Retrievalprogramme beanspruchen viel Speicher

PC-Einbindung in CD-ROM-Netz setzt hohe RAM-Kapazität voraus

20.03.1992

Vor wenigen Jahren kamen die ersten Lösungen für den parallelen Zugriff auf CD-ROMs über PC-Netzwerke auf den Markt. Gerade für Bibliotheken, deren Dienstleistungsspektrum als generelle Informationsanbieter in den letzten Jahren außerordentlich gewachsen ist, bietet sich die Technologie der CD-ROM-Netzwerke an. Christian Heinisch* erläutert die Probleme und Möglichkeiten der CD-ROM im Netz und im Multimedia-Bereich.

Einhergehend mit der schnell wachsenden Anzahl von CD-ROM-Datenbanken hat sich ein interessanter Hardware- und Dienstleistungsmarkt entwickelt. Die überwiegende Mehrzahl der Retrievalprogramme ist für MS-DOS-Systeme ausgelegt. Mit weitem Abstand folgen Macintosh-Lösungen. Unix-Angebote müssen dagegen mit der Lupe gesucht werden.

So kann dem Informationssuchenden über PCs im öffentlichen Bereich der Bibliothek der Zugang zu einer Vielzahl von DBs gegeben werden, ohne daß dieser manuellen Kontakt mit der CD haben muß. Durch den Parallelzugriff auf dieselbe CD ist darüber hinaus die Nutzungslimitierung (zumindest technisch, nicht zwangsläufig rechtlich) aufgehoben.

Drei Wege für den Zugriff

Die Installation von CD-ROM-Netzwerken kann sich nicht auf das pure Bereitstellen von CD-ROM-Playern im Netz beschränken; vielmehr muß das installierende Systemhaus in der Lage sein, im Rahmen einer Komplettinstallation die vielfältigsten Anforderungen zu erfüllen: zentrale Benutzeroberfläche zur Auswahl der Recherchen, Protokollierung, Netzwerksicherheit, Lizenzsteuerung, Weiterverarbeitung von Recherchedaten und anderes mehr. In diesem Zusammenhang taucht nun beim Anwender immer häufiger die Frage nach Möglichkeiten des Zuganges auf CD-ROM-Datenbanken von entfernten PCs oder Hostterminals auf.

Technisch sind derzeit drei verschiedene Zugangswege eines MS-DOS-Retrievalprogrammes auf eine CD-ROM gangbar:

1. über DOS-Function-Calls, die über einen Redirector (meist MSCDEX) an einen sogenannten High-Sierra-Device-Treiber weitergegeben werden, über den schließlich der direkte Zugriff auf die CD erfolgt.

2. unter Verwendung von Function Calls auf die Schnittstelle des Redirectors, der die Anfragen dann an den High-Sierra-Device-Treiber weitergibt

3. durch Function Calls auf die Schnittstelle des High-Sierra-Device-Treibers.

*Christian Heinisch ist Geschäftsführer der Dr. Holthaus + Heinisch GmbH in Göttingen.

Diese Möglichkeiten werden von den Herstellern der Datenbanken und Retrievalprogramme in unterschiedlicher Weise genutzt. Daher kann eine umfassende Lösung für den CD-ROM-Netzwerkbetrieb nur dann funktionieren, wenn alle drei Wege beschreitbar sind.

Für CD-ROM-Netzwerke werden zur Zeit hauptsächlich dedizierte CD-ROM-Server-Lösungen angeboten, die mit den Retrievalprogrammen kommunizieren. Diese wiederum sind auf dem PC-Netzwerkserver gespeichert. Da ein Retrievalprogramm mit dem Speichern auf einem Server (leider) noch längst nicht netzwerkfähig wird, kommen hier neue Probleme hinzu. Sie können oftmals (einfach) nur durch Mehrfachkopieren der Retrievalprogramme oder (kompliziert) durch Patchen der Software gelöst werden. Hierbei entsteht ein rechtliches Problem der Netzwerknutzung und Lizenzierung.

Für den PC bedeutet die Einbindung in ein CD-ROM-Netzwerk zunächst den Hauptspeicher-Kollaps: Mit all den notwendigen Treibern bleibt ihm in aller Regel keine Luft (Memory) zum Laden der meist riesigen Retrievalprogramme mehr. Der PC ist nun zwar technisch in der Lage, CD-ROM-Recherchen im Netzwerk zu betreiben, kann aber das dafür notwendige Retrievalprogramm nicht mehr laden. Ohne das "Hochladen" von Treibern und ein effizientes Speichermanagement mittels DOS 5.0 und/oder Expanded Memory Managern ist ein Weiterkommen undenkbar.

Der Anwender wird durch die Retrievalprogramme mit völlig unterschiedlichen Benutzeroberflächen, Bedienungselementen und Installationsprozeduren konfrontiert. Bei CD-ROM-Datenbanken ist teilweise ein monatlicher Wechsel der CD mit kombiniertem Update der Retrievalsoftware erforderlich. Das bedeutet eine erhebliche Anforderung an den Systembetreuer, da ein CD-ROM-Netzwerk ständiger Anpassungs- und Umstellungsarbeiten bedarf. Mit einer ausgeklügelten Installationssystematik und der entsprechenden Verwaltungssoftware ist auch dies erfolgreich zu lösen.

Mit dem Fortschritt wächst der Anspruch

Doch mit dem Fortschritt wächst auch der Anspruch des Anwenders: Jeder soll auf den CD-ROM-Turm zugreifen können. In einer Bibliothek bedeutet dies, möglichst jedem Institut egal mit welchem Rechner oder Terminal den Zugriff anzubieten. Bei einem FDDI-Netz oder durchgehenden Ethernet- oder Token-Ring-Netzen ohne Postleitungsstrecken ist die Einbindung weiterer PCs natürlich sofort möglich (nachdem an jedem PC der Hauptspeicherkollaps kuriert wurde). In dem Moment, wo Postleitungsstrecken überwunden werden müssen, wird es jedoch erheblich komplizierter.

Der Datenverkehr in einem PC-Netzwerk mit dem ständigen Transport großer Programmdateien ist auf derartigen Leitungen performancemäßig nicht zu akzeptieren. Daher kann hier der Lösungsansatz - wie in einem Terminalnetzwerk - nur darin liegen, nicht die Programme und Dateien, sondern nur die Bildschirminhalte und Tastaturanschläge zu übertragen.

Inzwischen gibt es verschiedene Lösungsansätze. Die Applikationen laufen innerhalb des DOS-Servers, der als Bestandteil des PC-Netzwerkes in der Lage ist, nur die Bildschirminhalte und Tastenanschläge an externe Systeme weiterzugehen beziehungsweise zu empfangen.

Beispielsweise können so VT220-Terminals eines DEC/ VAX-Hosts MS-DOS-basierte CD-ROM-Recherchen betreiben, sofern keine Grafik übertragen werden soll. Damit ist von nahezu allen Host-Systemen über langsame Poststrecken der Zugriff auf CD-ROM-basierte Recherche möglich.

Was bei erster Betrachtung äußerst faszinierend erscheint, ist in der Praxis kompliziert: MS-DOS-basierte Recherchen bauen auf PC-Tastaturen auf, die an vielen Terminals nur ungenau abgebildet werden können. Für den Anwender ergibt sich das Problem, daß auf dem Bildschirm angebotene Tasten auf der Terminal-Tastatur nicht existieren und nur durch Mehrfachtastenkombinationen oder Umbelegungen der Tastatur, letztendlich meist mittels einer speziellen Tastaturschablone, betätigt werden können - ein Anachronismus angesichts des High-Tech-Einsatzes, mit dem der Weg von der CD-ROM-Applikation zum Terminal gefunden wird.

Alle beschriebenen Probleme lassen sich auf den Systemansatz von MS-DOS und PC-Netzwerken zurückführen, doch sollten sich jetzt die Unix-Freunde nicht vorschnell die Hände reiben: Nur unter MS-DOS und den entsprechenden PC-Netzwerksystemen sind derzeit CD-ROM-Netze realisierbar und ausreichend CD-ROM-Datenbanken verfügbar. Unter Unix ist hier noch kein annähernd vergleichbarer Markt in Sicht.

Hinsichtlich der Connectivity von CD-ROM-Netzen ist das

letzte Wort sicherlich noch nicht gesprochen, aber eine vollständig befriedigende Lösung ist noch in weiter Ferne. Mit CD-ROM-Server, PC-Netzwerk und PCs als Arbeitsplätzen ist man am ehesten in der Lage, die uns noch bevorstehenden Entwicklungen auf dem CD-ROM-Markt technisch zu meistern.

Wie immer gibt es auch im CD-ROM-Bereich Bemühungen, Benutzer- oder Datenbankschnittstellen zu vereinheitlichen. Ob dieser Markt, der mit Goldgräberstimmung ständig neue (hervorragende, aber auch oftmals schnellebige extrem schlechte) CD-ROM-Datenbanken hervorbringt, sich davon beeinflussen läßt, bleibt abzuwarten.

Wirtschaftlichkeit als entscheidender Faktor

Letztendlich entscheidet ja die Wirtschaftlichkeit über den Erfolg von Normierungen. Darüber hinaus müssen auch die unbequemen Fragen gestellt werden, ob die Datenbankanbieter ein Interesse an Einheitlichkeit und damit Vergleichbarkeit haben, und ob die völlig unterschiedlichen Datenstrukturen und Aufbereitungen der Datenbanken überhaupt sinnvoll unter einen Hut gebracht werden können.

Die gegenwärtigen Strukturen der CD-ROM-Recherche im Netz lassen mangels Flexibilität nur eingeschränkte Migrationsmöglichkeiten für heterogene Anbindung erkennen. Der Mangel liegt hierbei nicht einmal so sehr in der Technik, sondern viel eher in der praktikablen Realisierung.

Multi-Media heißt das neue Zauberwort in der CD-ROM-Welt, und eines Tages wird es den Weg aller Modewörter (siehe künstliche Intelligenz) nehmen. Wir sollten versuchen, kritisch zu beurteilen, inwieweit heutige CD-ROM-Netzwerke einmal Träger von Multi-Media-Applikationen sein können.

Dabei muß man sich zunächst vor Augen führen, daß hinter Multi-Media-Applikationen riesige Datenberge stehen, die in viel kürzerer Zeit von der CD-ROM auf den Bildschirm oder in die Soundkarte transportiert werden müssen als bibliographische Textdaten.

Die heute gängigen Netzwerke mit Geschwindigkeiten von 10 bis 16 MBit/s sind innerhalb der Universitäten oder ähnlich großen Institutionen jetzt schon überlastet.

Aus Sicherheitsgründen müssen darüber hinaus noch analysierende Komponenten (Bridges, Router) dazwischengeschaltet werden, die wiederum den Verkehr verlangsamen.

Ob derartige Netze beispielsweise Bewegtbild-Übertragung verkraften und dabei auch noch das Tagesgeschäft wie Terminalverkehr, Filetransfer etc. bewältigen können, scheint mehr als fraglich. Multi-Media wird daher zunächst lokal Anwendung finden.

Multi-Media-Anwendungen erfordern wesentlich leistungsfähigere Plattformen als derzeit bei den CD-ROM-Anwendern im Einsatz sind. Für die Performance in Netzwerken werden sowohl durch die eingesetzten Programme wie die wachsenden Datenmengen Grenzen erreicht. Selbst unter FDDI werden diese erkennbar.

Eine Lösung kann sein, daß die Retrievalprogramme selbst lokal gespeichert sind, und nur auf die Datenbanken über das Netzwerk zugegriffen wird. Welche Folgen dies allein vom erforderlichen Laufpensum für den Systemverwalter hat, der sagen wir - 200 PCs in einer Institution betreuen muß, kann man sich leicht vorstellen. Der Grundidee von Netzwerken Programme und Daten nur einmal zu installieren - kommt dieser Ansatz nicht gerade entgegen.

In jedem Fall ist Multi-Media für die Bereitstellung von Lexika auf CD-ROM hervorragend geeignet, wenn Text, Bild, Bewegung und Ton kombiniert dargestellt werden.

Heute steht ein riesiges Angebot an CD-ROM-Datenbanken zur Verfügung; die Auswahl geeigneter und sinnvoller Datenbanken wird immer schwieriger.