PC-Manager sind die Integratoren von morgen Dietrich Lueben ueber die Kompetenzverlagerung in der Unternehmens- DV

25.03.1994

Kein PC-Manager wird versuchen, den klassischen DV- Verantwortlichen vom Chefsessel zu schubsen, sagt Dietrich Lueben, Leiter Buerokommunikation beim ADAC und Praesident der Anwendervereinigung Microcomputer Managers Association (MMA). Die Spezialisten fuer kleine Rechner fuehlen sich dem DV-Establishment aber dennoch gleichwertig. Als Systemintegratoren schuetzen sie die Unternehmen vor einem PC-bedingten, kontraproduktiven Auseinanderdriften der DV-Welt in den Fachabteilungen und der urspruenglichen Informationsverarbeitung. Der BK-Verantwortliche Lueben sprach mit CW-Redakteurin Stefanie Schneider ueber die neue Aufgabenteilung in den DV-Abteilungen.

CW: Verlieren die zentralen DV-Abteilungen an Macht?

Lueben: Frueher hat die DV-Abteilung gesagt, wo es langgeht - dieser Ausschliesslichkeitsanspruch ist nicht mehr aufrechtzuerhalten. Die Fachbereiche verfuegen mittlerweile ueber umfassendes Know-how und die Kapazitaet, etwas selbst zu realisieren. Der zentrale DV- Bereich ist fuer viele Aufgaben nicht mehr der Lebensnerv eines Unternehmens - ein Beispiel fuer diese Entwicklung ist Outsourcing. Ehemals firmeneigene Rechenzentren stehen als GmbHs ploetzlich in Konkurrenz mit externen Anbietern.

CW: Ausloeser dieses Trends waren die PCs. Die Mitarbeiter in den Abteilungen haben gesehen, welche Moeglichkeiten die Informationstechnik damit eroeffnet.

Lueben: Der PC-Einsatz in Deutschland stellt sich im Moment aber so dar, dass die manuelle in maschinelle Arbeit umgewandelt wurde, ohne viel ueber den Sinn oder das Kosten-Nutzen-Verhaeltnis nachzudenken. Mitarbeiter basteln zwei Stunden an einer Grafik, die sie frueher als Tabelle herausgegeben haben. Ein Verkaeufer sollte seine Zeit nicht damit verschwenden, negative Umsatzzahlen schoen aufzubereiten - er soll verkaufen. Ablaeufe mit Hilfe eines PC-Netzes zu organisieren, wird deshalb die Arbeit der naechsten zehn Jahre bestimmen; mehr Organisation innerhalb der DV-Welt fuehrt dann auch zum Return on Investment.

CW: Wer soll diese Optimierung durchfuehren?

Lueben: Man braucht einen Integrator, der die Organisation sowie die Mainframe- und PC-Welt ueberblickt. Hier entsteht ein wichtiges Berufsbild. Deshalb ist dieses Thema auch fuer die MMA von hoher Bedeutung.

CW: Koennen Fachabteilungen in bezug auf ihre IT-Loesungen ueberhaupt etwas selbstaendig in die Hand nehmen, wenn die DV-Spezialisten den Daumen weiterhin auf den Projektplaenen haben?

Lueben: In der Anwendungsentwicklung haben die Fachbereiche einen hohen Grad an Eigenstaendigkeit erreicht. Allerdings muessen gewisse Spielregeln in der hard- und softwaretechnischen Zusammenarbeit eingehalten werden. Dies zu gewaehrleisten wird eine unserer dringendsten Aufgaben sein.

CW: Wie stehen die Fachbereiche dazu?

Lueben: Frueher hiess es in den Fachabteilungen: "Man hat mit uns ein DV-Projekt gemacht" Heute sagen sie: "Wir machen ein Projekt und nehmen dafuer die Hilfe der DV in Anspruch." Wir werden permanent kontrolliert. Wenn ich einem kompetenten Fachbereichs-DV- Koordinator etwas sage, dann muss ich es begruenden. Das war vorher meist nicht der Fall, da galten DV-Entscheidungen als "gottgegeben".

CW: Kaempfen die PC-Manager gegen das DV-Establishment?

Lueben: Nein. Ich glaube, dass die Mikrocomputer-Manager in Zukunft die Rolle der Systemintegratoren einnehmen. Das hat nichts mit dem DV-Establishment zu tun. Grabenkriege finden immer weniger statt. Frueher hiess es: Das sind die Leute mit den Spieldosen. Heute finden Sie kaum mehr einen Systementwickler, der zu Hause keinen PC hat. Wir haben zu akzeptieren, dass diese Systementwickler ihr Know-how anbieten. Sie waehlen auch vermehrt Sprachen, die sich fuer den Host und den PC eignen, etwa Natural oder C.

CW: Die friedliche Koexistenz zweier Welten?

Lueben: Die Zeichen der Zeit sind erkannt worden - dies zeigt sich auch daran, dass es durchaus Mammutprojekte im PC-Bereich gibt. In der ADAC-Zentrale ist zum Beispiel die Geschaeftsstellen-Vernetzung schon lange ein Thema. Hier wurde der Grossrechnerspezialist zwangsweise mit PCs konfrontiert, weil er dafuer Programme schreiben muss. Umgekehrt hat die klassische Mikrocomputerwelt den Anspruch einer Produktionsumgebung nie gestellt, das kommt jetzt auf uns zu.

CW: Was veraendert sich fuer die PC-Spezialisten, wenn den PCs im Rahmen der unternehmensweiten Informationsverarbeitung mehr Aufgaben zufallen?

Lueben: Bisher war es unerheblich, wenn ein PC ausfiel - es betraf nur einen Arbeitsplatz. In einem PC-Netz mit Servern, Clients und der Mainframe-Anbindung gibt es Aerger, wenn ein Server oder ein zentraler Drucker nicht funktioniert. Diese Denkweise war dem klassischen Mikrocomputer-Manager bisher fremd. Das muessen wir von den Betreibern der Gross-DV lernen. Im Rechenzentrum ist der Betrieb 24 Stunden aufrechtzuerhalten. Am besten waere, die Betriebsverantwortung auch in bezug auf die PC-Welt an diese Leute abzutreten. Sie sind dafuer ausgebildet, dass sie diese Aufgabe bewaeltigen.

CW: Also nicht der heutige Mikrocomputer-Manager als kuenftiger DV- Leiter?

Lueben: Nein, das sehe ich nicht so - ganz im Gegenteil. Die Mikrocomputer-Manager, die ich kenne, haben keine formalistische Arbeitsweise. Um den Betrieb aufrechtzuerhalten, braucht man das aber. Die Leute muessen sich an Change-Management halten und vernuenftiges Trouble-Management machen, sonst gibt es Druck von den Fachbereichen. Wir Mikrocomputer-Manager verstehen uns mehr als Initiatoren. Unsere Aufgaben liegen im Evaluieren, im Entdecken neuer Verfahren und im Einfuehren. Allerdings auch darin, dass diese so geschaffene Welt ausfallsicher betrieben werden kann.

CW: Wie laeuft das in der Praxis ab?

Lueben: Wir haben hier ein Projekt initiiert: Telefax im Netz. Mein Bereich hat die Auswahl uebernommen, die Ausschreibung gemacht, Testinstallation durchgefuehrt etc. Wir werden die Loesung auch einfuehren. Den laufenden Betrieb gewaehrleistet dann sicherlich das Rechenzentrum.

CW: Wo wuenschen Sie sich in bezug auf Ihre taegliche Arbeit Innovation?

Lueben: Datenuebertragung per Modem, Druck und Archivierung werden uns mit Sicherheit noch schwer beschaeftigen. Speziell die Modems sind ein Drama. Da gibt es Geraete mit einer Transferrate von 14 400 Baud und hoeher, aber die Leitungen sind selten so gut, dass sie diese Geschwindigkeit aushalten. Da kommen dann Fehluebertragungen vor etc. Hier sind Innovationsschuebe dringend notwendig.