Nach zweieinhalb Jahren Entwicklung

Peoplesoft attackiert SAP und Oracle mit Internet-basierter ERP-Suite

21.07.2000
MÜNCHEN (CW) - Nach zweieinhalb Jahren Entwicklungszeit stellt Peoplesoft das komplett überarbeitete Release seiner EnterpriseResource-Planning-(ERP-)Software vor. Von "Peoplesoft 8" erhofft sich das Unternehmen nach den schwachen Ergebnissen und Entlassungen im vergangenen Jahr einen deutlichen Aufschwung.

Ebenso wie andere ERP-Anbieter hat Peoplesoft mit Sitz im kalifornischen Pleasanton 1999 schwierige Zeiten durchlebt. Nachdem das Unternehmen bereits in den ersten beiden Quartalen dieses Jahres wieder steigende Umsätze verbuchen konnte, soll nun Peoplesoft 8 die endgültige Wende zum Besseren einläuten.

Zweieinhalb Jahre saß die Softwareschmiede an der Entwicklung von Peoplesoft 8. Das Ergebnis markiert den Abschied Peoplesofts von seiner bisherigen Client-Server-Architektur: Im Gegensatz zur Vorgängerversion benötigt der Nutzer keine umfangreiche Client-Software mehr, sondern kann via Browser auf alle Applikationen des Enterprise-Resource-Planning-(ERP-)Systems zugreifen. Dafür musste der Code sämtlicher Anwendungen neu geschrieben werden. Das Design der mehr als 14000 Benutzeroberflächen entspricht nun nicht mehr dem bekannten Windows-Look-and-Feel, sondern orientiert sich an der Gestaltung von Web-Seiten.

Entwicklungskosten von rund 500 Millionen DollarFerner entwickelte das Unternehmen nach eigenen Angaben 59 zusätzliche Applikationen. Darunter fallen neben Analyse-Tools für das E-Recruitment und Kunden-Management Lösungen für das E-Procurement sowie mehrere CRM-Module von Vantive, die Peoplesoft in die neue Architektur eingepasst hat.

Die Entwicklungskosten fielen mit rund 500 Millionen Dollar deutlich höher aus als bei der Vorgängerversion 7.5. In Zeiten der Marktkonsolidierung, die auch die ERP-Branche erfasst hat, soll die Ernte dieser Bemühungen so schnell wie möglich wieder eingefahren werden. Entsprechend aggressiv trat das Unternehmen bei der Vorstellung seines neuen Flaggschiffs in New York auf. Analysten hatten bemängelt, dass die Kalifornier mit ihren Web-fähigen Produkten im Vergleich zu Oracle und SAP etwas spät kämen. Nun wähnt sich Peoplesoft auf der Überholspur. CEO Craig Conway und Chief Technology Officer Rick Bergquist nutzten die Gelegenheit, sich werbewirksam über die Rivalen auszulassen.

Oracles neue E-Business-Suite "Oracle 11i" sei reine Kosmetik. Der Konkurrent habe lediglich seine bekannten Applikationen mit Web-Zugängen ausgestattet, deren Einsatz einen 12-MB-Download voraussetzten, so Bergquist. Auch SAP sei in der schwächsten Position seit Jahren, wobei sich Conway auf Probleme der Walldorfer im CRM-Bereich bezog.

Einige Analysten trauen Peoplesoft zu, mit dem neuen Produkt wieder besser ins Geschäft zu kommen. Joshua Greenbaum von Enterprise Applications Consulting im kalifornischen Berkeley sieht in diesem Marktsegment genügend Platz für drei große Player, Peoplesoft komme besser spät als gar nicht. Rüdiger Spies, Analyst der Meta Group Deutschland, bezweifelt dagegen, dass Peoplesoft seinen Marktanteil nennenswert ausbauen kann. Neben SAP und Oracle hätten auch kleinere Anbieter wie Navision oder IFS bereits Internet-fähige Lösungen. Peoplesofts Hoffnung, große Installationen anderer Anbieter ablösen zu können, hält Spies für eine Illusion. Auch die von Conway propagierte Überlegenheit seiner "100-prozentigen Internet-Lösung" gegenüber den Ansätzen von SAP und Oracle spielt für den Marktforscher nur eine untergeordnete Rolle. Dem User sei die dahinterstehende Technik letztendlich egal, wenn das Handling und die Funktionalität übereinstimmten.

Auch auf dem für Peoplesoft schwierigen deutschen Markt dürfte das Unternehmen nach wie vor Probleme haben, seinen Umsatz zu steigern. Es gebe kaum Betriebe in der Großindustrie, die noch kein ERP-System im Einsatz hätten, und im Heimatrevier von SAP würden fast ausschließlich deren Systeme genutzt. Für den Mittelstand böten darüber hinaus eine Reihe von deutschen Anbietern gute Lösungen an, so Spies.

Peoplesoft 8 soll im dritten Quartal verfügbar sein, Module, die für den deutschen Markt angepasst werden müssen, erscheinen nicht vor Jahresende.