Permanenter Mangel an Fach- und Führungskräften:High-Tech-Society will nur exklusive Mitglieder

10.05.1985

MÜNCHEN (lo) - Karrierewünsche bleiben zur Zeit in der Elektronikbranche nur selten unerfüllt. Seit 1983 hat dieser High-Tech-Bereich im Vergleich zu anderen Sektoren den größten Bedarf an Fach- und Führungskräften entwickelt, versichert die Personalberatung Roland Berger & Partner, München. Top-Positionen sind nach wie vor frei.

Das Angebot an Top-Kräften in Elektronik, Software, Lasertechnik, Raumfahrt sowie Teilen der Wehrtechnik sei noch immer begrenzt, registrieren die Münchner Berater in einer Studie über die qualitativen Merkmale dieser Arbeitsmarktbereiche. Zusätzlich werde der Bestand kontinuierlich "ausgedünnt", Denn erfolgreiche Repräsentanten seien besonders wechselwillig. Sie zögen es vor, auf eigene Rechnung zu arbeiten.

Wie kaum in einer anderen Branche rechne man sich dazu gerade ???r allerbeste Chancen aus.

Hohe Attraktivität durch berufliche Lebensqualität

Der Bedarf an Führungskräften insgesamt stieg in den vergangenen fünf Jahren sprunghaft. Die Elektronik konnte den Spitzenreiter Pharmaindustrie überrunden. Von Ende 1982 bis Ende 1984 nahmen freie Positionen im Elektronik-Management um 220 Prozent - durchschnittlich 1800 - zu. Noch höher war der Zuwachs im Sektor DV-Service. Dort machte die Steigerung 280 Prozent aus. Aber hier waren lediglich 300 Arbeitsplätze vakant.

Die High-Tech-Society schreibt sich selbst "berufliche Lebensqualität" zu, wissen die Marktbeobachter von Berger & Partner zu berichten. Dazu zählten zum einen eine hochentwickelte Firmenkultur. Sie sei durchsetzt mit US-amerikanischen und japanischen Merkmalen. Diese internationale Orientierung könne allerdings länderspezifische Integrationsschwierigkeiten ergeben.

Ferner enthielte der ganze High-Tech-Sektor erhebliche unternehmerische Freiräume. Als Maxime gelte: gleicher Stellenwert für die Qualität der Produkte, des Services sowie der Mitarbeiter. Führungskräfte zeichneten sich deshalb vor allem durch ein "konstruktives Durchsetzungsvermögen" aus. Das bedeute, Führungs- und Teamfähigkeit mit Leistungsbewußtsein kombinieren zu können. Abgeleitete Autorität sei in einem "intelligenten Umfeld" die Ausnahme und gelte als überkommende Managementphilosophie.

Mehr als die Butter auf dem Brot gesichert

Neben diesem "Freiraum" ist auch der finanzielle Anreiz erheblich: Frisch von der Hochschule können qualifizierte Ingenieure mit 4200 Mark pro Monat rechnen. Vertriebsingenieure streichen als "Newcomer" bis 80 000 Mark jährlich ein. "Alte Hasen" verdienen zwischen 100 000 Mark und 150 000 Mark.

Um seinen Fuß überhaupt in die höchste Etage setzen zu können, hat der Bewerber zwischen 30 und 40 Jahren zunächst "branchenspezifischen" Ansprüchen zu genügen. So weisen laut Studie 80 Prozent der Führungskräfte akademische Ausbildung auf. Den Einstieg erleichtere besonders ein "exzellenter" Hochschulabschluß. Technisch-naturwissenschaftliche Disziplinen überwiegen mit bis zu 90 Prozent. "Kaufleute" und Wirtschaftsingenieure haben die weniger guten Karten. Ihr technischer Hintergrund werde in aller Regel als "nicht tief genug" beurteilt.

Qualität der Ausbildung gilt als selbstverständlich

Für künftige Senkrechtstarter empfiehlt das Münchner Beratungsunternehmen, zunächst in ein Großunternehmen einzusteigen. Wichtig sei bei einem Wechsel nach der ersten Bewährungsprobe die bisherige "Adresse". Der Bewerber könne auch mit dem eventuellen Technologievorsprung des "alten Stalls" Punkte machen. Für die spätere Entwicklung gelte als Rezept, entweder den Aufstieg in der Linie im derzeitigen Unternehmen zu verfolgen oder konsequent zu wechseln.

Sich über internationale Entwicklungen auf dem laufenden halten zu wollen, zähle mehr als bereits vorhandene Auslandserfahrungen. Sehr gute Englischkenntnisse seien deshalb längst Standard.

Den hohen Anforderungen der Hochtechnik entsprechen nach den Erfahrungen von Berger & Partner sorgfältige Auswahlverfahren. Nahezu obligatorisch sind Assessment-Center. Mehrphaseninterviews sowohl mit Vorgesetzten und Kollegen wie auch mit künftigen Mitarbeitern zählen ebenfalls zu den Einstiegskriterien. Weiterhin gewinnen Persönlichkeitsmerkmale als Prüfstein an Bedeutung. Loyalität, Toleranz und Einfühlungsvermögen etwa gelten für eine Integration in das Unternehmensgefüge als ausschlaggebend.

Verträge für Entscheider in der High-Tech-Industrie zeichnen sich durch variable Gehaltsbestandteile in einer Bandbreite zwischen 15 und 25 Prozent vom Fixgehalt aus. Die oberste Führungsebene bei Tochtergesellschaften ausländischer Konzerne sieht eine Beteiligung über Stock-options als durchaus üblich an. Um ein "Ausbluten" der Chefetagen zu verhindern, schafft die Gründung kleiner Tochtergesellschaften zusätzliche Anreize. An ihnen werden die Geschäftsführer beteiligt.

Freistellung garantiert Unternehmens-Schutz

Kündigen wichtige Know-how-Träger, werden sie in aller Regel sofort freigestellt. Somit soll ein unerwünschter "Wissens-Transfer" verhindert werden. Befürchtungen dieser Art sind nicht unbegründet, denn Mitarbeiter "von draußen" kommen fast ausschließlich aus der eigenen Branche - per Abwerbung. Konkurrenzklauseln haben nach Ergebnissen der Studie dagegen nur noch geringe Bedeutung. Die Sperrfrist für die Beschäftigung beim Wettbewerber wird nur noch selten vereinbart oder durchgesetzt.