Implementierung der Personalsoftware gestoppt

Peoplesoft beißt sich an Siemens die Zähne aus

25.09.1998

Für die Softwareschmiede aus dem sonnigen Pleasanton, Kalifornien, könnte das Aus beim Siemens-Konzern verheerende Folgen für den weiteren Aufbau des Geschäfts in Europa haben. Insider hatten schon vor dem offiziellen Stop gegenüber der CW erklärt, Peoplesofts Personal-Management-Software "Human Resource Management System" (HRMS) werde mit den landesspezifischen Gesetzen, Tarifen sowie Datenschutzverordnungen nicht fertig. Nun bestätigte ein offizielles Schreiben des Siemens-Personalvorstands das Scheitern.

Zu der teuren Entscheidung beigetragen hatte eine sogenannte Baselining-Studie von McKinsey. Die Berater sollten feststellen, welche Veränderungen sich aus den jüngsten organisatorischen Veränderungen bei Siemens ergeben und ob diese mit der Peoplesoft-Lösung abzudecken seien. Ein Siemens-Sprecher bestätigte, das Projekt sei aus Kostengründen abgebrochen worden. Bis dato soll der Konzern rund 100 Millionen in die Einführung von Peoplesofts HRMSgesteckt haben. Der Vorschlag, statt dessen die 197000 Mitarbeiter in Deutschland mit SAP-Software abzurechnen und zu verwalten, sei ebenfalls auf eine Entscheidung von McKinsey zurückzuführen.

Die Regionalgesellschaften müssen nicht auf SAP-Software umsteigen. Sie wurden lediglich angehalten, sich auf eines der beiden Produkte festzulegen und im Falle einer Entscheidung für Peoplesoft eine Schnittstelle zu SAP/HR zu bedienen.

Vor der Vorstandsentscheidung am 21. September hatte Bernhard Tauscher, in der Zentralabteilung Personal bei Siemens zuständig für Organisationsentwicklung Personal, noch gegenüber der CW erklärt: "Peoplesoft wird im Bereich Payroll seit letztem Oktober produktiv eingesetzt." Rund 6000 Mitarbeiterstammsätze würden derzeit damit abgerechnet, ein kleiner Teil der Siemens-Belegschaft in Deutschland.

Vor wenigen Tagen noch hatte Uli Lindner, Geschäftsführer Peoplesoft Deutschland, die bereits kursierenden Gerüchte dementiert: "Siemens ist ein Kunde von uns und bleibt es auch." Peoplesofts Abrechnungslösung, die in einer Entwicklungskooperation gemäß den Wünschen von Siemens angepaßt wurde, sei bereits zu einem erheblichen Umfang realisiert. 10000 bis 12000 Abrechnungen werden seinen Angaben zufolge mit dem System bearbeitet. Nach Gesprächen, die er vor kurzem mit dem Siemens-Management geführt habe, sei er darüber hinaus sicher, daß die Verträge verlängert werden.

Insider haben schon seit langem vor Problemen im Siemens-Projekt gewarnt: Eine deutsche Personalabrechnung sei viel komplexer als eine amerikanische. Peoplesoft habe die Funktionsfülle offensichtlich unterschätzt. Fachleute gehen davon aus, daß weltweit rund 70 Prozent aller Anforderungen und Gesetze, die im Personalumfeld entstehen, aus Deutschland kommen. Man stoße hier an die Grenzen des softwaretechnisch Machbaren. Speziell bei einem Unternehmen mit der Struktur und Größe von Siemens seien die Abrechnungsverfahren durch Vorschriften wie Mantel- und Haustarife, Betriebsvereinbarungen - von denen es bei Siemens über 1000 geben soll - etc. so kompliziert, daß kein einzelnes System sie abdecken könne.

Aber die Softwerker trifft wohl nicht die alleinige Schuld: Siemens sei kein einfacher Kunde, stellen Fachleute weiter fest. Abgesehen von der Größe und internationalen Präsenz, werde innerhalb des Konzerns häufig umstrukturiert.

Die Siemens AG hatte sich Ende 1994 dazu entschlossen, Peoplesofts HRMS-Lösung konzernweit einzusetzen. Bislang arbeitet unter anderem die Niederlassung in Erlangen mit der Software. Großen Einfluß auf die Entscheidung für die Softwareschmiede aus Pleasanton schreiben Fachleute der Intervention eines amerikanischen Siemens-Tochterunternehmens zu. Der Betrieb war bereits Peoplesoft-Anwender und sträubte sich mit Händen und Füßen gegen die SAP-Software.