Compaq und Co. treten gegen Tricord und Netframe an

Pentium-Pro-Maschinen sind die kuenftigen Unternehmens-Server

05.01.1996

Super- oder Unternehmens-Server gibt es schon laenger auf dem Markt. Wichtigstes Kennzeichen der Maschinen war meist ein besonderes Bus-System zwischen den Prozessoren und der Peripherie. Um die Ausfallsicherheit zu erhoehen und die Wartung zu vereinfachen, wurden die Geraete mit zusaetzlicher Hardware ausgestattet und bestimmte Baugruppen wie Netzteile oder Festplatten doppelt eingebaut.

Die leistungsstaerksten, aber auch teuersten Maschinen liefern Sequent Computer Systems Inc. (deutsche Niederlassung in Ismaning bei Muenchen) und Pyramid Technology Corp., eine 100prozentige SNI- Tochter. Beide bauen Rechner mit mehreren Dutzend Prozessoren, deren Preis allerdings weit ueber eine Million Mark betragen kann. Im Mittelfeld liegen Server von Tricord oder Netframe, die bis zu acht Prozessoren enthalten und preislich zwischen 80000 und 200000 Mark rangieren.

Die neuen Pentium-Pro-Server der traditionellen PC-Hersteller werden wahrscheinlich vier CPUs enthalten und zwischen 15000 und 80000 Mark kosten. Diese Rechner lassen sich ohne grossen Forschungsaufwand bauen, da Intel die CPUs so konstruiert hat, dass keine Verbindungsbausteine zwischen die Prozessoren geschaltet werden muessen. Datenaustausch und -abgleich uebernimmt der Pentium- Pro-Baustein. Damit ist das Angebot bei Midrange-Servern etwas unuebersichtlich geworden.

"Mit einer Intel-Platine laesst sich ein Server leicht bauen"

Von der Rechenleistung her koennen die Pentium-Pro-Maschinen sicher mit klassischen Superservern von Tricord oder Netframe mithalten. "Intel hat es fuer die PC-Anbieter sehr einfach gemacht: Man kauft einfach die Hauptplatine mit vier Steckplaetzen zusammen mit den vier Pentium-Pro-CPUs, konstruiert das passende Gehaeuse, und fertig ist der Unternehmens-Server", sagt Lal Dabgotra, Produkt- Manager fuer Server bei ALR.

Offiziell betrachten Tricord und Netframe diese Maschinen aber nicht als Konkurrenzprodukte. Sie behaupten, dass zu einem Superserver wesentlich mehr gehoert als eine funktionstuechtige Prozessorplatine. Ausfallsichere Stromversorgung, zusaetzliche Baugruppen fuer die Verwaltung und Wartung des Rechners sowie fehlertoleranter Arbeits- und Zwischenspeicher (Cache) fehlen heute bei den Angeboten der PC-Hersteller, erklaerte Stephen Douty, Marketing-Manager bei Tricord in Plymouth, Minnesota.

"Unsere Produkte fallen durchschnittlich fuer zwei Stunden pro Jahr aus", fuehrte Douty an, waehrend ein PC-aehnlicher Server rund 27 Stunden im Jahr nicht nutzbar sei. Doch diese Sicherheit hat ihren Preis: Tricord-Server kosten teilweise fuenfmal mehr als vergleichbare PC-Maschinen - ein Aufschlag, den zumindest Mark Lillie, DV-Manager bei Blue Cross/Blue Shield in Connecticut, nicht mehr bezahlen will.

"Fehlertoleranz erstreckt sich nur auf die Hardware, doch die ist heute relativ zuverlaessig. Was allein noch Probleme macht, sind die Festplatten und die Netzteile", beschreibt Lillie. "Als Abhilfe genuegt es aber, die Platten zu einem Raid-Verbund zusammenzuschliessen oder zwei getrennte und unabhaengige Stromversorgungen einzubauen."

Er werde jetzt vier Netframe-Server gegen IBM-Maschinen mit Intel- Prozessor auswechseln, da sein Unternehmen dafuer halb soviel bezahlen muss wie fuer die Rechner von Netframe. "Ausserdem erhalten wir schnellere Prozessoren, mehr Arbeitsspeicher, doppelte Festplatten und leistungsfaehigere Netzkarten", freut sich Lillie.

Gleichzeitig loese man sich von der proprietaeren Konstruktionen von Netframe, die besonders bei den Netzadaptern eigene, wenig ueberzeugende Wege gegangen seien. Mittelfristig werde auch sein Unternehmen Standardteile verwenden, sagte Randy Meyer, bei Netframe verantwortlich fuer die Verbindung zu Novell Netware. Doch sei dies nur moeglich, wenn sich damit ein wirklich stabiles Netz aufbauen liesse.

Die Marktzahlen deuten trotzdem auf schwierige Zeiten fuer die Anbieter proprietaerer Midrange-Server hin. Tricord und Netframe lieferten im vergangenen Jahr jeweils rund drei Prozent der Superserver, Compaq hingegen rund 70 Prozent und ALR neun Prozent, ermittelte das Marktforschungsinstitut International Data Corp. (IDC) in Framingham, Massachusetts.

Tricord und Netframe haetten seit 1994 Marktanteile verloren, und im kommenden Jahr sei keine Besserung zu erwarten. Ein besorgniserregendes Ergebnis auch deshalb, weil IDC fuer den gleichen Zeitraum ein Marktwachstum prognostiziert: Von 1994 bis 1998 soll der Absatz von Midrange-Servern von 43000 auf 113000 Stueck steigen, der Umsatz waechst von 1,1 auf 3,3 Milliarden Dollar. Tricord hat im dritten Quartal dieses Jahres bei einem Umsatz von 17,2 Millionen Dollar 3,1 Millionen Dollar Verlust gemacht. Netframe musste 1995 in den ersten neun Monaten sechs Millionen Dollar Verlust bei einem Umsatz von 55 Millionen Dollar bekanntgeben, im Vorjahreszeitraum konnte man hingegen noch bei einem Umsatz von 69 Millionen Dollar 6,7 Millionen Dollar Gewinn einstreichen.

Netframe und Tricord in die Zange genommen

"Netframe und Tricord sind in die Zange genommen worden. Windows NT und Netware laufen heute auch auf den PC-Servern von Compaq und Co. Damit wird es fuer beide Firmen schwierig, die Vorteile ihrer Produkte gegenueber den Pentium-Pro-Maschinen herauszustreichen", analysiert Dave Rodgers, Vice-President von Sequent. "Andererseits laesst sich ein Powerframe- oder Clusterserver-System nicht mit weiteren CPUs ausstatten. Dafuer ist das Bus-System dieser Modelle nicht ausgelegt." Bei der deutschen Sequent-Niederlassung in Ismaning bestaetigt man diese Einschaetzung: "Ein typischer Sequent- Kunde verlangt eine individuelle Loesung fuer sein Problem. Wir muessen und koennen State-of-the-art-Technik liefern", sagte Christoph Michel, Leiter Marketing bei der Sequent GmbH.