Mit neuen Systemen Client-Server-Gedanken verstärken

PCs als DEC-Hoffnungsträger für lukrative Märkte erkannt

05.04.1991

MÜNCHEN/HANNOVER (jm) - Die Digital Equipment Corp. (DEC) will sich dem Anwender auf allen DV-Ebenen als Integrations-Unternehmen darstellen: So rundete der Minicomputer-Anbieter sein Produktspektrum nach unten ab und offerierte erstmals auf der CeBIT eine in Gemeinschaft mit Olivetti entwickelte und produzierte PC-Linie. Außerdem erweiterte DEC seine VAXft-Linie fehlertoleranter Rechner um vier Modelle.

Mit Blick auf die veränderte Produktstrategie unterstreicht Digital Equipment auch die Bedeutung des richtigen Händler-und Servicekonzepts: Mit kompletten Lösungsangeboten will der Minicomputer-Marktführer alte und neue Kunden anziehen, wobei man bei DEC betont, daß diese Lösungen auch Hard-und Software anderer Hersteller einschließe.

William Stowe, DEC-Manager im Digital-PC-Bereich, beschreibt die neue Situation: "Ken Olsen (DEC-President, d. Red.) ist jetzt, was unsere PC-Aktivitäten betrifft, geradezu enthusiastisch." Und Kevin O'Neill, Vice-President der Research-Abteilung bei dem Marktforschungs-Unternehmen Business Research Group in Newton, Massachusetts, glaubt, daß DEC mit der Neuausrichtung auf das richtige Pferd setzt: "Die Leute bei Digital haben erkannt, daß PCs und PC-LANs für ihre Zukunft von entscheidender Bedeutung sein werden", wobei der Minicomputer-Hersteller mit der Anbindung seiner gut eingeführten und stabilen Decnet-Umgebung an die marktrelevanten PC-LAN-Netzbetriebssysteme sehr gute Chancen habe, sich am PC-Markt zu etablieren.

Dave Passmore, Netzwerk-Spezialist bei Ernst & Young in Fairfax, Virginia, weist dagegen darauf hin, daß das Geschäft mit Personal Computern knallhart sei: "Wenn es DEC jedoch gelingen sollte, in diesen Markt einzudringen und sich zu etablieren, dann Öffnen sich auch die Türen für Digitals Netzwerk-Softwareprodukte der Path-works-Familie und die VAX/VMS-Serverplattform."

Der Gesinnungswandel des DEC-Gründers Ken Olsen

Digital, die im zweiten Quartal des laufenden Geschäftsjahres 1,4 Milliarden Dollar - oder 41 Prozent des Gesamtumsatzes - für Serviceleistungen einnehmen konnte, stellt bei dem auf der CeBIT vorgestellten PC-Integrationskonzept ganz auf Dienstleistungen ab: In einem "Mission Statement" legte der Mini-Macher seine Sicht eines umfassenden Lösungsangebotes dar, das unter anderem vorsieht, DEC-eigene PC-Integrationsprodukte über einen erweiterten Distributoren- und Fachhandelskanal zu vertreiben. In der Digital-Organisation ist die Task-Force "Decdirekt" als Direktverkaufsorganisation für das PC-Geschäft und die gesamte Desktop-Palette zuständig. Als frankierende Maßnahme sieht Digital ein Abkommen mit der Electronic 2000 Computer-Systeme GmbH über den Vertrieb aller DEC-PCs. Gemeinsam mit dem amerikanischen Rechnerhersteller soll das Vertriebs- und Servicehaus aus München kundenspezifische Konfigurationen und Installationen, Vernetzungen sowie Schulungen durchführen.

Außerdem schloß man Verträge mit zwei Distributoren ab, die ab sofort für die Vermarktung der DEC-spezifischen PC-Integrationsprodukte verantwortlich zeichnen.

Die Adcomp Datensysteme GmbH, Unterhaching, konzentriert sich aufgabenteilig auf die DEC-spezifische PCSA-Produktgruppe (Personal Computing System Architecture), die seit einigen Monaten unter der Bezeichnung "Pathworks" angeboten wird und ein Set von PC-Integrationswerkzeugen zur Einbindung von PCs sowie MAC-Rechnern in die VAX/VMS- beziehungsweise Ultrix-Welt unter DOS und OS/2 beinhaltet.

Hierzu gehören das Hard- und Software-Serverpaket "Pathworks Server 3100" und die Ethernet-PC-Controller-Karten "DEC Etherworks LC", "Turbo", "Turbo/TP" sowie "MC". Pathworks beinhaltet ferner ein Network Integration Kit.

Die DNS-Softsel GmbH, Olching, wiederum kümmert sich in Zukunft neben der Vermarktung der PCSA-Produkte um die Unterstützung von heterogenen Netzwerken sowie Kommunikationslösungen.

DEC präsentierte auf der CeBIT insgesamt fünf neue Rechner, die vom Notebook bis zum Multiprozessor-Server die ganze Leistungsbreite momentan verfügbarer PCs umfaßt.

Wie Hendrik C. Geissler, Marketing Manager bei der deutschen Digital GmbH, bestätigte, wurden sowohl der Notebook "Decpc 320sx" als auch der "Decpc 333"-Laptop sowie zwei neue Rechner-Modelle für die Decstation-Linie- "Decstation 316" und "Decstation 320" - zusammen mit Olivetti entwickelt. Gänzlich in Eigenentwicklung entstand das Multiprozessorsystem "Application DEC 433 MP" (die CW berichtete), das mit maximal sechs 486-CPUs von Intel bestückt werden kann.

Der Notebook-Rechner ist baugleich mit dem in Berlin von Olivetti vorgestellten Notizblock-PC (vergleiche CW Nr. 11 vom 15. März 1991, Seite 43, "Olivetti und TA setzen ..."). Er arbeitet mit einem 386SX-Prozessor, besitzt ein hintergrundbeleuchtetes LC-Display, einen auf 6 MB ausbaubaren Arbeits-Speicher von 2 MB, ein integriertes Mousepad und Festplatten mit entweder 40 oder 60 MB Kapazität. Eine Erweiterungseinheit wie bei vergleichbaren IBM- oder Compaq.Produkten kann ebenfalls erstanden werden.

Auch der Decpc 333 Portable entspricht dem Olivetti-Tragbaren. Wesentliche Charakteristika des italienisch-amerikanischen Gemeinschaftsproduktes sind die 33.Megahertz-CPU auf 386-Basis, ein Arbeitsspeicher mit 2 MB (20 MB) und ein Monitor mit 640 x 480 Pixel Auflösung, Mousepad, gleiche Festplattenspeicher sowie die Erweiterungseinheit.

Die Desktop-PCs Decstation 320 und 316 stellen Fortführungen der DEC-PC-Linie dar: Anfang des Jahres hatte man bereits die beiden Intel-Rechner Decstation 425 und 325 vorgestellt. Decstation 320 und 316 sind PCs mit 386SX-CPU, VGA-Bildschirm, drei ISA-Steckplätzen sowie Festplattenlaufwerken von 40 bis 100 MB (Modell 320 mit maximal 200 MB). Beide Modelle werden auch ohne Massenspeicher ausgeliefert.

Eine Eigenentwicklung von DEC ist der Server Application. DEC 433 MP. Bis zu sechs 486-CPUs mit 33 Megahertz arbeiten entweder unter SCO Unix- oder Open-Desktop jeweils mit der Multiprozessor-Erweiterung MPX zusammen. Der erstmals auch in Deutschland präsentierte Rechner kann bis zu 128 Arbeitsplätze bedienen, SCSI.Plattenspeicher bis zu 4,8 GB Kapazität stehen zur Verfügung. DOS-Anwendungen laufen nach Aussagen von DEC-Manager Geissler unter SCO-Unix im Native Mode.

Alle vorgestellten Modelle sind ab sofort verfügbar. Grundkonfigurationen der Decstations -320 und 316 kosten zwischen 4000 und 4500 Mark, für die Installation des Multiprozessor-Servers 433MP muß der Kunde mindestens 36 000 Mark bezahlen, in der Top-Ausführung liegt der Preis allerdings bei 200 000 Mark.