Durch Raubkopierpraktiken Existenz der Branche bedroht:

PC-Software-lndustrie fordert Produktschutz

18.03.1988

MÜNCHEN - Weltweit gehen derzeit Software-Anbieter als auch -Anwender auf die Barrikaden: Sehen viele Programmentwickler ihre Existenz zunehmend durch den illegalen Vertrieb von Raubkopien bedroht, fordern Anwender-Vereinigungen ihrerseits mehr Recht für eine individuelle Nutzung der Softwareprodukte. Eine Lösung ist für beide Gruppen noch nicht in Sicht.

In einem offenen Brief an die Bundesminister Blüm, Stoltenberg, Bangemann und Riesenhuber sowie den bayerischen Ministerpräsidenten Strauß weist die Vereinigung zur Förderung der Deutschen Software-Industrie (VSI), München, auf die unzureichende Rechtslage in puncto Softwareschutz hin (siehe Seite 4). Verluste in Millionenhöhe seien die Folge.

"Wir fordern, daß Kunden nur Originalprogramme kaufen und nutzen dürfen", kommentiert Peter Lorenz, Geschäftsführer der SPI Software Products International (Deutschland) GmbH, München, und 1. Vorsitzender des VSI. "Vor Softwaredieben sind auch Individualpakete oder Programme für Großsysteme nicht sicher. Wir werden deshalb mit allen Mitteln gegen den Programmklau kämpfen."

Die Software-Lobby verlangt die Erhaltung des lauteren Wettbewerbs und fordert einen wirksamen Schutz gegen die Piraterie mit urheber- und warenzeichenrechtlich geschützten SW-Produkten. Die Software-Industrie sei bei weitem nicht die sichere und wachstumsstarke Branche, als die sie oft fälschlich dargestellt werde, sondern mittlerweile "eine Branche unter größter Bedrohung". Die Politiker seien aufgefordert, jetzt zu diesen Punkten Stellung zu beziehen, heißt es in einem Anschreiben.

Auch in den Vereinigten Staaten fühlen sich die Weichwerker vom "Programmklau" bedroht: Sie sehen ihr Exportgeschäft durch die Raubkopien in Europa und Asien gefährdet. Die US-Herstellervereinigung Adapso will deshalb ihren Druck auf Regierungsbehörden und private Organisationen ebenfalls verstärken. "Wir werden durch die Software-Piraterie in Übersee von künftigen Märkten ausgeschlossen", behauptet Christopher Carleton, Direktor für Öffentlichkeitsarbeit bei Adapso. "Uns gehen da immense Summen verloren, doch die Crux bei der Diskussion um Raubkopien ist der Mangel an konkreten Zahlen."

Die Anwender sollen mehr Rechte bekommen

Glaubt man einem Ende Februar veröffentlichten Bericht der Internationalen Handelsorganisation (ITC), mußten die amerikanischen Hardware- und Software-Anbieter im Jahre 1986 durch den Vertrieb von Raubkopien insgesamt 4,1 Milliarden Dollar in den Wind schreiben. Nach Angaben des Reports belaufen sich die Verluste allein für die Software-Industrie auf jährlich rund 128 Millionen Dollar, verursacht durch den illegalen SW-Vertrieb in zehn Ländern.

Die Anwender haben dagegen andere Sorgen: Sie fühlen sich ihrerseits von der Software-Industrie durch zu enge Schutzbestimmungen bei Programmen geknebelt. Jetzt legten die Confederation of European Computer User Associations (CECUA), Brüssel, und die britische Anwender-Vereinigung National Computer Users Forum (NCUF) einen gemeinsamen Entwurf für eine "Benutzer-Urkunde" vor, die dem Anwender einschneidende Rechte beim Einsatz von gekaufter Software einräumen und entsprechende Schadensersatzforderungen gewährleisten soll.

"Bis 1992 sollen transeuropäische Netze installiert sein", begründet CECUA-Präsident Frank Taylor die Forderungen seiner Organisation. "Der Zugriff über Netze wird auch die Bemühungen um den Schutz für bestimmte Programmkopien sowie für ihren Vertrieb beträchtlich herabsetzen." Diese Kopien sollten jedoch zu Bedingungen verfügbar sein, die sowohl für den Händler als auch für den Anwender akzeptabel seien.

So verlangt die CECUA für den Benutzer künftig das Recht, gekaufte, geleaste oder gemietete Programme nach eigenem Gutdünken in Netzwerken einzusetzen. Falls darüber hinaus ein Programm speziell für einen Anwender entwickelt würde, solle dieses in sein Eigentum übergehen oder wenigstens - wenn und wann immer vom Anwender gefordert - Zugang zum Source-Code gewährt werden. Ferner solle einem Lizenznehmer das Recht eingeräumt werden, im Falle einer nicht mehr gewünschten Nutzung der Software einen Nachfolger zu bestimmen. Dieser dürfe dann das Nutzrecht gegen Entrichtung einer Bearbeitungsgebühr bis zum Ende der Lizenzperiode in Anspruch nehmen. Zudem sollen die Hersteller künftig für alle Fehler geradestehen, die trotz eines korrekten Umgangs mit der Software entstehen.