Informatik ist technologischer Informations-Management-Service, Teil 1:

Perfektion der Mittel - Konfusion der Ziele

04.03.1988

MÜNCHEN - Reinen Tisch machen mit verwaschenen Vorstellungen über den "Erfolgsfaktor Information" will Karlheinz Vellmann. Seine These über die Rolle der DV-Protagonisten lautet: Informatik ist technologischer Service des strategischen Informations-Managements. Das Ziel des Informatik-Managements definiert sich aus der Optimierung operativer Komponenten - nämlich Produktivität, Effizienz und Effektivität des Leistungsvollzugs. In einer sechsteiligen Folge betrachtet der langjährige Henkel-Manager zunächst den "Erfolgsfaktor Information". Danach schließt sich dem Blick auf die Informatik-Kosten eine Betrachtung über den Informatik-Nutzen an. Hierauf analysiert der Experte auf dem Sektor Informations- und Rechnungswesen eine Reihe von Leistungsstrategien. In den letzten beiden Folgen schließlich stellt der Autor Komponenten des Informatik- und Informations Mangements einander gegenüber.

Eine neue Management-Sicht der Dinge ist erforderlich, um dem gesamten Führungszirkel und insbesondere dem Informatik-Management klare Zielvorstellungen über den Einsatz des "Erfolgsfaktors Information" zu vermitteln (Abbildung 1). Ich unterscheide dazu zwischen normativen, strategischen und operativen Managementaufgaben (Abbildung 2). Die normativen Managementaufgaben sind der Unternehmenskultur, die strategischen Managementaufgaben der Unternehmensentwicklung, die operativen Managementaufgaben der Steuerung des Güter- und Dienstleistungs-, des Finanz- sowie Informationsflusses im "Tagesgeschäft" gewidmet.

þNormative Managementaufgaben sind vom Unternehmensganzen als wirtschaftliche und soziologische Einheit her geprägt. Ganzheitliche Unternehmensziele, Führungsgrundsätze, Wertsysteme und Verhaltensnormen stehen im Mittelpunkt der Managementbemühungen. Die Motivation der Führungskräfte und des Personals sowie die Schaffung eines Freiraums für Innovationen (Lernkultur, Innovationskultur), bilden Kernpunkte des normativen Managements der Unternehmenskultur.

þStrategische Managementaufgaben sind von den differenzierten Markt- und Wettbewerbsverhältnissen der "strategischen Geschäftseinheiten" her geprägt. Die Produkt- sowie Markt-Strategien der strategischen Geschäftseinheiten basieren auf Potentialbewertungen im Vergleich zu den jeweiligen Hauptwettbewerbern. Aus der Summe der Produkt-/Markt-Strategien lassen sich interne Leistungs-Strategien, aber auch Strategien zur Forschung und Entwicklung sowie Organisations- und Finanz-Strategien ableiten.

þOperative Managementaufgaben ergeben sich aus den finanz-, personal-, anlagen- und materialwirtschaftlichen Aspekten in Beschaffung, Fertigung, Vertrieb und in den Overhead-Bereichen. Permanentes Ziel bleibt die Optimierung der Produktivität, Effizienz und Effektivität des Leistungsvollzuges.

Die Informationstechnologie stellt einen direkten strategischen Erfolgsfaktor dar, wenn sie als primärer Wirkfaktor der Produkt-/Markt-Strategien anzusehen ist. Dies ist in einigen Industriezweigen nicht der Fall. In Unternehmen der chemischen Industrie gelten andere produkt-/marktbezogene Technologien, zum Beispiel die Bio- oder Gentechnologien, als primäre strategische Erfolgsfaktoren.

Der "Erfolgsfaktor Information" hat jedoch auch in diesen Unternehmen eine strategische Bedeutung Mit Hilfe der Informationstechnologie kann nämlich ein entscheidender Beitrag zur Verbesserung der Unternehmenseffizienz sowie zur Verstärkung der Lern- und Innovationskultur im Unternehmen geleistet werden.

Denn die operativen und normativen Leistungsmerkmale machen die "strategische Bedeutung" der Informationstechnologie aus; diese strategische Zielvorstellung sollte auch in der "internen Leistungsstrategie" des Bereiches Informatik erkennbar sein.

Die langfristig wirksamen strategischen Erfolgspotentiale des Unternehmens liegen im wesentlichen in seinen produktspezifischen Märkten. Im strategischen Potentialvergleich mit nationalen und internationalen Mitbewerbern zeigt sich, ob und inwieweit das Unternehmen in der Lage ist, den Kampf um Marktanteile und Kapitalrückfluß auf Dauer erfolgreich zu überstehen. In welchem Ausmaß hierbei dem "Erfolgsfaktor Information" eine Akzelerations-Funktion zuzuschreiben ist, hängt vom Inhalt der Produkt-/ Markt-Strategien ab und kann daher nur kasuistisch festgestellt werden.

Auf das häufig ausschlaggebende Erfolgspotential "Management und Personal" soll später ein Blick geworfen werden.

Zunächst sollten die Produktivitäts- und Effektivitäts-Potentiale des Unternehmens betrachtet werden.

Das "operative" Produktivitäts-/Effektivitäts-Potential einer Unternehmung ist in seiner ablauftechnisch orientierten Komplexität häufig eine nur unvollkommen zu optimierende Input-/Output-Große. Je komplexer sich die Vertriebs- und Fertigungsstrukturen in einem Unternehmen gestalten, und je differenzierter im Overhead-Bereich die quantitativen und qualitativen Prozesse der Leistungserstellung und Leistungsverwertung verlaufen, um so wichtiger ist es, vorhandene Verbesserungsmöglichkeiten zu erkennen, zu bewerten und zu realisieren. Insbesondere in der mittleren Management-Ebene stehen daher die operativen Produktivitäts- und Effektivitäts-Verbesserungen im Vordergrund der Management-Zielsetzungen sowie der daraus abgeleiteten Maßnahmenplanungen und -implementierungen.

Das operative Management der Unternehmens-Produktivität und -Effektivität ist in zahlreichen Industriezweigen das Hauptwirkungsfeld des "Erfolgsfaktors Information". Eine optimale Ablaufgestaltung in den Grundfunktionen Beschaffung, Fertigung und Vertrieb sowie eine optimale "Wissenskapital-Versorgung" der Overhead-Bereiche herbeizuführen beziehungsweise aufrechtzuerhalten, kann durch den "Erfolgsfaktor Information" entscheidend verstärkt werden.

Für das strategische Management der Unternehmensentwicklung sind "strategische Bilanzen" als Denk und Handlungsmodelle von Bedeutung. Die Aktivseite einer strategischen Bilanz besteht ausschließlich aus dem "strategischen Kunden-Nutzen", der mit Hilfe der Passivseite der strategischen Bilanz, den "strategischen Erfolgspotentialen", zu gestalten ist.

Information ist nicht immer ein Erfolgsfaktor

Die Verbesserung des Kunden-Nutzens (und damit mittelbar der Gewinn-und-Verlust-(GuV-) Rechnung der Kunden) durch wettbewerbsüberlegene eigene Produkte beziehungsweise Serviceleistungen ist das strategische "Stiftungsvermögen ", das die zukünftige Unternehmens-Entwicklung sichert.

Auf der Passivseite könnte eine strategische Bilanz nach Potential-Unterkategorien wie folgt unterteilt werden:

Alle Potentiale müssen 90 miteinander verbunden werden, daß aus ihnen ein höchstmögliches, langfristig wirksames "Kunden-Nutzen-Stiftungsvermögen" resultiert.

Salopp ausgedrückt, kann bei den strategischen Erfolgspotentialen auch von der Headware, Hotware und Hitware eines Unternehmens gesprochen werden. Diese Potential-Kategorien gelten auch für den "Erfolgsfaktor Information". Sein "Kunden( = Anwender)Nutzen-Stiftungsvermögen" wird stets aus einer optimalen Kombination der obengenannten strategischen Erfolgspotentiale resultieren.

"Information" ist nicht in allen Fällen ein positiver Erfolgsfaktor. Es bedarf des Zusammenwirkens von Informatik und Informations-Management, um "Information" zu einem positiven Erfolgsfaktor werden zu lassen.

Informatik versus Informationsflut

Abbildung 3 zeigt in Form einer Gegenüberstellung von "Informatik" und "Informationsflut" die positiven und negativen Ausprägungsmöglichkeiten des "Erfolgsfaktors Information". Befragungen unter Führungskräften zeigen, daß die Mehrzahl der leitenden Angestellten unter der "Informationsflut" leidet und sie als "organisierte Unwirtschaftlichkeit", als einen wesentlichen Bestandteil einer struktur- und ablauforganisatorisch programmierten "Zeitvergeudungs-Bürokratie" empfindet. An diesem sensiblen Punkt sollte angesetzt werden, um dem Trauma von der nicht mehr beherrschbaren "Informationsflut" entgegenzuwirken.

Ein Weg in diese Richtung ist die Informatik, die "lnformations-Logistik" als Informations-Bereitstellung "just in time". Nur entscheidungs- und verhaltensrelevante Informationen wirken tatsächlich erfolgreich. Dazu hat die Informatik die technischen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für situative Informationszugriffe der Informationsempfänger zu schaffen. Erst wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, kann - wenigstens im Bereich der Datentechnik - von einem Ende der Informationsflut gesprochen werden.

Informations- versus Informatik-Management

Zunächst soll auf die erforderliche Unterscheidung zwischen Informations-Management als generelle Management-Aufgabe und "Informations-Management-Service" als spezielle Controlling- und Informatik-Aufgabe hingewiesen werden (siehe Abbildung 4).

Informations-Management kann völlig losgelöst vom Informations-Management-Service durchgeführt werden. Die Art, wie ein Manager wesentliche von unwesentlichen Informationen trennt und die wesentlichen Informationen in Zielsetzungen, Konzeptionen, Planungen, Projektierungen und Entscheidungen umsetzt, war schon immer für die Qualität der Durchführung einer Management-Aufgabe ausschlaggebend. Es hängt von den Informationsempfängern ab, ob und inwieweit Informationen zu Erfolgsfaktoren werden.

Informations-Management ist jedoch auch eine spezielle Management-Service-Aufgabe. Controlling ist betriebswirtschaftlicher, Informatik ist technologischer Informations-Management-Service .

Zum betriebswirtschaftlichen Informations-Management-Service gehören die folgenden Aufgaben des Controlling-Service:

- Systemservice (Planungs-, Abrechnungs-, Informations- und Entscheidungssysteme),

- Informations- und Analyse-Service (Informationen über Abweichungen, Schwachstellenanalysen, Warnsignale),

- Entscheidungsservice (Alternativrechnungen, Maßnahmenplanungen, Renditekalkulationen),

- Koordinations-Service (Projektmanagement, Produktivitäts- und Effektivitätssteigerungs-Programme, Schnittstellenkoordination).

Zum technologischen Informations-Management (Informatik-Service) gehört die optimale Ausgestaltung der folgenden Systemtechnologien:

- Basis-System-Technologie (Ablauf-, Dispositions- und Rechnungswesen-Systeme),

- Analyse-System-Technologie (Individuelle Recherchen, Top-Infosysteme, Expertensysteme),

- Büro-System-Technologie (Text und Sprachverarbeitung, Verzeichnisse und Grafiken, Netzkommunikation) .

Abbildung 3

Es kommt darauf an, beide Bereiche des Informations-Management-Service mit dem Management so zu vernetzen, daß in allen Aufgabenbereichen des Unternehmens "ein dynamisches Management" realisiert werden kann.

Management und Management-Service

Aus praxisorientierter Erfahrungssicht können die unternehmerischen Erfolgspotentiale und mit ihnen der "Erfolgsfaktor Information" nur durch ein intensives Zusammenwirken von "dynamischem" Management und einem aus "sensitivem Controlling" und "progressiver Informatik" bestehenden Management-Service zur bestmöglichen Entfaltung gebracht werden. Abbildung 5 zeigt in grafischer Form die Singular und Schnittstellenaufgaben des Managements und der beiden Management-Service-Bereiche.

Ein dynamisches Management kann wie folgt gekennzeichnet werden:

þDynamisches Management ist ein auf Markt- und Technologie-Änderungen flexibel reagierendes Management. Zukunfts-, Ziel- und Erfolgsorientierung sind die wesentlichsten Merkmale eines dynamischen Managements.

þDie konzeptionellen Wege zur langfristigen Zielerreichung (Strategien) des dynamischen Managements sind auf die zukünftigen Markt- und Wettbewerbsgegebenheiten ausgerichtet.

þDie operationalen Anforderungen des Unternehmens an ein dynamisches Management liegen in ausgeprägten Kornmunikations-, Organisations- und Steuerungsfähigkeiten. Zeitwirtschaftlich können diese operationalen Anforderungen nur mit Hilfe des Management-Service (Controlling/Informatik) erfüllt werden.

Ein sensitives Controlling zeichnet sich etwa durch die folgenden Merkmale aus:

þSensitives Controlling ist systemtechnischer und persönlicher Management-Service. Im persönlichen/ begleitenden Management-Service ist der Controller der "ökonomische Sparring-Partner" des Managers.

þDer Controller-Service dient der Objektivierung der Management-Meinungsbildungen und bezieht sich auf alle Management-Aufgaben (operatives, strategisches und normatives Management).

Die Rolle der progressiven Informatik konzentriert sich auf den informationstechnischen Management-Service. Ziel ist die Umsetzung informationstechnologischer Fortschritte in wirtschaftlichere Formen vorhandener Ablauf-, Informations-, Planungs- und Steuerungssysteme Erreicht wird dies durch Informationslogistik, also durch die Bereitstellung von Informationen für das Management (und Controlling) aller Ebenen "just in time".

Als Management-Service sollten "Controlling" und "Informatik" in "Informatik-Fachausschüssen" zusammenarbeiten. Es gilt, für die Informatik-Leistungen sowohl auf der Kosten- als auch auf der Nutzenseite eine bessere Transparenz zu schaffen. Gelingt dies, besteht eine größere Chance, über den Controller als " ökonomischen Sparring-Partner" des Managers das Bewußtsein vom "Erfolgsfaktor Information" zu wecken und damit das "DV-Unbehagen" des Managements zu überwinden.

(wird fortgesetzt)

Altlast DV-Unbehagen

Die Informationstechnologie trägt schwer an einem schlechten Image: Unverständlich, risikoreich und kostspielig lauten für sie die gängigsten Attribute der Unternehmensführer. Genau das Gegenteil ist der Fall, behauptet jedoch Henkel-Manager Karlheinz Vellmann. Allerdings muß auch das Verständnis für die Einordnung der neuen Technik in die Unternehmensstrategie vorhanden sein. Dazu gehören vor allem die Einsicht in betriebswirtschaftliche Sachzusammenhänge ebenso wie in die Kosten/Nutzen-Relationen des "Erfolgsfaktors Information". Es gilt, die Altlast des "DV-Unbehagens" bei der Unternehmensführung zu beseitigen und für die Informatik-Leistungen eine bessere Transparenz zu schaffen: Denn Informatik ist schließlich eine zunehmend wichtige technologische Dienstleistung für das Informations-Management.