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PDAs sorgen für neuen IT-Wildwuchs

23.10.2000
Teurer Spaß: Gartner beziffert die TCO (Total Cost of Ownership) von Palm- und CE-Handhelds mit rund 2700 Dollar.

Von CW-Redakteur Joachim Hackmann

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Klammheimlich schleichen sich die PDAs in die Unternehmens-IT ein. Meistens werden die Geräte privat angeschafft und ohne Absprache mit der IT-Abteilung an den Firmen-PC angehängt. Dem Wildwuchs in der Unternehmens-IT ist damit Tür und Tor geöffnet, zumal Werkzeuge für das System-Management und den Virenschutz bislang Mangelware sind.

"Privatangelegenheit" wird so mancher Chef denken, wenn er durch die Flure des Unternehmens wandert und neben den mittlerweile üblichen PCs immer häufiger einen PDA auf den Schreibtischen seiner Mitarbeiter sieht. Meistens sind die Geräte tatsächlich das, was ihre Bezeichnung aussagt, nämlich persönliche digitale Assistenten (PDA). Sie werden in der Regel als elektronische Filofax-Version genutzt, und ihre Anschaffungskosten haben die Besitzer aus ihrer privaten Geldbörse finanziert.

Als fatal könnte es sich jedoch erweisen, diese Helferlein als Bestandteil der Unternehmens-DV zu ignorieren. Spätestens dann, wenn die PDAs via Docking-Station oder Infrarot-Schnittstelle an den Firmen-PC angebunden sind, ist die Grenze zur hauseigenen IT überschritten. Über das LAN oder Intranet besteht eine Verbindung zum Internet, wo Tausende von Spielen und Anwendungen zum kostenlosen Download bereitliegen.

Als unangenehmes Anhängsel haben sich bereits die ersten eigens für diese Endgeräteklasse geschriebenen Viren oder Trojanische Pferde (etwa "Palm-OS/Liberty-Crack") den Weg auf die Mini-Rechner geebnet. Der nächste Schritt, einen PDA-Virus derart zu gestalten, dass er vom Internet zum Handheld und von dort wiederum auf den Firmen-PC und ins Netz gelangt, ist denkbar. Über kurz oder lang wird sich irgendein Cracker finden, der sich dieses Themas annehmen wird. Spätestens dann dürfte das Bewusstsein für die privat angeschafften Geräte auch in den IT-Abteilungen geschärft werden.

Die Unternernehmens-DV macht mobil

Es gibt darüber hinaus eine Entwicklung, die die IT-Verantwortlichen beim Thema PDA aufhorchen lassen sollte. Hersteller wie Oracle, SAP, Peoplesoft, Microsoft, Sybase, Novell und Computer Associates haben bereits Lösungen für die PDA-Betriebssysteme Palm-OS, Windows CE oder Epoc im Portfolio. Diese Hersteller stehen nicht im Verdacht, mit ihrer Software den Privatnutzer anzusprechen. Sie haben die Front-ends ihrer geschäftsbezogene Applikationen auf den PDA portiert.

So stattet die SAP AG beispielsweise zunächst einmal hausintern das oberste Management, Vertriebsmitarbeiter und SAP-Berater mit Compaqs unter Windows CE laufenden Minirechner "Ipaq" aus. Die Anwender haben damit auch von unterwegs einen drahtlosen Zugang zu ihrem "Mysap.com Workplace". Sybase vollzog mit seiner Mini-Datenbank "SQL Anywhere" einen Datenabgleich mit SAP R/3. Oracle und IBM haben mit "Oracle 8i Lite" beziehungsweise "DB2 Everywhere" ähnliches vor.

Auch Novell hat den Unternehmenskunden fest im Blick: Ihm wollen die Netzwerker mit den "Novell Portal Services" auch unterwegs via drahtlose Übertragungsmedien sowie WAP-Handy oder PDA Zugang zu firmenspezifischen Informationen einräumen. Schließlich stehen Startups und spezialisierte Hersteller bereit, die PDAs um professionelle Funktionen wie Reisekostenabrechnungen oder um Zusatzgeräte wie Barcode-Scanner und digitale Kameras erweitern.

Praxisbeispiele bislang noch Mangelware

Die angebotenen Anwendungen und Hardwareerweiterungen geben auch einen Einblick in künftige Einsatzfelder. Außendienstmitarbeiter, ihrer großen und schweren Notebooks überdrüssig, sind eine dankbare Klientel. Sie könnten direkt vor Ort auf Lagerbestände und Produktinformationen zugreifen oder kurz vor dem Kundentermin den aktuellen Status der bisherigen Gespräche abrufen. Versicherungsmakler wären in der Lage, Daten direkt in ihr elektronisches Notizbuch einzutragen. Supportmitarbeiter könnten vor Ort nachsehen, welche Reparaturen bei den Kundeninstallationen bisher angefallen sind. In Verbindung mit einer digitalen Kamera könnten Sachverständige ihre Berichte vor Ort digitalisiert ablegen.

Umgesetzt sind solche Szenarien bislang kaum, nach konkreten Beispielen muss man im Ausland suchen, und auch dort sind sie spärlich gesät. So verschenkt die britische Supermarktkette Safeway PDAs mit integrierten Barcodescannern an besonders treue Kunden. Die können beim Bummel durch das Kaufhaus die Preise der gewählten Produkte direkt einscannen und ersparen sich den Gang zur Kasse. Angenehmer Nebeneffekt für Safeway: Der Einzelhandelskonzern erhält sehr genaue Daten über das Einkaufsverhalten seiner Kunden. Ein anderes Anwendungsszenario stammt aus Australien. Dort verschickt das Straßenbauamt des Staates Victory die täglichen Arbeitsanweisungen an die mit Palm-PDAs ausgestatteten Arbeitskolonnen.

Analysten warnen vor horrenden Kosten

Doch Unternehmen, die mit dem professionellen Einsatz von PDAs bei ihren Außendienstmitarbeitern liebäugeln, sollten sich über die Folgen im Klaren sein. Gartner etwa warnt vor den mit den Handhelds verbundenen Gesamtkosten. Neben dem Anschaffungsaufwand, den die Analysten für Palm- und Windows-CE-PDAs einheitlich auf 450 Dollar pro Stück beziffern, fallen Kosten für Reparaturrücklagen, Geräteersatz, den technischen Support, die Administration und die durch PDAs verursachten unproduktiven Tätigkeiten der Endbenutzer an. Summa summarum errechnete Gartner Total Cost of Ownership (TCO) von 2693 Dollar für ein Palm-Device und 2791 Dollar für eine Windows-CE-Ausführung.

Auch die Meta Group wird nicht müde, die durch die digitalen Helfer zu erwartenden Herausforderungen zu betonen: Um ein "mobiles Chaos" zu vermeiden, so die Analysten, sei die Einführung einer "Mobile Enterprise Architecture" zwingend erforderlich. In diesem Zusammenhang müssen Fragen zur Sicherheit, zu den persönlichen Arbeitsweisen der betroffenen Mitarbeiter und zu den erforderlichen Netzzugängen beantwortet werden. "Unternehmen sollten jetzt mit dem Aufbau einer entsprechenden Architektur beginnen, nicht erst, wenn das Chaos perfekt ist", rät Meta-Group-Analyst Achim Heidebrecht.

Überall dort, wo der Einsatz von Handhelds im Produktivbetrieb geplant ist, müssen diese Minis auch als vollwertige Komponente der IT-Infrastruktur behandelt werden. Das erfordert konsequenterweise die Einbindung von PDAs in das System-Management. Denn wer seinen Mitarbeitern Taschencomputer für geschäftsbezogene Anwendungen mit auf den Weg gibt, muss für die Verfügbarkeit der Geräte und der immanenten Informationen Sorge tragen.

Erste Lösungen für das System-Management

"Die ganzen Probleme, die man bislang mit den PCs hat, werden in Zukunft auch für die PDAs Gültigkeit haben - damit sind auch die System-Management-Themen dieselben", umreißt Michael Santifaller, Vorstand der Santix AG in Unterschleißheim, die Herausforderung. Doch die PC-üblichen Werkzeuge für den Virenschutz, die Fernsteuerung oder das Monitoring gibt es für PDAs noch nicht, bislang beschränkt sich das Angebotsspektrum der Hersteller auf die Softwaredistribution in das Inventory- beziehungsweise Bestands-Management.

Zwar lehnte sich Computer Associates (CA) bereits im Frühjahr letzten Jahres weit aus dem Fenster, als das Unternehmen ankündigte, seine Produkte "Aim IT" (Asset-Management), "Serve IT" (Helpdesk), "Control IT" (Fernsteuerung) und "Ship IT" für den PDA-Gebrauch zu erweitern, bislang ist jedoch keine der Lösungen offiziell verfügbar. Am weitesten fortgeschritten sind offenbar die Arbeiten an Aim IT und Ship IT, die voraussichtlich Ende des Jahres auf den Markt kommen sollen. Wer dennoch gern bei CA ordern möchte, muss sich an die Framework-Lösung "Unicenter TNG" halten. Deren jüngste Version enthält eine Software-Delivery-Option für Windows-CE- und Palm-OS-Geräte.

Im Rahmen seiner Management-Plattform bietet auch CA-Konkurrent Tivoli Systems die erste Implementierung von Verwaltungswerkzeugen für Palm-OS an. Der "Tivoli Device Manager for Palms" beherrscht laut Anbieter die Installation beziehungsweise Deinstallation von Anwendungen, die Soft- und Hardware-Inventarisierung, stellt Monitoring-Daten zur Trendanalyse und Planung bereit und integriert die Event-Korrelation und den Fernzugriff auf Logfiles. Dazu installiert der Hersteller eine Softwarekomponente auf dem Zielgerät, die die entsprechenden Management-Aufgaben übernimmt und Inventur-Informationen einsammelt, um sie einer Zentrale zu melden.

Ähnlich funktioniert die Lösung "Afaria" von der Xcellenet GmbH in Gelsenkirchen. Eigentlich für Laptops entwickelt, überspielt das Produkt auch Anwendungen und Daten auf Palm- und Windows-CE-Geräte. Xcellenet nutzt als Transportmedium die Synchronisationslösung "Intellisync" von Puma Technology, die zuvor auf dem Server benutzerindividuell angepassten Softwarepakete auf den PDA überträgt. Um den Empfang sicherzustellen, prüft das Management-Werkzeug, welche PDA-Versionen im Einsatz sind, welche Applikationen bereits installiert wurden und ob ausreichend Speicherplatz vorhanden ist. Scheitert die Installation auf einzelnen Geräten, oder sind sie aufgrund ihrer Systemressource nicht für den Empfang geeignet, setzt Afaria eine entsprechende Meldung an den IT-Verantwortlichen ab. Anders als die Lösungen von CA und Tivoli liefert Afaria auch über GSM und Telefonleitungen Softwarepakete an die Endgeräte aus.

Ein Trend entsteht

Keiner der Anbieter kann bislang auf laufende Installationen in Deutschland verweisen. Das ist nicht verwunderlich, denn "bislang hält sich die Verbreitung von PDAs im Produktivbetrieb in Grenzen", formuliert es Santix-Vorstand Santifaller vorsichtig. Lediglich die Weltfirma Siemens soll rund 300 PDAs im Einsatz haben, die auch zentral verwaltet werden - bei einer weltweiten Mitarbeiterzahl von mehr als 440 000 eine spärliche Anzahl.

Das ist eine Momentaufnahme, die sich laut Einschätzung der Analysten von der Meta Group bald ändern wird. Sie erwarten, dass in drei Jahren rund 40 Prozent aller IT-Anwender in Unternehmen mit mobilen Endgeräten arbeiten. Von entsprechenden Erfahrungen kann auch Xcellenet-Mitarbeiter Thomas Brüne berichten: "Alle Unternehmen beschäftigen sich mit dem Thema PDA", weiß der Sales-Manager mit Zuständigkeit Zentraleuropa.

Das muss allerdings nicht immer aus der Notwendigkeit heraus geboren werden, die Geräte auch tatsächlich im Produktivbetrieb einzusetzen. Trotz der hohen TCO-Kosten rät die Gartner Group den Anwenderunternehmen, ihren Angestellten PDAs zu spendieren. Denn die bislang privat angeschafften Gerät würden immer häufiger auch als Speichermedium für unternehmensinterne Daten genutzt. Mit einer zentralen Beschaffung sei immerhin geklärt, wem die auf PDAs geladenen Daten gehören. Und für den größten TCO-Block, die unproduktiven Endbenutzeraktivitäten mit PDAs, ist es unerheblich, ob das Gerät privat oder vom Arbeitgeber angeschafft wurde.