfassendste der gesamten IBM-Historie und dazu das größte Versetzungs- und Umschulungsprogramm, das sich jemals ein Unternehmen geleistet habe. Analysten schätzen das Risiko der Aktion als sehr groß ein. Sie könnte immerhin etwa eine Milliarde Dollar und mehr kosten, was sich möglicherweise langfristig nicht auszahle.

Von einer Versetzung ins Feld betroffen sind in den USA demnach ungefähr 9000 Angestellte, die entweder in der Produktion oder der Verwaltung tätig waren und nun für den Job des Verkäufers geschult und motiviert werden. Außerhalb der USA sollen noch weitere 1500 Mitarbeiter der Hauptverwaltungen in den Verkauf wechseln. Deren künftige Hauptstoßrichtung ist, so einige Analysten, der Markt der kleinen und mittleren Unternehmen, die gewöhnlich mit Produkten der Konkurrenz ausgestattet sind, und nichtautomatisierte Fabriken.

Das geht allerdings für manche der Betroffenen nicht ohne Imageverlust ab. Mehr als 40 Direktoren der Hauptverwaltung verlieren neben ihrer Position auch den damit verbundenen Titel; Lohneinbußen seien jedoch nicht zu befürchten.

Auch in Stuttgart hat das weltweite Restrukturierungsprogramm Agenturmeldungen zufolge offenbar bereits erste Auswirkungen gezeitigt: Rund 20 Prozent der 1500 Mann starken System-Engineering-Crew sollen demnach zu Vertriebsbeauftragten umgeschult werden. Außerdem werden die SE-Dienste künftig nicht mehr gratis dargeboten. Die Taktik, über kostenloses System Engineering Wettbewerbsangebote der PCM-Industrie beim Kunden zu kontern, ist überholt. Die Rest-SE-Truppe soll ihren Umsatz von 15 Millionen Mark in diesem Jahr - sage und schreibe verfünffachen.

Dies dürfte aber nur ein Teil einer umfassenderen und veränderten Personalpolitik der IBM Deutschland sein.