Direktvertrieb hat goldenen Boden

PC- Newcomer Dell Computer kennt keinerlei Absatzprobleme

14.06.1991

MÜNCHEN (jm)- Während die meisten PC-Hersteller derzeit kürzer treten, läuft es bei dem Direktvertriebsspezialisten Dell Computer: Das fiskalische Jahr 1991 (31. Januar 1991) schlossen die Texaner ,aus Austin mit einem Umsatz von 546 Millionen Dollar weltweit (Vorjahr 388 Millionen Dollar) ab, der Gewinn stieg von fünf auf 27,2 Millionen Dollar. in München präsentierten Geschäftsführer Michael P. Ammel und Marketing-Leiter Harald Henn vier neue Rechnermodelle, unter anderem ein System mit Intels neuem 486SX-Prozessor.

Der Direktlieferant von PC-basierten Lösungen, der mit seinen außeramerikanischen Filialen 36 Prozent des Geschäftes bestreitet und in Europa mittlerweile in Großbritannien, Deutschland, Frankreich, Italien, Schweden, zukünftig in Finnland und seit dem 2. Juni 1991 auch in Spanien ansässig ist - zeigte sich angesichts der positiven Geschäftsentwicklung auch entsprechend selbstbewußt.

Natürlich ließ es sich Ammel nicht nehmen, ausführlich auf das Ergebnis des kalifornischen Marktforschungsunternehmens J.D. Power & Associates einzugehen: Die Analysten um President j. David Power III hatten bei rund 2200 kleinen und mittelständischen Unternehmen deren Zufriedenheit mit den jeweils benutzten PCs erforscht und Dell-Systeme mit 125 Punkten bei einem Bezugswert von 100 auf Platz eins positioniert.

Damit ließen die Texaner renommierte Marken wie Apple, AST, HP, Everex, Compaq, Epson, Toshiba und NEC hinter sich. Die IBM fand mit ihren Rechnern Überhaupt keinen Zugang zum Club der anwenderfreundlichen PC-Anbieter, weil sie die Qualifikationshürde von 100 Punkten nicht übersprang.

Auch Compuadd rangierte auf der Zufriedenheitsskala hinter Dell.

Überhaupt scheint der zweite PC-Direktanbieter, der vergangenen Herbst in Deutschland gegen Dell antrat, der auf 110 Mitarbeiter angewachsenen Langener Mannschaft kaum mehr Kopfzerbrechen zu bereiten: "Wir haben mittlerweile aufgehört, unsere Vertriebsleute in der Telefon-Sales-Abteilung nach Compuadd zu befragen. Die signalisieren nur noch Entwarnung", wiegelt Marketing-Boß Henn Fragen nach Auswirkungen auf das eigene Geschäft ab.

Um sein europäisches Engagement zu verstärken, hat Twen Michael Dell eine neue Strategie ausgebrütet: Bislang wurden die Einzelteile aller Dell-Rechner bei der Mutter in Austin hergestellt, die Einzelkomponenten baute man dann in den europäischen Niederlassungen wie Bracknell, England, oder in Langen zusammen.

Seit Anfang Mai produziert Dell in Limerick, Irland, wobei innerhalb der nächsten drei Monate die gesamte Produktpalette abgedeckt sein soll. "Limerick nimmt uns unsere Arbeit des Rechnerzusammenbaus ab", meint Ammel und glaubt, "das schafft bei uns Kapazitäten für Value-added-Dienstleistungen".

Unterstützung finden die Deutschen durch das ebenfalls neu etablierte Support-Center in Amsterdam, mit dem man europäischen Kunden nach Worten von Dell-Manager Martin Slagter ein Signal geben will: "Sie sollen wissen, daß Dell europaweit hohe Support-Kompetenz gewährleisten kann."

In Deutschland versichert sich der Direktvertreiber, der auch eine eigene Hotline betreibt bei schwierigeren Technologieproblemen beim Anwender der Dienste von Sorbus, Tochter der US-amerikanischen Bell-Atlantic-Mutter.

Anläßlich der Münchner Pressekonferenz stellte das Unternehmen mit Niederlassung in Langen vier weitere PC-Systeme (siehe Kasten) vor, die die bisherige Angebotspalette vom "System 210" mit 286-Prozessor, bis zum "System 433DE" mit 486-CPU (33 Megahertz) auf 13 Modelle anwachsen lassen.

Die Modelle "320SX "433P" liefert Dell in sogenannten Slimline-Gehäuse aus. Modell "420DE" beherbergt den neuen Intel-Prozessor 486SX, der im Gegensatz zu seinem ausgewachsenen 486-Pendant nicht mit einem Koprozessor bestückt ist.

Zu guter Letzt rundete man die Rechnerpalette noch mit System "433DE" und dem momentan leistungsfähigsten 486-Baustein mit 33 Megahertz Taktrate ab.

Die Texaner gehören überdies zu den Kandidaten, die als erste Intels 50-Megahertz-486-CPU in ihre Rechner einbauen wollen. Allerdings scheint es um diesen in zwei Varianten offerierten Chip noch einiges Rätselraten zu geben: Obwohl Intel eisern am Vorstellungstermin

Ende des Monats auf der New Yorker PC-Expo festhält, scheint es nach den Aussagen einiger PC-Hersteller Produktionsschwierigkeiten zu geben: "Intel hat uns signalisiert, daß es wahrscheinlich erst Mitte des vierten Quartals 1991 in Mengen liefern kann" meinte ein Hersteller.

Dem wachsenden Innovationstempo beziehungsweise den kürzeren Entwicklungszyklen in der PC-Technologie trägt Dell bei den Systemen 420DE und 433DE mit Prozessor-Steckkarten Rechnung: Die CPUs sind bei beiden Rechnermodellen nicht mehr auf der Platine aufgebracht, sondern auf Steckkarten. Fortschritte bei der Prozessorentwicklung kann der Dell-Anwender deshalb voll ausnutzen, da zum Aufrüsten auf neue CPUs wie etwa Intels 586-Chip nur mehr die Prozessorkarte des bestehenden PCs ausgetauscht werden muß.

Ein ähnliches Konzept hat auch ALR kürzlich vorgestellt, ähnlich konzipierte Aufstiegspfade - allerdings von Fremdanbietern - gibt es auch für bestimmte Compaq- und IBM-PS/2-Rechner.

Beim Thema Absatzmarkt Ostdeutschland zeigte sich der ehedem recht euphorische Geschäftsführer Ammel - wie viele andere Branchen-Insider- sehr ernüchtert. Es werde wohl noch zwei Jahre dauern, bis das Geschäft in den neuen Bundesländern lohnend sei. Zwar sei die "Vollkasko-Mentalität" der neudeutschen Bürger verständlich und ihnen nicht vorzuwerfen, Geschäfte jedoch ließen sich auf solch einer Basis nicht verwirklichen.

Die Preise des Direktvertreibers sind dank der Umgehung von Zwischenhändlern durchaus attraktiv: Ein 420DE-Rechner kostet in der Grundausstattung - 4 MB Arbeitsspeicher, 80 MB Festplatten strahlungsarmer Schwarzweiß-VGA-Monitor - etwa 9300 Mark, für die gleiche Einstiegskonfiguration beim 433DE-System muß der Käufer 12 700 Mark zahlen, der 433P (2 MB, 40 MB HD, gleicher Monitor) kommt auf 10 800 Mark, und den Einstieg in die 32-Bit-Welt mit dem 320SX-PC bei gleicher Ausstattung (allerdings 1 MB Arbeitsspeicher) muß sich der Anwender 4300 Mark kosten lassen.