Festpreis-Regelungen haben schwerwiegende Nachteile

Pauschalpreise machen das SAP-Outsourcing zum Wagnis

25.12.1992

Wer DV-Funktionen auslagert, wagt diesen Schritt nicht zuletzt, um seine Kosten besser kontrollieren zu können. Festpreis-Regelungen werden angestrebt, damit das Budget langfristig festgelegt werden kann. Daß Outsourcing-Kunden bei diesem Verfahren in der Regel draufzahlen, geht aus Untersuchungen hervor, die Wilfried Heinrich* angestellt hat.

Die Auslagerung von DV-Funktionen hat unter anderem den Vorteil, daß sich Fixkosten für vertraglich definierte Dienstleistungen festlegen lassen. Dadurch können gleich mehrere Effekte erzielt werden; an erster Stelle ist die bessere Planbarkeit der DV-Budgets zu nennen. Bis heute überschreitet praktisch jedes DV-Projekt die ursprünglichen Planungsvorgaben. Immer wieder müssen zum Jahresende die Budgetansätze der Informationstechnik nach oben korrigiert werden.

Was einzelne Anwendungen wirklich kosten, läßt sich nur schwer sagen, zumal in der Regel Teilbereiche der Kosten unter nebulösen Bezeichnungen den Haushalten der Fachabteilungen zugeordnet werden. Hinter diesem Verfahren verbirgt sich einerseits eine historisch gewachsene Methode der Kostenverteilung, andererseits kommt darin das Bestreben einzelner Organisationseinheiten zum Ausdruck, sich einen eigenen informationstechnischen Spielraum zu verschaffen. Faktum ist jedenfalls, daß es die Controller schwer haben, Licht in das Dunkel der DV-Kosten zu bringen.

Das Outsourcing hat nicht zuletzt aus diesen Gründen einen zusätzlichen Reiz bekommen: Variable Kosten werden in feste Größen umgewandelt. Die DV-Haushalte lassen sich besser betriebswirtschaftlich steuern, und außerdem können - so zumindest die vorherrschende Meinung - mit Hilfe eines externen Dienstleisters die finanziellen Belastungen reduziert werden.

Zumindest für den Bereich SAP ist jedoch anzuzweifeln, daß Outsourcing in jeden Fall zu größerer Kostentransparenz und geringeren Aufwendungen führt. SAP-Software ist so populär, weil sie zu einer schnellen Lösung der Probleme beiträgt, die aufgrund komplexer, zum Teil kaum noch durchschaubarer Individualentwicklungen entstanden sind. Wird die Standardsoftware über einen DV-Dienstleister bezogen, so hat das den enormen Vorteil, daß der Anbieter fast jederzeit gewechselt werden kann - so wird das Abhängigkeitsproblem relativiert.

Ganz besonders unter Kosten. gesichtspunkten bilden Outsourcing und SAP ein harmonisches Begriffspaar: Fixpreis-Regelungen sind ein elementarer Bestandteil der Outsourcing-Idee. Solche Regelungen sind bei SAP-Standardsoftware möglich, denn diese Produkte bieten eine sehr klare Berechungsgrundlage.

Unterschied zwischen Theorie und Praxis

Theorie und Praxis unterscheiden sich jedoch, wie so oft, auch hier voneinander. Eine Untersuchung zahlreicher Verträge und Angebote mit unterschiedlichen Berechnungsmodellen für den SAP-Service führte zu folgendem Ergebnis: Die als Vorteil postulierte Festpreis-Regelung erweist sich als zum Teil gravierender Nachteil - und zwar unabhängig von der individuellen Preisgestaltung der Dienstleister.

Gegenwärtig sind folgende Berechnungsmodelle üblich:

- Leistungsberechnung nach Ressourcenverbrauch;

- Benutzerzahl (Terminals) als Berechnungsgrundlage;

- variable, leistungsabhängige Berechnung.

Bei der verbrauchsbezogenen Berechnung wird der gesamte Aufwand der operativen Leistungen wie CPU-Zeiten, Plattenspeicher- und Print-Volumen ermittelt und mit einem monatlich gleichbleibenden Preis versehen. Ähnlich ist das Verfahren, wenn sich die Kalkulation auf die Zahl der Benutzer bezieht. Die Terminal-Kosten repräsentieren eine Art Warenkorb mit bestimmten Leistungsmengen. Auch diese Kosten bleiben im Rahmen von Festpreis-Vereinbarungen konstant.

Die variable Berechnung dagegen multipliziert die Leistungssätze des Outsourcers mit dem tatsächlich in Anspruch genommenen Services. Je nach Nutzungsgrad ändern sich die monatlichen Kosten - sie werden zu einer Variablen, die von den betriebswirtschaftlichen Prozessen beim Kunden abhängt.

Die meisten der untersuchten SAP-Outsourcing-Verträge beruhen auf der ressourcenabhängigen Berechnung und damit auf einer Festpreis-Regelung. Der Fehler, der beim Abschluß solcher Verträge gemacht wird, ist die Fehleinschätzung der technischen Kalkulationsgrößen: Da sich Rechner ständig in einem veränderten Systemzustand befinden, wächst die Bedeutung von Einflußfaktoren, die der Benutzer nicht steuern kann, aber bezahlen muß. Wegen dieser technischen Bedingungen schwankt der Ressourcenverbrauch erheblich, so daß monatliche Abrechnungen trotz gleichen Leistungsumfangs stark variieren.

Festpreise gelten meist nur für sechs Monate

Zusätzliche negative Effekte stellen sich häufig beim Einsatz eines Mehrmandanten-Systems ein. In diesem Fall steigt nämlich der Anteil der nicht zuordnungsfähigen Basisdaten erheblich. Nimmt die Anzahl der Mandanten zu, so wird eine Steigerung der Basislasten erzeugt, die für den Anwender eine nachteilige Bewertung des Ressourcenverbrauchs zur Folge hat. Dieses Problem verstärkt sich, wenn zum Beispiel die Tuning-Maßnahmen unzureichend sind.

DerIei Argumente könnten für den Anwender bei einer längerfristigen Festpreis-Vereinbarung weitgehend ohne Belang bleiben, doch die Realität ist anders. Die meisten Verträge sehen nämlich eine Festpreis-Bindung nur über einen Zeitraum von sechs Monaten vor.

Zwischen dem DV-Dienstleister und seinem Kunden besteht im Regelfall die Vereinbarung, daß die bezogenen Leistungen im halbjährlichen Abstand bewertet werden. Dadurch muß der Anwender nicht selten schon nach sechs Monaten eine schmerzhafte Kostensteigerung hinnehmen. Selbst bei langfristigen Festpreis-Garantien läßt sich dieses Problem nicht vermeiden, es verschiebt sich lediglich.

Leistungsangebot nicht voll genutzt

Die Vereinbarung einer halbjährlichen Preisanpassung relativiert den Fixpreis-Gedanken ganz erheblich. Längerfristige Preisgarantien haben für den Kunden den Nachteil, daß die Anbieter in der Regel auf Vertragsebene eine adäquate Risikovorsorge treffen werden. Besteht beispielsweise eine Festpreis-Bindung über zwei Jahre, so werden die Verträge bestimmte Klauseln zur Risikoabsicherung enthalten. Mit zunehmender Laufzeit steigt der Absicherungsbedarf des Dienstleisters.

Zwar können bei unerwartet explodierenden Leistungssteigerungen einzelne Anwender Nutznießer von Festpreis-Vereinbarungen sein, doch im Regelfall wird die Risikovorsorge des Servicepartners zu Lasten des Kunden gehen. Dieser zahlt zwar Pauschalbeträge, muß aber im Vergleich zu einer leistungsabhängigen Berechnung ungleich mehr berappen.

Ein weiterer Nachteil von Festpreis-Regelungen liegt in der zunächst zwangsläufig geringen Ausnutzung des Leistungsangebots. Wird eine SAP-Implementierung vorgenommen, so nutzt der Anwender das System analog zum Stand der Projektrealisierung, zum Anpassungsgrad interner Organisationsstrukturen und zum Ausbildungsniveau der Mitarbeiter. Eine vollständige Nutzung des Leistungsvolumens von Anfang an ist in der Regel ausgeschlossen, die Datenbankbelegung beginnt bei Null.

Die variable Berechnungsmethode trägt diesem Zustand Rechnung, die monatlichen Kosten fallen sehr gering aus. Pauschalpreis-Lösungen fordern unabhängig von den in Anspruch genommenen Leistungen ihren monatlichen Preis. Daher kann eine Festpreisorientierte Berechnung nur unter der Voraussetzung akzeptabel sein, daß Mittelwerte für den gesamten Vereinbarungszeitraum zugrunde liegen. Um sich ein Bild zu machen, sollte man Vergleiche mit Offerten durchführen, die sich an einem variablen Modell orientieren.

Kurzkorrekturen sind immer möglich

Bei den von uns analysierten SAP-Serviceverträgen auf Festpreis-Basis ließ sich ein Kostennachteil von durchschnittlich 20 Prozent und mehr feststellen. Die gleichbleibenden Kosten verleiten viele Anwender dazu, das Leistungsvolumen relativ unkontrolliert steigen zu lassen. Spätestens nach Ablauf des Festpreis-Zeitraumes wird ihnen dann die Quittung präsentiert: Der Qutsourcer fordert einen deutlich höheren Pauschalpreis.

Bei der variablen Berechnungsmethode schlägt sich dagegen eine ausufernde spruchnahme von Leistungen sofort nieder. Kurskorrekturen sind jederzeit möglich. Zudem lassen sich die Kosten präzise den Organisationseinheiten zuordnen, wodurch betriebswirtschaftliche Anforderungen abgedeckt werden.

Beim Aspekt der Kostensteuerung ist auch noch folgendes zu berücksichtigen: Grundsätzlich besteht bei SAP-Software die Möglichkeit, durch einen Download bestimmte Anwendungen auf dem Personal Computer zu verarbeiten. Damit reduziert sich der Ressourcenverbrauch des Dienstleistungspartners. In Konsequenz heißt dies, daß der Anwender mit variabler Leistungsberechnung Chancen zu Reduzierung von Aufwendungen erhält. Diese Effekte sind bei Pauschalpreis-Vereinbarungen nicht zu erzielen.

In fast allen gesichteten Verträgen wurde einem Aspekt kaum Bedeutung beigemessen: Was geschieht bei Systemausfällen? Bei Leistungseinschränkungen treten oft nur beim Erreichen eines kaum Hoch zumutbaren Ausfall-Levels besondere verträgliche Regelungen zur Preisreduzierung in Kraft. Der Anwender zahlt daher bei Pauschalpreis-Vereinbarungen auch für die Zeiten, in denen er die Verarbeitungsleistungen nicht erhalten hat.

In den von uns gesichteten Verträgen und Angeboten wird dem Benutzer teilweise ein sechsstündiger Ausfall pro Tag zugemutet, ohne daß der Kunde die Zahlungen reduzieren kann. Erst oberhalb bestimmter Limits, die sich in der Regel auf einem zu hohen Niveau befinden, werden Klauseln für Preisnachlässe wirksam.

Dieser Nachteil ist bei der variablen Kostenberechnung ausgeschlossen, da hier die tatsächlich genutzte Leistung zugrundegelegt wird. Damit bleiben dem Anwender zwar die internen Störungen, aber die absurde Situation, daß der Anwender trotz Leistungsausfall zur Kasse gebeten wird, wird auf diese Weise vermieden.