Benutzer-Service-Zentrum soll IDV-Einbindung organisieren:

PCs auf Fachabteilungsebene müssen koordiniert werden

17.06.1988

*Michael Betz ist Leiter Marketing bei der PICA Personal Computer Beratung GmbH in München.

Nicht von ungefähr befindet sich die Datenverarbeitung im Spannungsfeld der Bedürfnisse von Anwendern und Zentral-EDV. Die Anpassung der DV-Gegebenheiten in größeren Betrieben an die Prioritäten des einzelnen Anwenders läßt deshalb oft genug zu wünschen übrig. Im folgenden Beitrag erläutert Michael Betz*, wo die Probleme bei der Einbindung von IDV liegen und wie man sie lösen könnte.

Früher hortete der Org.-DV-Leiter (als kleiner König) die Informationen und entschied über die Verteilung von Daten, Systemen und Problemlösungen. Heute sind es die Fachabteilungen selbst, die über ihren Informationsbedarf und ihre Hardware- und Softwareausstattung in eigener Regie bestimmen wollen. Das Schlagwort ist in aller Munde: IDV.

Der Ausdruck "Individuelle Datenverarbeitung" vereint das Individuum, den einzelnen Anwender, mit den Methoden der Datenverarbeitung. Die Anwender lassen sich zu Interessengruppen, den Fachabteilungen zusammenfassen, für die ebenfalls die Konsequenzen aus dem. "Personal Computing" zu gelten haben. Daraus läßt sich die Forderung ableiten, die informationstechnischen Gegebenheiten im Unternehmen an die Prioritäten des Anwenders oder der Fachabteilungen im täglichen Arbeitsumfeld anzupassen. Auf einen Nenner gebracht: Der Anwender erwartet vorrangig eine erhöhte Unabhängigkeit von zentralen Entwicklungen, eine schnellere Unterstützung, einen umfassenden Zugang zu relevanten Daten und eine schnellere Nutzung von modernen, dezentralen Systemen. In welchen DV-Landschaften können diese Forderungen erfüllt werden? Grundsätzlich in Umgebungen nur mit PCs, mit Terminal-Emulation oder mit reinem Terminalanschluß. Doch es wäre natürlich viel zu schön, wenn die rein anwenderorientierte Verwirklichung von IDV in jeder der DV-Umgebungen nicht Nachteile mit sich bringen würde:

Die Inkompatibilität von Hardware, Software und Daten führt zu einem unentwirrbaren Informationsdschungel. Datenschutz und -sicherheit sind nicht mehr gewährleistet. Jegliche erfolgreiche Unterstützung des Anwenders bei Problemstellungen und Projekten ist zum Scheitern verurteilt. Aus diesem Zusammenhang zwischen reiner Anwender-IDV und den daraus resultierenden Nachteilen ergeben sich die grundsätzlichen Forderungen des Informations-Managements an die IDV. So soll die DV-Infrastruktur weitestgehend ökonomisch, kompatibel und effizient gestaltet sein.

Unter diesen Gesichtspunkten gebührt der Einführung eines "beweglichen" Standards zur Systematisierung und Optimierung sicher ein hoher Stellenwert. Ähnlich hohe Priorität besitzt die Reorganisation der DV-Zuständigkeiten unter dem Gesichtspunkt der dezentralen Anwenderunterstützung (bis heute das Stiefkind der IDV).

Das Bindeglied zwischen der Anwender-IDV und einer geplanten, systematischen Informationsverarbeitung ist das Benutzer-Service-Zentrum (IZ, BS, BSZ, USC etc.). Aus der Verflechtung der Interessen von Informations-Management, Informatik-Management, Anwendern, Fachabteilungen, Zentral-DV, Bürokommunikation, Organisation, Datenschützern und wird die Fülle der Aufgaben deutlich. Sofern in den Unternehmen überhaupt ein Benutzer-Service vorhanden ist, wird der reinen Support-Funktion des BS beim Umgang mit der Hard- und Software die entscheidende Rolle zugedacht.

In jedem Fall gehört eine ständig erreichbare Hotline dazu, die in erster Instanz eine Telefondiagnose des Problems zuläßt. Die Erfahrung zeigt, daß viele wiederkehrende Schwierigkeiten, wie einfache Bedienungsfehler von Hard- und Software, fernmündlich behoben werden können. Sind die Probleme tiefgreifenderer Art, muß ein Spezialist zur Verfügung stehen, der unbürokratisch Soforthilfe gewähren kann.

Doch irgendwann hat der Anwender gelernt, sein System richtig und vollständig einzuschalten, beim Formatieren einer Diskette tunlichst "format a:" einzugeben und in den Menüs seines Textprogramms nach Belieben hin und her zu springen. Was bleibt? Sicher wird auf Dauer die Realisierung von IDV ohne Hotline nicht möglich sein, der Stellenwert der reinen Support-Funktion wird allerdings weit hinter Planungs- und Beratungsfunktionen zurücktreten müssen.

Oft möchte man wirklich das Handtuch werfen, wenn es darum geht in einem von Hard- und Softwarewildwuchs gezeichneten Unternehmen IDV zu verwirklichen. Alles besteht aus Insellösungen und selbstgestrickten Anwendungen, die nur für Einzelfälle konzipiert worden sind. Auf Kompatibilität und Portabilität wurde keine Rücksicht genommen (klassische Anwender-IDV). Zumeist müssen dann erst mit aufwendigen "Rucksackverfahren" oder Neuinvestitionen die Voraussetzungen für die Austauschbarkeit von Anwendungen und Systemen geschaffen werden, um die Grundlage für die Einführung von Vernetzung und Bürokommunikation im weitesten Sinne zu liefern.

Zweifellos ist ein etablierter BS für die Planung, Koordination und Realisierung der IDV-Maßnahmen prädestiniert, wobei dem Wissen über interne Anwendungssysteme, gepaart mit konkreten Markt- und Systemkenntnissen, eine überragende, Stellung zukommt. Aus Akzeptanzgründen ist es im Vorfeld der Planung von IDV notwendig, den Anwender in die Entscheidungsfindung zu integrieren. Es wäre paradox, das Individuum bei der Einführung oder Erweiterung von "Individueller Datenverarbeitung" auszuklammern.

Im Rahmen der Beratungsleistungen des BS steht die Gesamtheit der Anwender sprich: der Fachabteilungen, im Mittelpunkt des Interesses. Die Gesamtheit deshalb, weil der Nutzen der IDV nicht selektiv auf bestimmte Anwendergruppen beschränkt sein soll, die von ihrer Vorbildung oder Interessenlage her den Kontakt zu dezentralen DV-Systemen ja ohnehin suchen. Viel wichtiger ist es, die unbedarften Anwender anzuleiten und zu motivieren, deren Aufgabengebiete förmlich nach einer individuellen Unterstützung "schreien". Nur regelmäßiges, auch unaufgefordertes Nachfassen des BS ermöglicht hier, Akzeptanzschwellen einzuebnen und IDV als anwendungsorientiertes Werkzeug attraktiv zu gestalten.

Die Beratungsleistungen sind eng an Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen für den Anwender gekoppelt. Gemeint sind hier keine Standardseminare, sondern anwendungsorientierte Trainings. Der Anwender muß den persönlichen, individuellen Nutzen eines Systems für seine spezielle Aufgabensituation erkennen. Erst dann wird er mit seiner Stimme dazu beitragen, eine breite Basis der Akzeptanz von IDV im Unternehmen zu schaffen.

Ein Fragenkomplex besitzt für die Realisierung von IDV entscheidende Bedeutung: Wer hat welche Kompetenzen? An wen muß sich der Anwender oder die Fachabteilung unter welchen Umständen wenden?

Dazu ein bezeichnendes Beispiel: Ein Anwender aus der Budgetplanung möchte den fälligen Quartalsbericht rationeller erstellen. Für seine Aufgabe stehen ihm ein PC im Netzwerk, ein Datenbankprogramm sowie Programme zur Tabellenkalkulation und Textverarbeitung zur Verfügung. Der Output erfolgt auf einem zentralen Drucker. Keine Schwierigkeiten bereitet es dem Anwender, Informationen aus dem zentralen Datenbestand zu selektieren und mit dem Tabellenkalkulationsprogramm zu verarbeiten Die Ausgabe der Ergebnisse über Drucker in Verbindung mit dem Textprogramm ist allerdings nicht möglich; die Datenformate sind nicht kompatibel. Der Anwender bräuchte: einen Konverter für Datenbank-Textverarbeitung und einen Druckertreiber für Textprogramm-Drucker (alles netzwerkfähig). Für Konvertierungsroutinen wäre die Anwendungsentwicklung zuständig, für Datenbank und LAN der Netzwerkadministrator, für Textprogramme die Bürokommunikation, für Drucker der technische Dienst und für die Installation der BS. Eine koordinierende Stelle ist nicht vorhanden. Nach endlosen Telefonaten, Anfragen und Diskussionen gibt der Anwender schließlich auf.

Gewachsene Strukturen stehen IDV-Einführungen im Weg

Ganz deutlich zeigt sich an diesem Beispiel, daß die Verwirklichung von IDV eng an Umstrukturierungen bestehender Organisationen gekoppelt ist. In vielen Unternehmen wird es schwierig sein, die gewachsenen Strukturen an die geänderten Bedingungen anzupassen (Fall für externe Beratung!). Solange die IDV und damit alle Maßnahmen zur Dezentralisierung nicht "Sache" des Topmanagements geworden sind, solange ist und bleibt die IDV eine unerreichbare Vision. Solange die Kompetenzverteilung nicht laut "Ordre de Mufti" im Sinne der IDV geregelt ist, solange bleibt die Verwirklichung von "Individueller Datenverarbeitung" dem Zufall überlassen und entzieht sich jeglicher Strategie, Planung und Durchführbarkeit. Die Lösung liegt in einem Benutzer-Service-Zentrum einer organisatorischen Einheit, die für alle Planungs-, Beratungs- und Betreuungsaufgaben im Rahmen von IDV verantwortlich ist und die Vision mit der Wirklichkeit zur Deckung bringt. Einer für alle, alle für einen!