Qualifizierte Mitarbeiter lassen sich nicht nur online finden

Personal-Management: Alles eine Frage der Software?

07.09.2001
Ob Bewerbung per E-Mail, Online-Datenbanken mit Kandidatenprofilen oder Rekrutierungsspiele im Internet - das Netz spielt eine zentrale Rolle im Personal-Management. Doch die Technik hat auch ihre Grenzen. Von Frank Puscher*

Die Luft für kleinere deutsche Personalberater wird dünner. Zunehmend drängen amerikanische Anbieter auf den deutschen Markt und präsentieren neue Methoden, die die Personalbeschaffung für Unternehmen einfacher und vor allem preiswerter machen sollen. Gleichzeitig tun sich viele deutsche Anbieter schwer mit neuen Technologien. Eine Usability-Studie der Marktforschungsagentur Relevantive ergab, dass die Online-Stellenbörsen Jobpilot, Stepstone, Monster, Jobscout24, Jobline und Jobversum allesamt Mängel in der Benutzerführung aufweisen. Diese machten es potenziellen Bewerbern schwer, wenn nicht gar unmöglich, sich in den Datenbanken umzusehen oder einzutragen. Die mangelnde Benutzbarkeit stehe, so das Fazit der Marktforscher, in deutlichem Missverhältnis zum Werbeaufwand der Anbieter.

Das Internet spielt bei der Entwicklung der Jobvermittlung eine zentrale Rolle. Dabei scheint der direkte Kontakt per E-Mail zwischen Unternehmen und Bewerbern abzunehmen zugunsten von Kontakten über Vermittler wie Jobbörsen. Viele Unternehmen beantworten Blindbewerbungen per E-Mail überhaupt nicht mehr. Die Axis Personal- und Organisationsberatung, Düsseldorf, fand heraus, dass bei den 500 größten deutschen Firmen jede dritte Online-Bewerbung verloren geht, weil die angegebene elektronische Adresse nicht funktioniert oder die E-Mail-Anfrage schlichtweg nicht beantwortet wird. Das steht in krassem Missverhältnis zu den Erwartungen der Bewerber. Die haben sich zunehmend an das schnelle Medium E-Mail gewöhnt und erwarten kürzere Reaktionszeiten als bei Papierbewerbungen.

"Vor allem in großen Unternehmen dauern die internen Abläufe mitunter bis zu drei Wochen", weiß Arne Maus. Mit seiner Firma Sama trainiert der Hamburger Führungskräfte und Personalverantwortliche. Das gespaltene Verhältnis der Personaler zum Internet hat seinen Grund. Eine Bewerbung per E-Mail ist heute in wenigen Minuten fertiggestellt und verschickt. Darum streuen die Bewerber ihre Unterlagen wesentlich breiter als früher, eine natürliche Barriere durch den Arbeitsaufwand gibt es kaum mehr.

Zwei Minuten für eine BewerbungDie Personalverantwortlichen sehen sich einer Flut digitaler Bewerbungen ausgesetzt, deren Bearbeitung aber genausoviel Zeit in Anspruch nimmt wie immer. "Ungefähr zwei Minuten nehmen sich die Personaler pro Bewerbung Zeit", sagt die Hamburger Personalberaterin Kerstin Karuschka. "Dabei entstehen Kosten von rund 70 Mark pro Bewerbung, selbst wenn es nur um eine Ablehnung geht", ergänzt Maus.

Abhilfe wollen Jobbörsen schaffen, die Bewerberprofile in ihren Datenbanken sammeln. Die Personalchefs müssen dafür bezahlen, dass sie in der Datenbank recherchieren dürfen oder Stellenangebote ausschreiben. Dabei kommt es zu den unterschiedlichsten Finanzierungsmodellen, etwa dem Jahresabo für 10000 Mark und freiem Zugriff auf alle Datensätze oder der Schaltung einer einzelnen Anzeige für rund 1000 Mark. Wird der Personaler fündig, greift in der Regel der Datenschutz: Der Vermittler schreibt den Bewerber an, ob er seine E-Mail-Adresse an das interssierte Unternehmen weiterleiten darf.

"Wir geben ungefragt keine Datensätze weiter", erklärt Tim Jägeler, Projektleiter der Karrierejagd von Cyquest. Dieser Grundsatz gilt, obwohl sich die Spieler der Karrierejagd freiwillig auf die Web-Seiten der beteiligten Firmen begaben und insofern bereits aktives Interesse an den Unternehmungen zeigten. Die Karrierejagd ist nur eines von vielen Beispielen, wie die Personalvermittler versuchen, im hartumkämpften Markt auf sich aufmerksam zu machen. Spielerisch soll die trockene Materie Jobsuche aufgelockert werden. "Ganz nebenbei" erfährt der Jobvermittler noch einiges über die Interessen und Vorlieben seiner Bewerber. Mit diesem Wissen erstellt Cyquest ein Bewerberprofil, das neben Zeugnisnoten, Studiendauer oder Praktika auch Soft Skills wie Teamfähigkeit oder strategisches Denken berücksichtigt. Über 40000 Benutzer nahmen während der dreimonatigen Spielphase teil, die im April endete. 12500 davon hinterlegten ein aussagekräftiges Bewerberprofil. Zwei Gründe könnten die Teilnehmer gelockt haben: Zum einen waren mit VW, Bertelsmann, Arcor oder Procter und Gamble attraktive Partner beteiligt, zum anderen gab es im Spiel auch etwas zu gewinnen. "Wir werden die Höhe der Preise allerdings reduzieren, weil sich herausgestellt hat, dass sie kein entscheidender Faktor für die Teilnahme sind", erklärt Projektleiter Jägeler.

Spielerisch zum JobInteressant sind auch die weiteren Erkenntnisse, die Cyquest bei der Karrierejagd gewann. So wird die Nachfolgeversion nur noch zwei statt drei Stunden dauern. Auch die Tonalität der Texte wird "erwachsener". Die Hamburger sind sich darüber klar geworden, dass das Spiel vor allem Berufseinsteiger im IT- und TK-Umfeld erreicht und nicht wie ursprünglich geplant nur Studenten. "Im studentischen Bereich sind wir nach Alma Mater die Nummer zwei", erklärt Jägeler.

Der Einsatz von Spielen ist seit einem Jahr ein beliebtes Mittel beim Befüllen der Bewerberdatenbanken. Allerdings hat die Methode auch ihre Nachteile: "Es gibt keinen Hinweis auf eine Korrelation zwischen privatem und beruflichem Verhalten. Wenn ein Spiel zur Rekrutierung herangezogen wird, sollte es möglichst exakt den Berufsalltag simulieren", betont Personalberater-Coach Maus. Insofern sind Varianten mit zu spielerischem Kontext problematisch. "Hotstaff" beispielsweise heißt das Online-Assessment-Center der Commerzbank, bei dem der Bewerber unter anderem Büromöbel schieben muss. Auch die futuristische Variante von Siemens, in der der Teilnehmer durch Asteroidengürtel fliegt, könnte am Ziel vorbei schießen.

Interessant scheint das Rekrutierungsspiel "Mission Xtelligence" der IT-Beratung CSC Ploenzke. Auch wenn eine Schatztaucher-Geschichte den Rahmen bildet, steht die Projektarbeit im Vordergrund. Die Spieler bilden ein virtuelles Team, in dem jedes Mitglied spezifische Aufgaben wahrnimmt, die im Grunde genommen neutral vom Kontext erledigt werden können. Auch hier gibt es zur Auflockerung kleinere echte Computerspiele. Der BCG Strategy Cup der Unternehmensberatung Boston Consulting Group blieb in dieser Hinsicht wesentlich näher am Thema: Der Spieler musste über sieben Wochen ein Unternehmen führen.

Entscheidend für die Qualität der Bewerberprofile ist letztlich die Kombination von Fragen und Antworten sowie die anschließende Auswertung. Sowohl das Cyquest-Spiel als auch das Siemens-Projekt werden wissenschaftlich von psychologischen Instituten begleitet, die versuchen, aussagekräftige Erkenntnisse zu gewinnen. Gelingt es, entsprechende Software zu erzeugen, dann ließen sich nicht nur passendere Mitarbeiter finden. Auch die künftigen Stellenausschreibungen - egal ob Zeitung oder Internet - würden gezielt die Bewerber ansprechen.

System beurteilt BewerbungenDas ist erklärter Verwendungszweck des Personality Compass. Das Softwareprogramm, das der Personalcoach Maus entwickelt hat, testet mit gezielten Fragen die Denkpräferenzen des Probanden. "Ein global orientierter Mensch denkt in größeren Zusammenhängen, ein detailorientierter konzentriert sich auf die Perfektionierung von Kleinigkeiten", erklärt Maus. "Solche Denkpräferenzen sind weitgehend stabil und kaum manipulierbar, hängen aber direkt mit dem jeweiligen Kontext zusammen. Besonders wichtig ist dabei, dass jede Frage nur eine einzelne Präferenz misst. Sonst werden die Antworten unscharf. Das ist das größte Problem der meisten Tests." Er ist überzeugt davon, dass Verhaltensweisen stark vom Kontext abhängen und eine umfassende Simulation eines solchen Kontexts in einer Online-Bewerbung nicht gelingen kann. Stattdessen sucht der Personality Compass nach der Motivation, die zum Verhalten führt.

Maus hat aus dem Offline-Werkzeug in diesem Jahr eine Online-Variante entwickelt. Entsprechend geschulte Personalberater können das Werkzeug nutzen, um ihren Auftraggebern detaillierte und aussagekräftige Profile zu überreichen. Im Gegensatz zu den meisten anderen Werkzeugen sieht der Personality Compass vor, dass auch der Bewerber eine Auswertung erhält. Darin werden allerdings keinerlei Wertungen vorgenommen, sondern nur Denkmuster aufgezeigt.

Findige Personalexperten haben längst erkannt, dass ein Tool zur Persönlichkeitsanalyse mehr hervorbringen kann als bessere Stellenanzeigen. Der Otto Versand setzt den Personality Compass ein, um bereits eingestellte Führungskräfte zu testen. So will man Erkenntnisse über die Unternehmenskultur gewinnen.

Damit DV-gestützte Personalauswahl und -betreuung zum Erfolgsmodell avancieren kann, müssen die Unternehmen mitziehen. Die Integration von Online-Bewerbungs-Tools in die heimische DV-Infrastruktur ist unverzichtbar. Anders kann mit elektronischen Bewerbungen nicht effizient genug gearbeitet werden. Ein Unternehmen, das das bereits perfektioniert hat, ist die Unternehmensberatung Accenture. 2500 Bewerbungen gehen monatlich ein, davon bereits jede fünfte digital. Letztere müssen den E-Recruiter durchlaufen. Ein Werkzeug, das harte Fakten abfragt und so ungeeigneten Bewerbern den Weg versperrt. "Erst wenn mehrere Grundvoraussetzungen nicht erfüllt werden, lehnt das System den Bewerber ab", erläutert Marketing-Leiter Ulf Henning.

Digitale PersonalakteWer einmal im System drin ist, wird voll digital weitergeleitet. Intern lässt sich verfolgen, wo sich eine Bewerbung befindet. Wird der Mitarbeiter eingestellt, wandern seine Daten in seine digitale Personalakte. "Wir behalten nur auf Papier, was der Gesetzgeber verlangt", so Henning. Die Soft Skills sollte man seiner Meinung nach aber besser nicht digital abfragen: "Das ist eine Aufgabe für Menschen." Vielleicht schwebt ihm eine Lösung vor, wie sie derzeit Iprofile in China betreibt. Dort werden Bewerbungswillige zum persönlichen Vorsprechen bei Personalberatern eingeladen und die qualifizierten Profile dann Unternehmen für 4000 Mark jährlich zur Durchsicht freigegeben.

* Frank Puscher ist freier Journalist in Hamburg.