Peinlicher Fehler bei Win-95-Kampagne fuer DV-Leiter Microsoft verbreitet neuen Winword-Virus auf einer CD

22.09.1995

MUENCHEN (ls) - Microsoft hat eine Variante des Virus "Winword.Concept" per CD selbst verbreitet. Die Ursache des Vorfalls ist unternehmensintern weiter ungeklaert.

Rund 120 DV-Leiter wollte Microsoft auf den Veranstaltungen "Migration 95" am 12. September in Stuttgart und zwei Tage spaeter in Bad Homburg von Windows 95 ueberzeugen. Sie erhielten dort eine CD mit Previews von Microsoft-Anwendungen - und mit einer boesen Ueberraschung: Die Datei "Inhalt.doc" der CD ist mit einer Variante des Virus Winword.Concept infiziert.

"Ein Grund weniger zu migrieren", kommentierte Christian Kunze den Vorfall. Der Leiter Informatik bei der Management- und Technologieberatungsfirma Diebold Deutschland, Eschborn, hatte den Virus entdeckt.

Beim Oeffnen der Datei erscheint ein Nachrichtenfenster mit einer "1", dem Erkennungszeichen des Virus. Hinsichtlich der Einrichtung weiterer Makros sowie der Erweiterung der Datei Normal.dot um fuenf KB und der Winword-Ini verhaelt er sich bis auf Kleinigkeiten wie der erste Makrovirus Winword.Concept (vgl. CW Nr. 35 vom 1. September 1995, S. 6). Allerdings ist er unter einer deutschen Winword-Version ohne eine - kinderleichte - Manipulation nicht in der Lage, weitere geoeffnete Dokumente zu infizieren. Auch enthaelt das Virenmakro "Payload" keine Daten zerstoerende Befehlsketten.

Gleichwohl, "eine Unverschaemtheit" findet DV-Leiter Kunze den Vorfall. "Das sollte einer Firma wie Microsoft eigentlich nicht passieren." Weil sich der Virus auf einer mit Microsoft-Copyright versehenen CD befinde, koenne das Unternehmen sich diesmal nicht herausreden, die Anwender haetten den Virus vorher gehabt. Die 245 Mark Tagungsgebuehren moechte Kunze von Microsoft zurueckfordern. Dieses Ansinnen konnte beim Hersteller niemand nachvollziehen.

"Sowas kann passieren, sollte aber nicht", meint Stefan Mueller, leitender Systemberater bei der Microsoft-Niederlassung in Bad Homburg, kleinlaut. Mueller, Redner auf der Bad Homburger Tagung und Verfasser der infizierten Datei (nicht des Virus!), hat noch keine Erklaerung fuer die Infektion. "Wir koennen im Moment wenig dazu sagen." Mit Hinweis auf die Ungefaehrlichkeit der Infektion sieht er "keinen Grund zu Panik".

Zunaechst sah Microsoft deswegen "keinen Handlungsbedarf", so Thomas Baumgaertner, Pressereferent der Microsoft GmbH, Muenchen. Dann aber korrigierte sich das Unternehmen und will nun die Teilnehmer der beiden Veranstaltungen per Fax auf die verseuchte Datei hinweisen.

Gibt es tatsaechlich unschaedliche Viren?

Ausserdem erhielten sie eine virenfreie CD und Microsofts "Clean- up-Makro" zugeschickt, das auf Virenbefall pruefe, die Viren loesche und vor weiteren schuetze. Teilnehmer einer groesseren geplanten Veranstaltungsreihe fuer Techniker werden eine neugepresste CD erhalten.

Bisher koenne man laut Baumgaertner "nicht davon sprechen, dass da jemand geschaedigt worden ist". Diese Sichtweise duerfte etwas verkuerzt sein. So hat Peter Tippett, President der US- amerikanischen National Computer Security Association, erklaert: "Ich kann nachweisen, dass 90 Prozent der Kosten einer Vireninfektion nicht auf Beschaedigung oder Verlust von Daten zurueckgehen, sondern schlicht auf den Aufwand, den Virus zu finden und loszuwerden."