Feindlicher Übernahmeversuch nur ein Störfeuer?

Peoplesoft wehrt sich gegen Oracle-Attacke

13.06.2003
MÜNCHEN (fn/wh) - Oracles Absicht, den Wettbewerber Peoplesoft für 5,1 Milliarden Dollar notfalls auch ohne dessen Zustimmung zu übernehmen, hat in der Softwarelandschaft für Unruhe gesorgt. Geht es Oracle-Chef Larry Ellison darum, den Anschluss an Marktführer SAP zu gewinnen, oder soll lediglich Peoplesofts geplante Übernahme von J.D. Edwards behindert werden?

"Das ist ein übles Verhalten von einem Unternehmen, das für solche Praktiken bekannt ist", kommentierte Peoplesoft-Chef Craig Conway das Übernahmeangebot des Rivalen Oracle, für den er selbst vor Jahren gearbeitet hatte. Der Peoplesoft-Gründer bezeichnete die Kaufofferte Ellisons als Störfeuer, das nur dem Ziel diene, die bereits einvernehmlich beschlossene Übernahme von J.D. Edwards durch Peoplesoft zu torpedieren. Peoplesoft hatte am 2. Juni angekündigt, das Softwarehaus für rund 1,7 Milliarden Dollar in Aktien kaufen zu wollen. Nur vier Tage später gab Oracle seinerseits bekannt, Peoplesoft zu schlucken.

Oracle bietet Peoplesoft 16 Dollar pro Aktie in bar, was einem Kaufpreis von 5,1 Milliarden Dollar entspricht. Das Angebot hätte zum Zeitpunkt der Bekanntgabe einen Aufschlag von sechs Prozent auf den Kurs des Peoplesoft-Papiers bedeutet. Die Aktie verteuerte sich jedoch inzwischen und notiert zur Zeit bei etwa 18 Dollar. Peoplesofts Verwaltungsrat muss das Angebot prüfen, hat sich bisher aber noch nicht offiziell geäußert. Die Transaktion wird erschwert durch Vorkehrungen, die Conway für den Fall eines feindlichen Übernahmeversuchs getroffen hat ("Poison Pill").

Nach Ansicht von Finanzanalysten muss Oracle sein Angebot nachbessern, sollte die Firma ernsthaft an einer Übernahme interessiert sein. Daran zweifeln Beobachter jedoch zusehends: Ähnlich wie Peoplesoft vermutet auch das amerikanische Marktforschungsunternehmen AMR Research hinter der Offerte eine Finte, um die Übernahmeverhandlungen zwischen Peoplesoft und J.D Edwards zum Erliegen zu bringen. "Oracle bietet 5,1 Milliarden Dollar in bar, verfügt aber nur über 5,5 Milliarden Dollar an Barreserven", so ein Analyst. Ellisons finanzieller Spielraum sei begrenzt, sollte er das Angebot nachbessern wollen.

Doch auch bei einem höheren Gebot wird die Transaktion nicht unbedingt wahrscheinlicher. Nach Informationen von Brancheninsidern wollen Peoplesoft und J.D. Edwards rechtliche Schritte gegen Oracle einleiten. "Eine Akquisition Peoplesofts durch Oracle ist kartellrechtlich bedenklich und dürfte eine mehrmonatige Ermittlung nach sich ziehen", sagte Bob Dutkowsky, CEO von J.D. Edwards, im Gespräch mit dem Brancheninformationsdienst "Computerwire". Seiner Meinung nach würde sich Oracle eines seiner schärfsten Konkurrenten entledigen, und zwar zum Schaden der Anwender. Antitrust-Gesetze seien dazu geschaffen, so etwas zu verhindern.

Planung nur mit Oracle-Produkten

Der Oracle-Chef gibt sich unterdessen selbstbewusst und will dem Eindruck entgegenwirken, unter Zugzwang zu stehen. In einer Telefonkonferenz legte er dar, wie er mit Peoplesoft zu verfahren gedenke, sollte es gelingen, den Wettbewerber zu schlucken. Demnach sollen Peoplesoft-Produkte nicht mehr an Neukunden verkauft werden. Man wolle lediglich die vorhandene installierte Basis pflegen. Das Entwicklerteam von Peoplesoft möchte Ellison in die eigene Organisation integrieren und Bestandteile der Produkte in Oracles "E-Business-Suite" einfließen lassen. Peoplesoft-Kunden sollen nach Möglichkeit auf Oracles E-Business-Suite migrieren. Das sei nicht aufwändiger als ein Umstieg von Peoplesoft 7 auf das aktuelle Release 8.8, verspricht Ellison. Zudem stellte er Anwendern von "Peoplesoft 7" einen längeren Support dieser Version in Aussicht. Das Unternehmen selbst hatte angekündigt, die Wartung bis Jahresende einzustellen.

Die Ankündigungen des Oracle-Gründers hält Bruce Hudson, Analyst bei der Meta Group in München, für überzogen und unrealistisch. "Oracle könnte auf die Umsätze mit Peoplesoft-Produkten nicht ohne weiteres verzichten. Die Firma muss Kunden bei der Stange halten, statt sie in ein Migrationschaos zu stürzen." Selbst in zwei Jahren würde Oracle nicht in der Lage sein, die Produktlinie des Konkurrenten aufzugeben. Hudson rät Peoplesoft-Anwendern daher, selbst dann Ruhe zu bewahren, wenn der Deal zustande kommen sollte. Es gebe keinen Grund, in den nächsten Jahren etwas an den Peoplesoft-Installationen zu ändern. Ohnehin sei die von Ellison als unproblematisch dargestellte Migration des Peoplesoft-Systems auf Oracles Software eine Illusion.

Mit ihren jeweiligen Übernahmeabsichten wollen sich Oracle und Peoplesoft den zweiten Platz hinter dem Branchenprimus SAP sichern. Die Walldorfer können dem Treiben unterdessen als lachender Dritter zusehen. "Mit dem Kaufangebot hilft Oracle der SAP, statt ihr zu schaden", so Meta-Analyst Hudson. Dem ERP-Marktführer dürfte es seiner Meinung nach leicht fallen, gegen die Best-of-Breed-Ansätze der Konkurrenz zu bestehen. Dem kann Christian Glas, Berater bei Pierre Audoin Consultants (PAC) in München, nur beipflichten. "Bevor Peoplesoft-Kunden auf Oracle migrieren, werden sich viele überlegen, lieber gleich zu SAP zu wechseln." Die Walldorfer haben bereits angekündigt, verunsicherte Kunden der Wettbewerber mit einer breit angelegten Werbekampagne ködern zu wollen.

Gelassenheit bei Großkunden

Insbesondere in Deutschland werden Peoplesoft- und Oracle-Produkte meist nur als Ergänzung zu SAP-Implementierungen eingesetzt. Die Lufthansa etwa nutzt als ERP-Umgebung SAP und für das Kundenbeziehungs-Management "Peoplesoft 8.4 CRM". "Für uns hat die Ankündigung Ellisons keine unmittelbaren Konsequenzen", zeigt sich CIO Christoph Ganswindt gelassen. Die vom Oracle-Chef eingeräumte Migrationsoption der Peoplesoft-Produkte auf Oracle-Software sei nur dann erstrebenswert, wenn sie kostenneutral vonstatten gehen und einen Mehrwert bringen würde. "Zumindest Letzteres ist nicht abzusehen", stellt Ganswindt fest.

Trotzdem gab es Zeiten, in denen Peoplesoft selbst an eine Zusammenarbeit mit Oracle interessiert war. Vor 18 Monaten hatte Conway dem Oracle-Boss eine Zusammenlegung beider Applikationssparten vorgeschlagen. Damals zeigte sich der Oracle-Gründer wenig begeistert, doch seit dem Übernahmeangebot von Peoplesoft an J.D. Edwards sind die Karten neu gemischt. Würde Oracle der Peoplesoft-Kauf gelingen, blieben nur noch drei große ERP-Player übrig: SAP, Oracle und Microsoft.

Fusionen gegen die SAP-Dominanz

Weltweiter Hauptkonkurrent im ERP-Segment sowohl von Peoplesoft als auch von Oracle ist SAP. Das Marktforschungsunternehmen AMR Research beziffert den Marktanteil der Walldorfer am weltweiten Geschäft mit Business-Software auf 35 Prozent, gemessen am Jahresumsatz in 2002 von sieben Milliarden Dollar. Oracle liegt auf Platz zwei mit 13 Prozent oder 2,5 Milliarden Dollar. Peoplesoft kommt auf 1,9 Milliarden Dollar. Der Umsatz des Übernahmekandidaten J.D. Edwards beziffern die Analysten auf 0,9 Milliarden Dollar.

Im von SAP dominierten deutschen ERP-Markt konnte Peoplesoft bisher oft nur Ergänzungsprodukte an SAP-Kunden verkaufen. Die meisten hiesigen Anwender haben die Human-Resource- oder CRM-Produkte des amerikanischen ERP-Anbieters erworben.

Ebenso wie Peoplesoft spielt auch Oracle im Vergleich zu SAP hierzulande keine große Rolle: Etwa 150 Kunden nutzen Teile oder die komplette E-Business-Suite, rund die Hälfte sind jedoch Töchter von US-Firmen, die Oracles Business-Lösungen weltweit eingeführt haben. Oracle verfügt mit der "E-Business-Suite" über ein ähnliches Portfolio wie Peoplesoft, die Produkte unterstützen jedoch nur die hauseigene Datenbank.

Da sich die Produktlinien beider Anbieter sehr ähneln, macht nach Ansicht von Experten wie Christian Glas, Berater bei Pierre Audoin Consultants (PAC) in München, eine Übernahme von Peoplesoft durch Oracle zumindest in technischer Hinsicht wenig Sinn. Ganz im Gegensatz zu Peoplesofts geplantem Kauf von J.D. Edwards: Die Produkte beider Anbieter weisen wenig Überschneidungen auf und würden sich daher gut ergänzen. Während J.D. Edwards vor allem im gehobenen Mittelstand präsent ist, adressiert Peoplesoft große Firmen.