Trotz neuer Medien soll die Kundenbeziehung weiter eine große Rolle spielen:

Persönlichen Kontakt nicht beeinträchtigen

22.06.1984

MÜNCHEN - Homebanking per Btx wird in einigen Jahren erheblich an Bedeutung gewinnen, glaubt Manfred Brunner, Vertreter im Vorstandsbereich und Abteilungsleiter bei der Sparkasse München. Er sieht das neue Medium Bildschirmtext ähnlich wie die Selbstbedienungsterminals wichtige Aufgaben im Bereich des Kundenservice übernehmen. "Mit Btx", so Brunner, "offenbaren sich neue Wege".

Seit gut zwei Jahrzehnten kommt der Automation im deutschen Bankgewerbe ständig mehr Bedeutung zu. Eine wirtschaftlich effektive Ablauforganisation der Bankinstitute sowie die rationelle Abwicklung des ständig wachsenden Volumens des "Massengeschäftes" kann nur durch technische Neuerungen gewährleistet werden. Der zunehmende Einsatz von Selbstbedienungsgeräten in den letzten Jahren weitet die Anwendung der EDV verstärkt auf den Dienstleistungsbereich aus.

Der erste Schritt in der Entwicklung der Bankautomation war die Einführung der elektronischen Datenverarbeitung. Technische Verbesserungen sowie der ständig erweiterte Nutzungsgrad der geschaffenen Speicherkapazitäten durch verschiedenste Anwendungsprogramme ermöglichten die Installation von Online-Schalterterminals und Beraterbildschirmen. Dadurch wurden die Voraussetzungen für Kundenselbstbedienung durch Geldautomaten, Kontoauszugsdrucker und kundenbediente Terminals geschaffen.

Die Kundenselbstbedienung ist eine Modifizierung der Dienstleistungspalette der Kreditinstitute und verbessert den Service. Die technischen Voraussetzungen für einen weiteren Ausbau der Kundenselbstbedienung sind gegeben, insofern kann man jetzt schon mögliche zukünftige Entwicklungsschritte aufzeigen.

Ausweitung der Dienstleistungen

In den Geschäftsstellen mancher Sparkassen und Banken werden

"Selbstbedienungszonen" (Foyers) eingerichtet, in denen neben Geldautomat und Kontoauszugsdrucker kundenbediente Terminals installiert sind. Der Kunde hat damit rund um die Uhr die Möglichkeit, durch Bildschirm und Buchstabentastatur Fachinformationen abzurufen und Bankgeschäfte, zum Beispiel Überweisungen, selbst abzuwickeln, Aufträge zu erteilen, Vordrucke, Informationsmaterial und Beratungen anzufordern.

Ähnliche Anwendungsmöglichkeiten wie diese Selbstbedienungsterminals bietet die neue Mediengeneration Bildschirmtext. In Zukunft wird vor allem Btx wichtige Aufgaben im Bereich des Kundenservices übernehmen. Diese jüngste Erweiterung des Dienstleistungsangebotes eröffnet durch die Synthese aus Information und Telekommunikation die Möglichkeit, Geschäftsvorfälle vom heimischen Fernsehschirm aus zu erledigen und Fachinformationen zu erhalten. Btx kann man als Auskunfts-, Dialog- und Informationssystem oder als elektronischen Briefkasten nutzen.

Dadurch eröffnet Btx nicht nur dem Kunden neue Möglichkeiten; auch für Sparkassen und Banken hat Bildschirmtext positive Aspekte. Mit der Einführung von Btx sind deshalb umfangreiche Aktivitäten im Entwicklungsstadium sowie in der Zukunft der Kreditinstitute verbunden. Homebanking wird in einigen Jahren mehr und mehr an Bedeutung gewinnen. Teilweise bereits heute verwirklicht und vorstellbar für die Zukunft, bietet Bildschirmtext für Sparkassen- und Bankkunden eine interessante und breite Angebotspalette:

-Informationen über die verschiedensten Leistungsangebote können abgerufen, Serviceleistungen sofort beantragt werden. Gegebenenfalls

ist die Bestellung von weiterem Informationsmaterial möglich, und auch der Rückruf eines Beraters kann angefordert werden.

- Dieses generelle Informationsangebot wird durch aktuelle Nachrichten aus der Wirtschaft, dem Geldverkehr und bezüglich aktueller Angebote ergänzt. So werden zum Beispiel Wertpapiernachrichten, Devisen-, Gold- und Wertpapierkurse und wichtige Konjunkturdaten bereitgestellt.

- Die Dialoganwendungen mit dem Rechner im Kreditinstitut ermöglichen die Berechnung von Geldanlage- und Kreditbeispielen und die Umrechnung von Währungen.

Und von besonderem Interesse ist die Kontoführung in Bildschirmtext, mit der unter anderen Kontostands- und Umsatzabfragen möglich sind und die die unmittelbare Erteilung von Überweisungsaufträgen erlaubt.

Bildschirmtext als Marketinginstrument

Durch vielseitige Verwendungsmöglichkeiten offenbaren sich durch Btx natürlich auch im Marketingbereich neue Wege:

- So können Kunden auf Angebot oder aktuelle Daten gezielt aufmerksam gemacht und die Informationen schnell und problemlos übermittelt werden.

- Durch das Zusammenspiel von Farben, Text und Farbgrafik geschieht dies zudem auf eine attraktive, ausdrucksstarke und somit effektvolle Art und Weise.

- Durch das "Hintereinanderschalten" von Bildschirmtextseiten oder sogar dem Ablauf entsprechender Programme im Rechner des Anbieters kann mit Hilfe reizvoller Spiele und Spaßserien das Interesse des Btx-Nutzers auf das Unternehmen oder bestimmte Angebote einer Sparkasse oder Bank gelenkt werden.

Mögliche Auswirkungen auf die Konditionsgestaltung der Kreditinstitute, bedingt durch eventuelle Kostenersparnis im Betriebsbereich, müssen allerdings abgewartet werden. Da hier Faktoren wie Akzeptanz, Verbreitung und Nutzung des Mediums Btx eine entscheidende Rolle spielen, läßt sich in der momentanen Situation noch keine Aussage treffen. Auch kann jetzt noch nicht gesagt werden, in welchem Umfang der insgesamt defizitäre Bereich des Zahlungsverkehrs und der damit verbundenen Kontoführung durch Btx kostenmäßig entlastet wird.

Akzeptanz und Grenzen

Die Ausweitung der Bankdienstleistungen durch die Selbstbedienungsautomation stellt steigende Anforderungen an die Softwaresysteme der Kreditinstitute. Die Anwendungsprogramme müssen so flexibel gestaltet sein, daß es ohne größeren technischen und damit finanziellen Aufwand möglich ist, sich auf zukünftige Entwicklungen einzustellen.

Während im technologischen Bereich die Möglichkeiten sicher noch nicht von ausgeschöpft sind, zeigt sich derzeit eine Grenze der Kundenselbstbedienung hinsichtlich einer qualifizierten Beratung.

Überall, wo sich Bankleistungen als erklärungsbedürftig erweisen und insofern nur im Rahmen einer persönlichen Beratung des Kunden absetzbar sind, können die Selbstbedienungsgeräte nicht eingesetzt werden. Die Erklärungsbedürftigkeit einzelner Produkte hängt ab von der Lernfähigkeit und Akzeptanz der Kunden. Anders ausgedrückt: Die Ausweitung der Selbstbedienungsautomation ist nicht nur eine Folge technischer Möglichkeiten, sondern im besonderen Maße auch der Akzeptanz der Kunden.

Dabei zeichnet sich ab, daß sich das bereits bestehende Selbstbedienungsangebot mit Geldautomaten und Kontoauszugsdrucker einer steigenden Beliebtheit erfreut. Erfahrungen der Stadtsparkasse München zeigen, daß die Nutzung der Geräte zunimmt, wenn sich der Kunde erst einmal mit der Funktionsweise und den Vorteilen des Services vertraut gemacht hat. Trotzdem wird auf den persönlichen Kontakt zum Kreditinstitut weiter großer Wert gelegt. Daraus folgt, daß der Selbstbedienungsservice von den Kunden als eine Verbesserung des normalen Bankservices gesehen wird, durch den der persönliche Kontakt nicht beeinträchtigt wird.

In welchem Maße sich diese Erfahrungen der Kreditinstitute auf neue Selbstbedienungsleistungen, zum Beispiel Bildschirmtext, übertragen lassen, hängt davon ab, welche Vorteile der Kunde in der Ausweitung der Kundenselbstbedienung sieht und ob er diese höher einschätzt als den persönlichen Kontakt zum Sparkassen- oder Bankmitarbeiter.

Bei Btx läßt sich in diesem Zusammenhang derzeit nichts Konkretes sagen, da die bundesweite Einführung noch bevorsteht und man erst danach aufgrund der tatsächlichen Nutzung und der Erfahrungen der Kunden mit Btx Aussagen treffen kann. Feldversuche in Düsseldorf und Berlin sowie Bildschirmtext-Demonstrationsveranstaltungen bei der Stadtsparkasse München ermöglichen erste Auswertungen und Ausblicke. Btx wird damit anfangs wohl größtenteils von Firmen- und Geschäftskunden genutzt werden, da die Kosten für die notwendigen Geräte noch relativ hoch sind und gerade dieser Kundenkreis die Vorteile von Btx effektiv ausnutzen kann.

Für die Zukunft streben die Sparkassen nach einer sinnvollen Kombination von technischen Möglichkeiten und persönlicher Kundenberatung. Die Automation wird deshalb zukünftig bei der Planung der Sparkassen eine ebenso große Rolle spielen wie die persönliche und individuelle Kundenbeziehung.