Frauen im Einstellungsverfahren

Persönlicher Kontakt geht vor Algorithmen und KI

23.07.2018
Frauen stehen im Bewerbungs- und Einstellungsverfahren dem Einsatz von Algorithmen und künstlicher Intelligenz in Personalabteilungen kritisch gegenüber. Sie bevorzugen den direkten Kontakt mit der Abteilung Human Resources und misstrauen der Objektivität von technischen Tools.
  • Frauen lehnen KI-Systeme als Entscheidungsinstanz im Einstellungsverfahren überwiegend ab.
  • Bewerberinnen empfinden das persönliche Gespräch als Wertschärtzung.
  • Frauen bewahren sich der Digitalisierung zum Trotz einen humanistischen Zeitgeist.

"Algorithmen im Bewerbungsprozess - Traum oder Alptraum?" hieß die aktuelle Umfrage, die die Kongressmesse women&work von Mitte Mai bis Ende Juni online betrieben hat. 111 Frauen nahmen an der Befragung teil. Das deutliche Ergebnis: Die Mehrheit der Befragten (90 Prozent) lehnt die Entscheidung über die Einstellung und den weiteren Karriereverlauf durch Algorithmen ab. Ebenfalls die Mehrheit - nämlich 88 Prozent - bevorzugen die Möglichkeit der persönlichen Kontaktaufnahme auf Veranstaltungen und wünschen sich persönliche Ansprechpartner auf Karriere-Webseiten.

Frauen sind in der Mehrzahl nicht davon überzeugt, dass Algorithmen und KI-Systeme für gerechtere Auswahlverfahren sorgen.
Frauen sind in der Mehrzahl nicht davon überzeugt, dass Algorithmen und KI-Systeme für gerechtere Auswahlverfahren sorgen.
Foto: vectorfusionart - shutterstock.com

Die Ergebnisse bestätigen, was befragte Besucherinnen schon Ende April direkt auf der women&work 2018 geäußert hatten: Bei Frauen spielen ethische Werte und Moral nicht nur bei der Wahl des zukünftigen Arbeitgebers eine sehr wichtige Rolle, sondern auch im Bewerbungs- und Einstellungsverfahren. Melanie Vogel, Initiatorin der women&work, stellt fest, dass Frauen in einer Epoche, in welcher der Mensch Gefahr läuft, durch die Digitalisierung abgehängt zu werden, einen deutlich humanistischen Zeitgeist verkörpern, der sich parallel zur technologischen Entwicklung durchsetzt. Arbeitgeber, so Vogel, müssten dies bei der "Candidate Journey" von Frauen unbedingt berücksichtigen.

Während knapp die Hälfte der befragten Frauen (40 Prozent) die Online-Formulare auf Karriere-Websites noch positiv beurteilen, lehnen knapp 67 Prozent den algorithmisch automatisierten Abgleich ihrer Bewerbungsdaten, Stärken und Kompetenzen mit den Anforderungen des Unternehmens ab. "Flexibilität und die Fähigkeit, auf spontane Situationen sowie den jeweiligen Gesprächs- und Verhandlungspartner einzugehen, wird immer wichtiger. Standardisierte Verfahren und Auswertungen sind daher absolut kontraproduktiv", kommentiert eine Umfrageteilnehmerin. Eine andere merkt an, wenn Arbeitgeber exzellente Mitarbeitende gewinnen wollten, sollten sie sich auch die Zeit nehmen, mit diesen ins Gespräch zu kommen. Das habe etwas mit Wertschätzung als potenzieller Mitarbeiterin zu tun.

KI wird als faires Selektionskriterium angezweifelt

Die viel diskutierte Meinung, dass Algorithmen und Künstliche-Intelligenz-Systeme für gerechtere Auswahlverfahren sorgen, teilen 90,9 Prozent der befragten Frauen nicht. "Da die KI-Systeme von einigen wenigen Menschen programmiert werden, die meistens nicht mal im Personalbereich des jeweiligen Unternehmens arbeiten, halte ich die Systeme für sehr fehleranfällig", gibt eine Teilnehmerin zu Protokoll. Eine andere lehnt den Einsatz von KI-Systemen und Algorithmen zwar nicht ganz ab, befindet ihn aber nur dann für sinnvoll, "wenn die Grundlagen von Stellenbeschreibungen und Eingabemöglichkeiten in Online-Portalen selbst schon so neutral formuliert sind, dass Missverständnisse durch mangelhafte Übersetzungen oder eine störanfällige Wortwahl von vornherein ausgeschlossen werden können".

Kontakt im Bewerbungsverfahren muss sein

Drei Viertel der Interviewten möchten nach wie vor auch beim Erstkontakt mit einem potenziellen Arbeitgeber mit einem Menschen von Angesicht zu Angesicht sprechen können. Ein Grund: 96 Prozent der Befragten haben nicht mehr Vertrauen in die Auswahlentscheidung künstlicher Intelligenzen über ihre Bewerbung, als wenn Menschen die Selektion vornehmen. Auch Chatbots, Spracherkennungsprogramme oder automatisierte Abgleiche von Lebenslaufdaten mit Stellenbeschreibungen halten 89 Prozent gar nicht oder nur zum Teil für nützlich. "Der Einsatz kann sinnvoll bei harten Faktoren wie Ausbildung, Zusatzqualifikationen oder fachlichen Schwerpunktangaben sein. Die Fähigkeit, zwischen den Zeilen zu lesen und ein Gespür für die passenden Mitarbeiter jenseits harter Daten und Fakten zu haben, behalte ich jedoch jetzt und in Zukunft ausdrücklich dem Menschen vor", schreibt eine Interviewte dazu.

Die ausführlichen Umfrageergebnisse können unter https://www.female-recruiting.com/ abgerufen werden.