Kahn macht Preiskrieg für magere Ergebnisse verantwortlich

PC-Softwareschmiede Borland entläßt weltweit 350 Mitarbeiter

18.12.1992

MÜNCHEN (CW) - Eine unschöne Weihnachtsüberraschung bescherte Borland Chairman, -CEO und -Präsident Philippe Kahn seinen Mitarbeitern. Nachdem die Aktie der im kalifornischen Scotts Valley beheimateten Borland International Inc. innerhalb dieses Jahres von 80 Dollar auf 21,5 Dollar gefallen war, entschied Kahn, weltweit 15 Prozent der Belegschaft vor die Tür zu setzen.

Auch für die Anbieter von PC-Software sind die fetten Jahre vorüber. Der Konkurrenzkampf wird zunehmend über den Preis ausgefochten, die Profitmargen sinken, die erfolgsverwöhnten Software-Unternehmen geraten ins Trudeln.

Erstes spektakuläres Beispiel ist die Borland Inc.: Von der im Oktober 1991 vollzogenen Übernahme des Mitbewerbers Ashton-Tate hatte sich das Unternehmen nur langsam erholt. Nicht nur wies die Bilanz für das im März beendete Geschäftsjahr 1991/92 einen Nettoverlust von mehr als 110 Millionen Dollar aus, auch die Ergebnisse des ersten Halbjahres 1992/93 blieben weit hinter den Vorjahreszahlen zurück.

Zusätzlich geschwächt wurde das Unternehmen durch einen

Rechtsstreit mit der Lotus Development Corp., der bislang zu ungunsten Borlands verlief Die voraussichtlich um mehr als ein halbes Jahr verspätete Auslieferung der Windows-Versionen von Paradox und Dbase trägt ebenfalls dazu bei, daß 1992 für Kahn, so der Borland-Chef gegenüber der CW-Schwesterpublikation "Computerworld", "das schlechteste Jahr meines Lebens" war.

Für die mageren Ergebnisse der vergangenen sechs Monate macht Kahn aber vor allem den Preisverfall auf dem PC-Softwaremarkt verantwortlich. Seiner Darstellung zufolge haben Anbieter wie Lotus Development und Microsoft einen Preiskrieg entfacht, der unweigerlich zu einer veränderten Preisstruktur mit geringen Nutzungsgebühren und knappen Gewinnspannen führen wird.

So bietet Microsoft in den USA noch bis zum Jahresende die Windows-Ausführung des Datenbankprodukts Access für weniger als 100 Dollar an. Ab Januar wird die Einmallizenz dann für einen immer noch günstigen Preis von knapp 500 Dollar zu haben sein. Das trifft die Borland Inc., die einen Großteil ihres Umsatzes mit Datenbanken macht, an ihrer empfindlichsten Stelle.

Allerding vergißt Kahn bei seinem Lamento, daß er selbst zu dieser Entwicklung beigetragen hat: In den USA lockte Borland, die Anwender von Konkurrenzprodukten mit dem Angebot" gegen eine einmalige Gebühr von 99 Dollar auf die eigenen Produkte umzusteigen.

Der Wert der Borland-Aktie sank mittlerweile auf ein Viertel dessen, was sie Anfang dieses Jahres gekostet hatte Nach den ungeschriebenen Gesetzen der, US-Börse mußte Kahn diesen Kurssturz mit Entlassungen beantworten. Die Leidtragenden sind insgesamt 350 Borland-Mitarbeiter, von denen etwa ein Drittel außerhalb der USA beschäftigt sind. Auch die 108 Köpfe zählende Belegschaft der Borland GmbH, Langen, verringert sich voraussichtlich um 16 Mitarbeiter.

Mit den Entlassungen geht eine Neustrukturierung des Borland-Managements einher. So sollen Forschung und Entwicklung sowie Produkt-. Management und Marketing künftig zusammengefaßt und die einzelnen Produktlinien stärker integriert werden.

Wallstreet reagierte überraschend negativ auf die Ankündigung dieser Kostensenkungsmaßnahmen: Anstatt zu steigen, sank der Kurs der Borland-Aktie um weitere 75 Cents auf 20,75 Dollar.