PC-Gigant kann nicht aufatmen Justizministerium in den USA vernimmt Manager von Microsoft

10.06.1994

MUENCHEN (CW) - Das amerikanische Justizministerium beginnt einem Bericht des "Wall Street Journal" zufolge mit ersten Vernehmungen von Microsoft-Managern. Beobachter, die mit dem wettbewerbsrechtlichen Verfahren gegen die Gates-Company vertraut sind, sehen darin den Auftakt fuer intensivere Ermittlungen gegen den Softwaregiganten.

Im Bemuehen, eine wasserdichte Anklage gegen Microsoft formulieren zu koennen, konzentrieren sich die Wettbewerbshueter nunmehr auf die sogenannten Nondisclosure Agreements (NDAs), der vertraglich abgesicherten Schweigeverpflichtungen, die Microsoft in der Vergangenheit mit anderen Unternehmen aus der Softwarebranche geschlossen hat (vgl. CW Nr. 17 vom 29. April 1994, Seite 1: "Microsoft uebt Druck..."). So zitiert die Wirtschaftszeitung einen Bericht des US-Fachblattes "Computer Reseller News".

Die in dieser Form nicht den Industrieusancen entsprechenden Verpflichtungserklaerungen, monierten seinerzeit Firmen wie Wordperfect, dienten allein einem Zweck: Microsoft wolle andere Software-Unternehmen daran hindern, Produkte zu entwickeln, die in Konkurrenz zu eigenen Anwendungen treten koennten.

In den NDAs hatte Microsoft unter anderem von den Independent Software Vendors (ISVs) - also von Konkurrenzunternehmen wie Lotus, Borland oder Wordperfect - verlangt, firmeninterne Informationsbarrieren zu errichten. Nur diejenigen Anwendungsentwickler sollten Einsicht in die Betaversion des zukuenftigen Microsoft-Betriebssystems Windows 4 erhalten, die Applikationen fuer die auch unter dem Namen Chicago bekannte Systemsoftware schrieben.

Anwendungsentwickler in den verschiedenen Softwarehaeusern fuer potentielle Chicago-Konkurrenzprodukte wie Opendoc, Unixware und Wabi haetten hingegen nach Microsofts Vorstellungen jahrelang nichts vom Innenleben der Windows-4-Software erfahren duerfen.

Von dieser Forderung ist Microsoft mittlerweile wieder abgerueckt. Die Tatsache, dass das Justizministerium den eigentlich ad acta gelegten Sachverhalt trotzdem genauer unter die Lupe nimmt, koennte nach Meinung von Fachleuten ein Indiz fuer die Zielstrebigkeit sein, mit der die Beamten sich des Microsoft-Falls annehmen moechten.