Uniform bis zur Eintönigkeit

PC-Markt: Mitschwimmen oder untergehen

08.03.2002
Für die PC-Hersteller war das Jahr 2001 eine einzige Katastrophe. Markteinbrüche in den USA und Europa, brutale Preiskämpfe, schwindende Margen, Verluste vielerorts. Zu allem Überfluss unterscheiden sich sowohl die Produkte als auch die Vertriebsstrategien der großen Hersteller kaum noch.

Nach Jahren kontinuierlichen Wachstums im zweistelligen Bereich fasste die Rezession die PC-Hersteller 2001 sehr rüde an. Auch in früheren Zeiten nur selten mit schwarzen Zahlen gesegnet, obwohl sie immer mehr PCs verkauften, erlebten die Hersteller von Tischgeräten und Mobilcomputern in den vergangenen zwölf Monaten ein wirtschaftliches Desaster: Nach Zahlen des Marktforschungsinstituts Gartner Dataquest brach der wichtigste PC-Markt, die USA, mit einem Stückzahlenrückgang von 11,1 Prozent erheblich ein, Europa stagniert, Deutschland erlebte herbe Rückschläge.

Unterscheidung? Welche Unterscheidung?Außer den nackten Zahlen hat die PC-Branche noch ein anderes, gravierenderes Problem: Die Angebote der Hersteller sind gleichförmig bis zur Verwechselbarkeit. "PCs sind", sagt der Senior Consultant Wolfgang Schwab von der Meta Group Deutschland GmbH, "Commodity-Produkte geworden, die sich nur noch minimal unterscheiden." Konnte vor zehn Jahren Compaq mit schöner Regelmäßigkeit einen - wenn auch jeweils zeitlich begrenzten - technischen Vorsprung in der Abfolge der PC-Generationen anmelden, so existieren solche Unterscheidungsoptionen heute nicht mehr: "Es fehlt im reinen PC-Umfeld an Differenzierungsmöglichkeiten", konstatiert Schwab.

Insbesondere für Big Blue ist das PC-Geschäft ohnehin nur noch ein bezuschusstes Unterfangen. Michael Cerny, Direktor der Personal Computing Division (PCD) für die Central Region und Generalbevollmächtigter der IBM Deutschland GmbH, sagt unumwunden, sein Unternehmen betreibe "das PC-Geschäft ja nicht, um so viel Profit zu erzielen wie mit Software oder Großsystemen". Das wäre völlig unrealistisch. Vielmehr will Big Blue den gesamten Warenkorb der IT-Branche anbieten können: Hardware, Software und vor allem Service.

Abwegig wäre es allerdings, zu glauben, IBM werde sich aus dem PC-Geschäft verabschieden. Für den auf den internationalen PC-Markt spezialisierten Gartner-Analysten Ranjit Atwwal ist es undenkbar, dass die IBM - wie immer wieder gerüchteweise gemeldet wird - das PC-Geschäft komplett fallen lässt. "IBM geht es nur darum, mit den PCs die anderen, strategisch wichtigen Aktivitäten zu untermauern", meint der Mann aus London. Atwwal geht so weit zu sagen, dass es Big Blue gar nicht nötig hat, im PC-Geschäft gegen andere Anbieter zu bestehen: "IBM flankiert das wichtige Servicegeschäft mit den PCs, das ist die einzige Motivation für deren PC-Business." Meta-Group-Analyst Schwab verallgemeinert gar Atwwals These: "Die großen Anbieter bündeln PCs in Infrastrukturprojekte, das heißt, der Kunde entscheidet sich für Berater und Server-Technologien und kauft PCs mit."

IBM-Mann Cerny nennt allerdings einen weiteren Grund, warum PCs doch eine gewisse Bedeutung auch für einen Industriegiganten wie Big Blue haben: "Das PC-Geschäft ist für uns die Grundlage der Geschäftsbeziehung zu vielen mittelständischen Kunden und Partnern. Diese Basis würden wir natürlich bei einem Rückzug aus dem PC-Markt gefährden."

Allerdings argumentiert der Chef der Personal Computing Division von IBM Deutschland aus einer exklusiven Position. Im Gegensatz zu seinem Unternehmen, das sich das PC-Geschäft leistet, sind die Tischrechner und mobilen Systeme für Anbieter wie etwa Dell, Fujitsu-Siemens oder Compaq überlebenswichtig.

Compaq beispielsweise erzielt nach den Angaben von Hartmut Woerrlein, dem Leiter Deskbound and Consumer Products von Compaq Computer Deutschland, mit 43 Prozent einen signifikanten Anteil des gesamten Firmenumsatzes mit Produkten der Access Business Group (ABG). Hierzu zählen alle Desktop-PCs, Notebooks sowie die erfolgreichen Ipaq-PDA-Modelle. HPs Abhängigkeit von PCs, Notebooks und Handhelds ist nicht so stark, stellt mit rund 21 Prozent vom Gesamtumsatz aber eine signifikante Größe dar. Dell andererseits erwirtschaftet mit Desktop- und Portable-Systemen sogar 82 Prozent seines gesamten Firmenumsatzes. Ulli Kemp, Geschäftsführer von Fujitsu-Siemens Deutschland, hierzulande mit einem Marktanteil von 20,4 Prozent eindeutig der PC-Primus, sagt: "Der PC-Markt besitzt für uns strategische Bedeutung. Als hardwareorientiertes Unternehmen müssen wir auch das gesamte Hardwareportfolio abdecken."

Einfallsreichtum im VertriebDie PC-Hersteller stecken aber in einer vielschichtigen Zwangslage: Die Märkte zeigen deutliche Zeichen einer Sättigung. Die PC-Branche ist wie alle anderen Industriesegmente von der rezessiven Wirtschaftslage betroffen. Darüber hinaus treiben Technologieentwicklungen wie neue Intel-CPUs oder - wie Gartner jüngst anmerkte - neue Betriebssysteme wie Windows XP die PC-Verkäufe längst nicht mehr so an, wie dies früher der Fall war. Zumindest die kommerziellen Käufer vollziehen nicht mehr bereitwillig jede Technologieneuerung nach.

Neben der Gleichförmigkeit der Systeme sind auch dem Einfallsreichtum beim Vertrieb der Rechner Grenzen gesetzt. Dell nimmt unter den großen PC-Herstellern eine Ausnahmeposition ein. Das Unternehmen hat sein direktes Vertriebsmodell seit nunmehr bald zwei Jahrzehnten kontinuierlich verfeinert und ist nicht vom Wohlwollen eines Vertriebspartners abhängig. Was Gartner-Mann Atwwal als "extrem effizientes BTO-Modell" bezeichnet, erkennt mittlerweile sogar die Konkurrenz als beispielhaftes Produktionsmodell an. Meint Markus Fischer, Vertriebsdirektor bei HP: "Dell ist das Paradebeispiel, wie man die Backend-Struktur, also die Supply Chain, mit dem Frontend, also dem Vertriebsansatz, verbindet."

Demgegenüber sind die Strategien, PCs so schnell wie möglich aus der Produktion über den Vertriebskanal auf den Tisch des Kunden zu bekommen, bei allen anderen Herstellern fast deckungsgleich und bieten ebenfalls kaum Spielraum für Differenzierungsmöglichkeiten. Sogar die Namen für die Vertriebsmodelle unterscheiden sich kaum.

CTO ist nicht BTO ist nicht CTOHP etwa entwickelte drei Supply-Chain-Modelle: "Top Value", "Ecto" (Extended configure to order) und ein BTO-Konzept (BTO = Built to order). Bei IBM lauten die entsprechenden Vertriebsprogramme "Top Seller" und "Premier Top Seller". Daneben wartet Big Blue mit einer auftragsorientierten Fertigung und einer CTO-Produktion (CTO = Configure to order) für Sonderwünsche auf. Fujitsu-Siemens nennt seine Lieferketten-Modelle "Value-4-you" und "Customized PC". Daneben fährt das japanisch-bajuwarische Unternehmen ein CTO- und ein BTO-Programm. Und auch Compaq hat ein BTO-System entwickelt, das dem HP-BTO-Modell ähnelt. Für spezifischere Kundenanforderungen unterstützen die Texaner zudem ein in fünf Stufen geschachteltes CTO-Programm.

HPs Top-Value-Vertriebskonzept - bei IBM vergleichbar das Top-Seller-, bei Fujitsu-Siemens das Value-4-you-Programm - kann dabei als Muster für die Strategie aller anderen Hersteller herhalten: Mit Partnern wie Macrotron oder Techdata hat das Unternehmen eine begrenzte Zahl standardisierter PC-Systeme definiert. Dieses Design kann nicht geändert werden. Es ist auf Massenfertigung und auf den Mittelstand ausgerichtet. Vorteil für die Partner: HP garantiert, die Lager des Vertriebskanals immer rechtzeitig aufzufüllen und für die Rechner Service beim Kunden zu leisten. Vertriebsdirektor Fischer sagt, durch das seit zwei Jahren zunehmend effizient gestaltete Top-Value-Konzept lasse sich der Lagerumschlag auf zehn bis zwölf Tage reduzieren.

Compaq, wirbt dessen PC-Verantwortlicher Woerrlein, hat ein ganz ähnliches Programm: "Top Value haben wir im Prinzip auch. Das sind Produkte, die bestimmte Preispunkte treffen und die in regelmäßigen, quartalsweisen Zeitspannen bezüglich ihres Innenlebens, ihrer Komponenten also, verändert werden."

Auch die IBM spricht Mittelstandskunden mit standardisierten PC-Konfigurationen über Vertriebspartner wie Actebis, Also und Ingram Macrotron an. Oft, wie im Fall Techdata (HP) oder Fujitsu-Siemens (Actebis), sind diese Partner sogar die gleichen wie bei der Konkurrenz.

Eine Verfeinerung des Top-Seller-Angebots stellt das Premier-Top-Seller-Modell dar. Hier kommunizieren in Zukunft alle Vertriebspartner und IBM ausschließlich über EDI-Verbindungen. Der Lagerumschlag ist noch schneller, sagt Cerny. IBM garantiert dabei ein so genanntes Autoreplenishment, womit der IBM-Manager die kontinuierliche und schnellstmöglichste Belieferung der vier Distributionspartner meint. Cerny: "Wenn bei den Partnern bis 17.00 Uhr die Order eingeht, garantieren wir die Lieferung binnen 24 Stunden."

Natürlich ist man auch bei Fujitsu-Siemens auf ähnliche Vertriebskonzepte verfallen. Beim Value-4-you-Prinzip bietet das Unternehmen fünf Standard-PC-Konfigurationen ausschließlich über Distributoren an. Anders beim in der Begrifflichkeit übrigens völlig verschiedenen CTO-Modell: Hier vertreibt Fujitsu-Siemens seine gesamte System-Produktpalette von rund 40 Standardkonfigurationen über Distributoren. Wie bei Value-4-you können auch hier die einzelnen Systemkonfigurationen nicht verändert werden.

Einzigartig, so Ulli Kemp, Geschäftsführer von Fujitsu-Siemens Deutschland, sei allerdings das "Customized-PC"-Konzept. Kemp sagt, als einzigem Hersteller überhaupt sei es seinem Unternehmen hier möglich, für Kunden jede nur gewünschte Zusammenstellung von Komponenten in einem System zu fertigen. "Allerdings machen wir das erst ab Bestellungen von 1000 PCs." Möglich sei das auch nur deshalb, weil Fujitsu-Siemens anders als die gesamte Konkurrenz in den Produktionsstätten in Augsburg und Sömmerda alle PCs ausschließlich selbst fertigt.

Je nach Bedeutung des Kunden können allerdings sehr wohl auch IBM, HP und Compaq ein hohes Maß an Individualisierung bei PC-Konfigurationswünschen erfüllen. Bei Compaq wie auch bei IBM geschieht dies über einen teilweise sehr feinstufigen CTO-Vertriebsprozess. Der ist allerdings nur für Bestellungen mit hohen Stückzahlanforderungen gedacht.

Jan-Bernd Meyer

jbmeyer@computerwoche.de

Was bringt die Zukunft?Gleichförmigkeit in den Produkten und bei den Strategien zwingt zur Frage nach der Zukunft. Die beantworten die Analysten der Meta Group ganz klar: Im Wesentlichen wird sich der PC-Markt konsolidieren um die "Final four", die vier Topanbieter Compaq, Dell, HP und IBM. Diese seien als einzige PC-Anbieter gerüstet, weltwirtschaftlichen und industriespezifischen Fährnissen zu begegnen. Viele andere Hersteller dürften ihr Engagement im PC-Markt entweder ganz einstellen oder erheblich zurückstecken. Nur wer niedrige Produktionskosten mit weltumspannenden Logistikfähigkeiten zu verbinden verstehe, werde mittelfristig noch Erfolg haben. Die Fähigkeit, kundenspezifisch zu fertigen, sei in diesem Zusammenhang nicht einmal das ausschlaggebende Kriterium. Wichtig werde künftig vor allem sein, PCs zur rechten Zeit an den rechten Ort zu liefern. Spätestens 2005 werden, sagt Meta Group, 85 Prozent aller PCs für kommerzielle Kunden von einem der vier Top-PC-Anbieter stammen. Für Hersteller wie Toshiba, Acer, Gateway oder Fujitsu-Siemens bleibe da nur die Nische - entweder produktspezifisch oder geografisch.

Abb: PC-Markt weltweit 2001

Herbe Einbrüche erlebten Compaq, HP und IBM im Jahr 2001. Quelle: Gartner Dataquest