Übernahme von J.D. Edwards für 1,68 Milliarden Dollar

Peoplesoft verkürzt mit Zukauf Abstand zu SAP

06.06.2003
MÜNCHEN (CW) - Peoplesoft hat angekündigt, den US-amerikanischen Wettbewerber J.D. Edwards für 1,68 Milliarden Dollar zu übernehmen. Durch die Fusion entsteht der nach SAP zweitgrößte Anbieter betriebswirtschaftlicher Standardsoftware.

Synergien in mehrfacher Hinsicht bringe dieser Zusammenschluss, so argumentierten die beiden Vorstandsvorsitzenden Craig Conway und Bob Dutkowsky vor der internationalen Presse. Peoplesoft könne seine Präsenz in Industrieunternehmen und im Handel stärken, wo J.D. Edwards mit Produktions- und Supply-Chain-Management-Software international gut vertreten sei. Im Gegenzug werde der Juniorpartner von dem Standing profitieren, das Peoplesoft mit seiner Finanz- und Personalsoftware sowie den CRM-Produkten bei Unternehmen aus dem Finanzsektor, dem Gesundheitswesen und der Telekommunikationsbranche genieße.

Für Peoplesoft bedeutet die Übernahme jedoch auch den Einstieg in das Mittelstandsgeschäft, wo J.D. Edwards insbesondere auf IBMs I-Series-Rechnern (AS/400) stark vertreten ist. Die Kalifornier hatten hier gegenüber der Konkurrenz Nachholbedarf: SAP ist gegenwärtig dabei, ihre neue Produktsuite "Business One" an den Kunden zu bringen, und auch Microsoft bemüht sich nach der Übernahme von Great Plains und Navision um den Ausbau seiner Marktanteile.

Auch die geografische Ausrichtung der Fusionspartner passt zusammen: Während J.D. Edwards im asiatisch-pazifischen Raum und teilweise auch in Europa stark vertreten ist, steht Peoplesoft vor allem im US-Markt gut da. Beide Unternehmen hatten mit ihrer - im Vergleich zu SAP - begrenzten Manpower jedoch Schwierigkeiten, weltweit sämtliche Märkte abzudecken.

17 Prozent Marktanteil

Das soll nun anders werden: Das Unternehmen beschäftigt künftig 13000 Mitarbeiter, die zirka 11000 Kunden in 150 Ländern bedienen. Mit einem addierten Jahresumsatz von rund 2,4 Milliarden Euro hält Peoplesoft jetzt 17 Prozent der Anteile am weltweiten Markt für Geschäftssoftware. Rund 53 Prozent beansprucht allerdings weiter Marktführer SAP für sich. Oracle, bisher die Nummer zwei, fällt auf den dritten Rang zurück.

Die Akquisition, die im Herbst 2003 abgeschlossen sein soll, wird im Rahmen eines Aktientauschs vollzogen. J.D. Edwards-Aktionäre erhalten für jede Aktie 0,86 Peoplesoft-Anteile - gemessen am Kurs vom vergangenen Freitagabend entspricht das einer Prämie von 19 Prozent. Die Anteile des fusionierten Unternehmens werden damit künftig zu einem Viertel von J.D. Edwards- und zu drei Vierteln von Peoplesoft-Aktionären gehalten.

Offenbar plant das Duo, zunächst die neuen Geschäftschancen in der eigenen installierten Basis wahrzunehmen. Mehrfach fielen in der Präsentation der Unternehmenslenker die Begriffe Cross-Selling und Up-Selling. Insbesondere die Industriekunden von J.D. Edwards sollen künftig Finanz- und Personalsoftware von Peoplesoft kaufen.

Unklar ist derzeit noch, wie die gemeinsame Produkt-Roadmap von Peoplesoft und J.D. Edwards aussehen wird. Die CEOs wollen sich damit Zeit lassen und betonten lediglich, dass sie die Bedürfnisse ihrer jeweiligen Kundenbasen berücksichtigen würden. "Wir sind der installierten Basis verpflichtet und werden den Support-Level für die AS/400-Kunden nicht verändern", betonte Conway. Auf keinen Fall werde man die Kunden zu Migrationen in die eine oder andere Richtung zwingen.

Zwei Produktlinien?

Die Analysten von AMR Research nehmen dem Peoplesoft-Chef dieses Commitment ab. "Wir erwarten nicht, dass die Produktlinien zusammengeführt oder Kunden gedrängt werden, auf eine Produktlinie zu migrieren", kommentiert Analyst Jim Sheperd. Beide Anwendungen seien für ihre angestammten Märkte gut positioniert, und sie basierten jeweils auf einem modernen technischen Fundament. Außerdem könne es sich ein Konzern dieser Größenordnung leisten, ähnlich wie SAP zwei Produktlinien parallel zu unterstützen.

Marktforscher der Yankee Group halten dem entgegen, dass es auf Dauer teuer und riskant sei, zwei Codebasen weiterzuentwickeln und zu pflegen. Sollte Peoplesoft darauf verfallen, die Produkte zusammenzuführen, riskiere das Unternehmen den Loyalitätsbruch der bislang treuen J.D.-Edwards-Kunden. Microsoft könne diese Situation nutzen und AS/400-Anwender zum Umstieg auf eine Windows-Plattform mit seinen Anwendungen bewegen.

Kritik an dem Deal richtet sich außerdem gegen die angeblich schwer zu vereinbarenden Vertriebskulturen, da beide Unternehmen unterschiedliche Traditionen haben und völlig verschiedene Zielmärkte ansprechen. Sowohl die Produkt- als auch die Vertriebsstrukturen wird Peoplesoft voraussichtlich zumindest anpassen: Das Unternehmen kündigte nämlich an, auch auf der Kostenseite Synergien erzeugen und durch den Deal jährlich 80 Millionen Dollar einsparen zu wollen.

Operative Marge in Gefahr

Finanzanalysten beurteilen die Fusion noch aus anderer Sicht kritisch. Insbesondere J.D. Edwards habe zuletzt mit einer sehr geringen operativen Marge gearbeitet, so dass die Gewinnspanne des fusionierten Unternehmens möglicherweise sinken werde - keine gute Nachricht für die Börse, die den Deal mit einem Abschlag von knapp neun Prozent auf die Peoplesoft-Aktie quittierte.

Beide Softwarehäuser hatten zuletzt die Finanzmärkte enttäuscht. Peoplesoft meldete für das erste Quartal 2003 einen Einbruch im Lizenzgeschäft von 39 Prozent auf 80,8 Millionen Dollar, wies dabei aber noch einen Nettogewinn von 38,5 Millionen Dollar (minus 14 Prozent) bei Einnahmen von 460 Millionen Dollar (minus fünf Prozent) aus. J.D. Edwards meldete einen Fehlbetrag von 0,4 Millionen Dollar (Vorjahr: plus 3,5 Millionen Dollar) bei um neun Prozent rückläufigen Umsätzen von 204 Millionen Dollar. Auch hier brach das Lizenzgeschäft um rund 20 Prozent ein. (hv)

Abb: Umsätze der ERP-Player

Zusammen erwirtschafteten Peoplesoft und J.D. Edwards im vergangenen Jahr nicht einmal ein Drittel des SAP-Umsatzes. Quelle: CW