Peer-to-peer oder Client-Server - was ist wann das Richtige?

20.05.1994

Immer mehr Hersteller springen auf den Netzwerkzug auf und werben mit ihren Produkten um die Gunst der Kaeufer. Doch Netz ist nicht gleich Netz. Die Verbindung laesst sich nach dem Peer-to-peer- Prinzip oder als Client-Server-Architektur aufbauen. Wie sich die Konzepte unterscheiden und wofuer sie sich eignen, beschreibt Eric Tierling in folgendem Beitrag.

Der Sinn eines Netzes besteht darin, teure Peripherie wie Festplatten, CD-ROMs oder Drucker gemeinsam nutzen zu koennen. Anstatt jeden Arbeitsplatz mit einem eigenen Laserdrucker zu bestuecken, ist es bedeutend effektiver, ein zentrales Geraet anzuschaffen, das von allen genutzt wird. Die Ausgabe der Druckauftraege der einzelnen Anwender erfolgt dabei nach einem Verfahren, das dem aehnelt, wie Briten einen Bus besteigen: Alle Teilnehmer reihen sich in eine Schlange ein, um nacheinander an die Reihe zu kommen. Da in aller Regel nicht alle Anwender gleichzeitig drucken wollen, wird das Geraet oekonomisch eingesetzt. Steigt das Auftragsvolumen derart an, dass die Benutzer immer laenger auf ihren Ausdruck warten muessen, springt ein zusaetzliches Ausgabegeraet ein - ob dieses zentral oder dezentral, also vor Ort in einer Abteilung plaziert wird, haengt von den konkreten Anforderungen der Anwender (und zum Teil auch des Netz- Betriebssystems) ab.

Ein mindestens ebenso wichtiges Argument fuer Netze ist das Datei- Sharing. Erst sie ermoeglichen es mehreren Anwendern, zusammen ein und dieselbe Kundendatei zu bearbeiten - wer die Zeiten der Standalone-PCs miterlebt hat, weiss, was fuer ein enormer Aufwand, gepaart mit eiserner Disziplin, erforderlich ist, um die Datenbestaende taeglich auf allen Rechnern eines Betriebs abzugleichen. Redundante Kopien einer Datei, unklare Aktualitaetsgrade und aufwendige Konvertierungslaeufe ueber Nacht sind mit Netzen endgueltig passe.

Mehr als Datei- und Drucker-Sharing

Abhaengig von Art und Funktionsumfang des Netzes stehen aber noch weitere produktivitaetssteigernde Funktionen zur Verfuegung. Beispielsweise die gemeinsame Nutzung eines elektronischen Faxdienstes - ein zentraler Fax-Server erspart es den Anwendern, ihre PCs einzeln mit Faxkarten ausstatten zu muessen. Eine andere Moeglichkeit betrifft die Fernwartung: Alle in das Netz eingebundenen PCs koennen miteinander kommunizieren - mit einem entsprechenden Programm ist der Systembetreuer in der Lage, sich kurzfristig jedes Problems anzunehmen, das auf dem PC eines Anwenders auftritt. Ebenfalls sinnvoll und mittlerweile stark im Kommen ist Electronic Mail. Das Mittel E-Mail stellt eine probate Technik dar, um Nachrichten auf elektronischem Wege schnell und unkompliziert zu verschicken. Diverse Kontrollmechanismen wie "Nachricht versandt" oder "Nachricht gelesen" erhoehen zudem die Beantwortungsfrequenz: Ausreden wie "Das hab' ich gar nicht bekommen" lassen sich anhand der Quittierungsmitteilung schnell ueberpruefen und als unrichtig entlarven.

Doch welches Netz ist das richtige? Grundsaetzlich haben sich bei den Netz-Betriebssystemen zwei Architekturen durchgesetzt: Peer- to-peer und Client-Server. Bei einem Peer-to-peer-Netz koennen prinzipiell alle in das Netz eingebundenen PCs ihre Ressourcen anderen PCs beziehungsweise Anwendern zur Verfuegung stellen und so als Server fungieren. Rechner, die als Nutzniesser der Netzressourcen auftreten, werden in diesem Fall als Clients bezeichnet. Die Kombination beider Modi versetzt Anwender beispielsweise in die Lage, sowohl den lokal angeschlossenen Drucker fuer andere Teilnehmer freizugeben als auch gleichzeitig die freigegebenen Ressourcen der PCs anderer Anwender zu nutzen. Typische Vertreter dieser Netzkategorie stellen etwa Novell mit "Netware Lite" und dem Nachfolger "Personal Netware", Microsoft mit "Windows fuer Workgroups" oder Artisoft mit "Lantastic".

Die Peer-to-peer-Ausfuehrungen von Netware und Lantastic sind in Form von kleinen TSR-Programmen (terminate-stay-resident) realisiert, die sich resident im Arbeitsspeicher des unter DOS arbeitenden PCs befinden. Kritisch ist der Speicherumfang: Je mehr Platz die Netzsoftware belegt, desto weniger bleibt fuer "echte" Anwendungen uebrig - das gilt besonders fuer Rechner, die in einem Peer-to-peer-Netz sowohl als Server als auch als Client fungieren und somit beide TSR-Programme laden muessen. Ein wenig anders sieht es bei Windows for Workgroups aus: Zwar werden die eigentlichen Peer-to-peer-Module unter Windows aktiviert, der Aufruf der Treiber fuer die Netzkarte erfolgt jedoch nach wie vor unter DOS - und dort ist aufgrund der PC-Systemarchitektur der maximale Arbeitsspeicher leider begrenzt.

Peer-to-peer-Loesungen eignen sich zur Vernetzung von wenigen Usern oder innerhalb einer Arbeitsgruppe: Die einfache Installation erlaubt einen flexiblen Aufbau des Netzes ohne langwierige Planungsphasen. Mit zunehmender Anzahl von Benutzern und Servern wird die Administration aber zunehmend unuebersichtlich. Ferner steigt das Risiko, bestimmte Ressourcen nicht zu erreichen, mit der Anzahl der Server im Netz - so muss allen Usern eingeimpft werden, dass ein Ausschalten ihres (Server-) Rechners dem Netz die fuer ihn vorgesehenen Ressourcen entzieht. Ausserdem sind Peer-to- Peer-Loesungen mit einem Investitionsbedarf von rund 200 Mark pro Station (fuer Hard- und Software) recht preisguenstig, sofern nur wenige Rechner miteinander verbunden werden.

Der Aufbau eines Netzes mit 20 Teilnehmern kann allerdings ins Geld gehen; denn schliesslich verdienen auch die Anforderungen der User an die Geschwindigkeit des Netzes Beruecksichtigung: Je mehr Anfragen es gibt, desto staerker leidet die Performance. Typische Peer-to-peer-Netzwerke umfassen in der Regel zwischen zwei und zehn Usern.

Arbeitsteilung im Netz: Client-Server

Im Gegensatz dazu arbeiten "ausgewachsene" Netzsysteme nach dem Client-Server-Prinzip. Ein eigenstaendiges, auf die speziellen Netzanforderungen hin ausgelegtes Netz-Betriebssystem laeuft auf einem eigens dafuer vorgesehenen Rechner ab, dem Server. Im Unterschied zum Server eines Peer-to-peer-Netzes stellt kein kleines TSR im Hintergrund eines DOS-Rechners entsprechende Netzfunktionalitaeten bereit. Vielmehr wird auf dem Server ein eigenes Betriebssystem, das Netz-Betriebssystem, geladen, das mehr oder weniger ausschliesslich Netzdienste bereitstellt. Zu den bekannten Vertretern dieser Gattung zaehlen allen voran Novells Netware 2.x bis 4.x, aber auch Banyan Vines oder Windows NT Advanced Server.

Client-Server-Systeme bieten besonders fuer mittlere und groessere Netze den Vorteil, dass die Ein- und Ausgabe- von der eigentlichen Verarbeitungsfunktion geloest wird. Damit lassen sich bestimmte Aufgaben bedeutend schneller erledigen. Ein in diesem Zusammenhang gerne zitiertes Beispiel bezieht sich auf eine Datenbankanwendung: Bei Stand-alone-PCs und Peer-to-peer-Netzen gibt der Anwender den Namen eines Kunden ein, dessen offene Posten ueberprueft werden sollen. Der PC sucht dann nach dem passenden Datensatz - selbst mit intelligenten Verfahren wie der Indizierung werden zunaechst etliche Datensaetze eingelesen, wobei der Rechner entscheidet, ob es sich um den richtigen handelt. Unter Umstaenden wird so ein Grossteil der Kundendatei durchgelesen, bevor der gewuenschte Datensatz ermittelt ist, was je nach Groesse des Files einige Zeit dauern kann.

Client-Server-Systeme bieten alternativ ein schnelleres Verfahren: Ein auf der Workstation ablaufendes Client-Programm ist nur fuer die Ein- und Ausgaberoutinen ueber Tastatur und Bildschirm zustaendig. Ueber diese wird der Name eines in der Datenbank zu suchenden Kunden eingegeben und die Anfrage zum auf dem Server ablaufenden Suchprogramm uebermittelt. Die Fahndung nach dem gewuenschten Datensatz wird dann direkt auf dem Server abgewickelt, dessen interne Komponenten in der Regel ohnehin auf das schnelle Bereitstellen von Daten ausgelegt sind. Am Ende gibt der Server den Datensatz an das initiierende Client-Programm zurueck, das nun inhaltliche Veraenderungen vornehmen kann.

In der Praxis sind 20 bis 50 User die Regel

Mit zunehmender Groesse einer Datei zeigen sich die deutlichen Geschwindigkeitsvorteile des Client-Server-Verfahrens, da die Suche auf einem entsprechend spezialisierten Rechner (dem Server) ausgefuehrt und nur der gewuenschte Datensatz durch das Netz geschickt wird. Dessen Belastung verringert sich und haelt mehr Performance fuer die Uebertragungen anderer Anwender offen. SQL- Datenbanken beispielsweise arbeiten nach diesem Prinzip: Auf der Client-Seite uebernimmt eine Front-end-Komponente Ein- und Ausgaberoutinen, waehrend das SQL-Back-end auf dem Server seinen Dienst versieht.

Aufgrund des speziellen Netzkonzepts bedienen Client-Server- Systeme ohne Schwierigkeiten mehrere hundert Anwender gleichzeitig, wenn auch die meisten Netze auf Client-Server-Basis durchschnittlich nur 20 bis 50 User umfassen. Zusaetzlich ist die Client-Server-Architektur auch auf die Konnektivitaet zu anderen Systemen wie beispielsweise Unix oder Host-Rechnern ausgelegt, so dass die Unterstuetzung etwa von TCP/IP oder eine SNA-Anbindung recht problemlos zu bewaeltigen ist - hier muessen Peer-to-peer- Netze in den meisten Faellen passen.

Die generelle Frage, ob es ein Produkt - sei es Peer-to-peer oder Client-Server - von Artisoft, Banyan, Microsoft, Novell oder wie sie sonst alle heissen, sein muss, laesst sich so einfach nicht beantworten. Wichtige Faktoren fuer die Entscheidung fuer eine bestimmte Plattform sind beispielsweise: Bietet das Produkt von X auch die Connectivity zu dem schon vorhandenen System Y, oder stehen Zusatzprodukte wie etwa Antiviren- oder Backup-Programme fuer das auserkorene Netz-Betriebssystem zur Verfuegung. Nicht zu unterschaetzen ist auch, wie andere Hersteller eine bestimmte Loesung unterstuetzen - jetzt und in Zukunft, um die anstehenden Investitionen zumindest mittelfristig zu sichern. Ganz falsch waere es hierbei, sich in einen Glaubenskrieg verwickeln zu lassen, den Anhaenger der einen oder anderen Plattform allzuhaeufig fuehren - es kommt einzig und allein auf Ihre Anforderungen an.