Big-Blue-Engagement zu Beginn eines neuen Produktzyklus besonders attraktiv:

PC-Probleme ohne Auswirkung auf IBM-Aktie

06.07.1984

LEIMEN (hr) - Der Markt für Titel aus dem Bereich der Spitzentechnologie befindet sich seit mehr als einem Jahr in einer Baisse-Phase. Die meisten Wall-Street-Experten können derzeit noch keinen Silberstreifen am Horizont erkennen. Auch die Aktie von International Business Machines (IBM) wurde von dieser Strömung erfaßt.

Während aber zahlreiche technisch ausgerichtete Analytiker die Chancen dieses Titels auch weiterhin eher negativ beurteilen, vertreten nahezu alle bedeutende amerikanische Brokerhäuser eine radikal andere Meinung. Mit Hinweis auf die positiven fundamentalen Faktoren des Unternehmens raten sie einhellig massiv zum Kauf der Aktie.

In jüngster Zeit hatte die Besorgnis der Anlegerschaft über mögliche negative Auswirkungen der wiederholten Preissenkungen bei den PCs und über eine strengere Auslegung der Antitrust-Bestimmungen der Europäischen Gemeinschaft den IBM-Titel unter starkem Druck gestellt. Nach Ansicht der Broker dürften diese Aspekte jedoch bereits im Kurs berücksichtigt sein. Die Preissenkungen zielen nach Ansicht von Merrill Lynch nicht darauf ab, vorhandene Lagerbestände (die in der europäischen Fachpresse als unerwartet hoch beziffert werden) abzubauen, sondern seien eher als eine Maßnahme zur Erhaltung und Förderung der Wettbewerbsfähigkeit und zu einer weiteren Anregung der Nachfrage zu verstehen. Dies um so mehr als die Aufrüstung der PCs um neue Funktions- und Leistungsmerkmale eine wichtige Rolle dabei spiele. Die neue IBM-Strategie sei nämlich auf die Erzielung hoher Stückumsätze mit kostengünstigeren Modellen ausgerichtet, heißt es.

Neben diesem Aspekt scheint man sich am Aktienmarkt auch die Frage zu stellen, wie die Nachfrage nach Mikrocomputern auf eine deutliche Abschwächung der Konjunktur in den Vereinigten Staaten im nächsten Jahr reagieren würde. Prudential-Bache Securities vertritt die Auffassung, daß IBM zu jenen Unternehmen gehören wird, die von einer derartigen Möglichkeit am wenigsten beeinträchtigt würden. Dabei wird auch darauf verwiesen, daß die Entwicklung von nicht weniger als acht neuen Mikrocomputern so weit gediehen sei, daß sie im Lauf des nächsten Jahres je nach Marktlage und Nachfrage kurzfristig auf den Markt gebracht werden könnten.

Bei Dean Witter Reynolds rechnet man damit, daß die neue Rechnerfamilie "Sierra" die die Angebotspalette von IBM bei Großrechnern nach oben hin ergänzen soll, in etwa sieben Monaten eingeführt werden wird. Der Broker weist ausdrücklich darauf hin, daß in der Vergangenheit der strategisch günstigste Zeitpunkt für ein Engagement in der IBM-Aktie jeweils vor dem Beginn eines neuen Produktzyklus bei Großrechnern gelegen habe.

Abgesehen von den Entwicklungen im Produktbereich gibt es nach Überzeugung der Broker weitere positive Faktoren, die dafür sprechen, daß sich die IBM-Aktie künftig besser entwickeln wird als der übrige Markt. Hier sind zunächst die überdurchschnittlichen Gewinnwachstumschancen zu nennen. Die Prognosen für die Zuwachsraten reichen von 15 bis 20 Prozent im Jahr. Für das Geschäftsjahr 1984 erwartet man einen Gewinn zwischen 10,50 und 10,75 Dollar je Aktie, der dann 1985 auf 12,50 bis 12,55 Dollar steigen dürfte.

Die Kapitalrendite, eine weitere wichtige Kennziffer bei der Effektenbeurteilung, liegt gegenwärtig um 50 Prozent über dem Wert für ein durchschnittliches Unternehmen, das im Index von Standard Poor's erfaßt ist. Die Verschuldung beläuft sich auf lediglich 10 Prozent des Gesamtkapitals. Außerdem stehen dem Unternehmen über IBM Credit Corp. Finanzierungsalternativen zum Kapitalmarkt zur Verfügung.

Prudential-Bache ist der Auffassung, daß die IBM-Aktie derzeit unter den Technologiewerten das günstigste Verhältnis zwischen Risiko und Gewinnchancen aufweist. Dean Witter betrachtet den Titel als unterbewertet, und Merrill Lynch glaubt daß die Diskrepanz zwischen Bewertung durch den Markt und Gewinnwachstumsaussichten nur von kurzer Dauer sein wird.