Kfz-Zulieferer bedient auch Sachverständige von Versicherungen

Pen-Computer: Schnelles Durchziehen, von Schadensregelungen

24.07.1992

Audatex steht für Auto, Daten, Expertisen, aber auch für weltweiten Einsatz von Notepads. Bereits 1966 wurde bei dem Kfz-Zulieferer die Wühlarbeit in Ersatzteil- und anderen Listen durch Datenverarbeitung ersetzt. Heute erstreckt sich die Anwendung der Mindener auf 14 Länder in vier Kontinenten.

Täglich wird Audatex 50 000mal für Reparaturkalkulationen benutzt. Im Großrechner des Unternehmens sind fast 500 verschiedene Fahrzeugtypen mit über 6000 Fahrzeug-Modellen und über 20 000 Ausführungs-Varianten gespeichert - und zwar mit tagesaktuellen Einzelpreisen sowie Arbeitswerten und sogenannten "Verbunden".

Bis zu 10 000 Daten ändern sich jeden Tag

Der Terminus "Verbund" wird dann verwendet, wenn beispielsweise ein Kotflügel erneuert werden soll, wobei in der Regel erst die Stoßstange ab- und später wieder anmontiert werden muß; dieser Arbeitsaufwand ist in den jeweiligen Arbeitswerten für "Stoßstange erneuern" enthalten. Wenn aber nun beide Kotflügel erneuert werden sollen, muß die Stoßstange ja nicht zweimal demontiert und wieder befestigt werden, sondern nur einmal. Und das wird durch die Verbunde berücksichtigt.

In der Datenbank ändern sich täglich bis zu 10 000 Daten. Sie ist eine der Säulen des Audatex-Systems. Die zweite sind die Typenbogen, die eigentlich Hefte sind und jeweils für einen Kfz-Haupttyp Explosionszeichnungen, Kästchen und auszufüllende Felder enthalten und damit zwischen 1300 und 1500 Einzelteile umfassen. Mit diesen Typenheften lassen sich etwa 95 Prozent aller auf bundesdeutschen Straßen passierenden Kfz-Unfälle schadensmäßig erfassen.

Logischerweise sind auch alle bundesdeutschen Kfz-Versicherer Anwender des Audatex-Systems. Zur zweiten Kundengruppe gehören freie Fahrzeug-Sachverständige sowie Organisationen wie der TÜV. Die dritte Anwender-Gruppe sind Kfz-Werkstätten jeglicher Art (einschließlich Herstellerniederlassungen).

Entsprechend den verschiedenen Gruppen gibt es bei der Software, der dritten Säule des Stift-orientierten Systems auf Großrechnerbasis unterschiedliche Lösungen beziehen sich einerseits auf die Systemkonfiguration, also PCs, Multiuser-Systeme und Großrechner, andererseits auf die Art der Nutzung der individuellen Programme. Ebenso wichtig ist die Daten-Kommunikation mit den portablen Rechnern in den Filialen oder bei den Außendienstmitarbeitern. Alle gebräuchlichen Datenübertragungswege wie Datex-P, Datex-L, und Fernsprechwählleitung sind benutzbar.

Im Büro einen PC und im Auto die Kartei

Am Beispiel eines einzelnen Anwenders sind im folgenden die Abwicklung einer Transaktion und später dann auch der spezielle Einsatz des Notepads erläutert. Gewählt wurde hierfür ein freier Sachverständiger, der im Büro einen PC hat und im Auto eine Kartei mit den für ihn wichtigsten Typenheften. Dieser Sachverständige kommt, in eine Kfz-Werkstatt um einen Unfall-Schaden zu kalkulieren; dazu sucht er zuerst das entsprechende Typenheft aus der Kartei und untersucht das Kraftfahrzeug dann von allen Seiten.

Dabei benutzt er zur Identifizierung der Teile die Explosionszeichnung im Typenheft. Ist beispielsweise ein Kotflügel beschädigt, so -führt eine Führungslinie von der Zeichnung des Kotflügels zu zwei Nummernkästchen für den rechten und den linken Kotflügel. Ein weiteres Kästchen ist anzukreuzen um festzulegen ob der Kotflügel ersetzt oder repariert werden soll. Natürlich gibt es noch viele andere Kästchen in dem Typenbogen, die angekreuzt oder ausgefüllt werden müssen.

Das anschließende Gespräch mit dem Werkstattmeister kann dann zu Änderungen führen, die den Typenbogen nicht gerade besser lesbar machen. Bei einer besonders schwierigen Reparatur müssen beispielsweise statt der vorgegebenen Arbeitswerte individuelle genommen werden, bei Teilen, deren Reparatur nicht lohnt, das Kennzeichen auf "Ersatz" geändert werden. Aber auch ohne solche Änderungen sind beim späteren Eintippen der angekreuzten Code-Nummern in den PC Lese- und Eingabe-Fehler möglich. Der Sachverständige aus unserem Beispiel läßt dann die Daten von seinem PC zum Audatex-Rechner übertragen und erhält später von dort per Leitung die Schadenskalkulation, die er daraufhin in einem eigenen Format als Reparaturkalkulation ausdrucken lassen kann.

Es wird deutlich, daß es teilweise Doppelarbeit gibt, wie Ankreuzen und Eintragen und darüber hinaus schließlich das Eintasten ins System. Das bedeutet verschiedene Fehlerquellen, und jede Menge organisatorische Arbeit: zum Beispiel müssen die Typenbogen immer rechtzeitig nachbestellt werden, damit der Sachverständige nicht eines Tages vor einem Audi 80 Quattro steht und keinen entsprechenden Bogen mehr hat.

Kalkulation auf dem Notepad

Alle diese Probleme will der Kfz-Zulieferer per Notepads beseitigen. Dazu sollen in der ersten Stufe die Typenbogen in dem portablen elektronischen Notizbuch gespeichert werden; später wird es auch möglich sein, auf dem Notepad zu kalkulieren. Nun werden aber keineswegs die Typenbogen einfach eins-zu-eins gespeichert, vielmehr werden die Explosionszeichnungen gescannt und anschließend vom Pixel-Format (TIFF) in eine Vektorgrafik (DFX) umgesetzt.

Danach zeigt der Bildschirm des Pen-Computers die gewohnte Explosionszeichnung, wobei man durch Antippen des Bildschirms mit dem kabellosen Stift einerseits zwischen verschiedenen "Ansichten", den sogenannten Zonen, wechseln, andererseits aber auch Bildschirm-Ausschnitte vergrößern kann. Dieses Zoomen macht es möglich, daß man ganz präzise selbst das kleinste Teil auswählen kann. Außerdem ist erkennbar, was sich unter einem Teil noch an anderen Teilen "verbirgt"; beispielsweise Teile, die auch beschädigt sein könnten. Last but not least kann jemand, der einen nicht so häufig vorkommenden Fahrzeug-Typ inspiziert, durch die gezoomte Darstellung das gesuchte Teil schneller finden.

Darstellung grafisch und in Listenform

Da der Experte nun jedes Einzelteil durch Antippen in der Zeichnung auffinden kann, braucht er die unzähligen Nummern-Kästchen nicht mehr; vielmehr genügen einige wenige Kästchen, beispielsweise um zu bestimmen, ob der rechte oder linke Kotflügel gemeint ist. Zwar muß er auch noch ein Kästchen antippen, um festzulegen, ob das Teil ersetzt oder repariert werden soll, aber dabei zeigt ihm der Bildschirm die Komponente auch gleich entsprechend gekennzeichnet, etwa durch dunklen Untergrund.

Wesentlicher Vorteil ist, daß nach Abschluß der Untersuchung der Notepad eine Liste aller ausgewählten Teile nebst den dabei getroffenen Entscheidungen und den angefallenen Arbeitswerten zeigt.

Besser als Kreuzchen im Typenheft

Das ist für das anschließende Gespräch mit dem Werkstattmeister eine bessere Darstellungsform als die Kreuzchen in einem Typenheft. Und Änderungen sind jetzt auch kein Problem mehr, denn durch das entsprechende Antippen ändert sich sowohl die Darstellung der betreffenden Teile in der Grafik als auch die Liste. Ebenso entfallen die anschließenden Übertragungsfehler, denn der Sachverständige kann die Daten in seinen stationären PC einspielen, indem er entweder beide Geräte durch ein Kabel verbindet oder eine Diskette des stiftbasierten Rechners in seinen Büro-PC steckt.

Übrigens: Man hat zwar die Rubrik "zusätzliche Angaben" stark reduziert, doch einige Buchstaben und Ziffern wie Aktenzeichen etc. muß der Sachverständige trotzdem dem Portablen mitteilen. Und das macht er, indem er mit dem Stift auf dem Bildschirm schreibt. Ein unterlegtes Zeichenerkennungs-Programm, das auf die Handschrift des Benutzers eingeschliffen ist, sorgt automatisch dafür, daß aus dieser "Malerei" digitale, gespeicherte Daten und Texte werden.

Die ganze Sache wäre geradezu phantastisch, wenn es da nicht einige Handikaps gäbe. Eines ist die zur Zeit noch ziemlich begrenzte Speicherkapazität dieser besonderen Spielart der Handhelds. Für einen "elektronischen Typenbogen" braucht man rund 1 MB Speicherkapazität. Deshalb wird man in den nächsten Jahren nie alle Typenhefte gleichzeitig speichern können; Audatex rechnet bis zum Jahresende jedoch mit einer Kapazität, die für den jeweiligen Benutzer das Speichern der 20 wichtigsten Typen erlaubt. Die anderen Typen sollen auf einer CD-ROM gespeichert werden, wobei das Herunterladen eines Typs von der CD-ROM auf den Notepad weniger als eine Minute dauern soll. Allerdings: Auch auf einer CD-ROM sind nicht alle der fast 500 Typenhefte unterzubringen - nur ungefähr 380.

Das zweite Handikap ist die Tatsache, daß die Übernahme sämtlicher Typenbogen auf den Notepad beziehungsweise die CD-ROM eine Menge Arbeit erfordert, so daß man nur schrittweise vorankommt. Aber die Mitarbeiter aus allen Benutzergruppen sollen die Notepads mit drei oder vier elektronischen Typenbogen in der Praxis testen. Ab Anfang '93 hofft man auf "volle Fahrt".

Schäden werden schneller beseitigt

"Volle Fahrt" soll auch bedeuten, daß in Zukunft Unfallschäden schneller beseitigt werden können, weil die Bearbeitung - durch freie Sachverständige und Versicherungsmitarbeiter - schneller erfolgt. Und deshalb an dieser Stelle ein Blick in die Zukunft.

Vision 1:

Der freie Sachverständige.

Nach der bereits geschilderten Erfassung läßt er von seinem Notepad die Reparatur-Kalkulation ausdrucken und übergibt sie der Werkstatt. Die Reparatur kann sofort beginnen.

Vision 2:

Der Versicherungsmitarbeiter.

Bevor er morgens seine Fahrt antritt, läßt er die Kfz-Daten der Versicherungsnehmer (deren Fahrzeuge er an diesem Tag besichtigen will) vom Versicherungsgroßrechner in seinen Notepad überspielen, so daß er diese Basis-Daten schon gespeichert hat. Nachdem er dann im Laufe des Tages die Unfallschadensdaten per Pen-Computer und elektronischen Typenbogen erfaßt hat, überspielt er abends alle Daten in den Großrechner der Versicherung. Daraufhin hat am nächsten Morgen der zuständige Schadens-Sachbearbeiter den gesamten Vorgang in seiner elektronischen Mailbox und kann sofort mit der Schadensregulierung beginnen.