Bald Halloween in Europa?

Patentreform der EU bedroht die Zukunft von Open Source

18.06.1999
MÜNCHEN (CW/IDG) - Deutsche und französische Vertreter der Open-Source-Idee wollen die geplante Reform des europäischen Patentrechts verhindern. Sie befürchten, daß die Einführung von Patenten auf Software beziehungsweise Programmiermethoden nach amerikanischem und japanischem Vorbild die Bewegung stoppen könnte.

Bisher gibt es in der EU nur einen Schutz des Urheberrechts sowie Patente für Software, die Teil einer konkreten Erfindung sind. Nun will die Kommission in den nächsten zwei Jahren überprüfen, ob diese Handhabung noch heutiger Praxis entspricht oder ob man sich der weitergehenden Gesetzgebung in den USA und Japan anschließt. Kommt es zu einer Änderung des über 20 Jahre alten Patentrechts in Europa, könnten sich künftig kommerzielle Hersteller jeden Algorithmus zertifizieren lassen und dessen Benutzung etwa in Open-Source-Projekten kontrollieren oder verbieten.

Dies zumindest befürchtet hierzulande der Förderverein für eine Freie Informationelle Infrastruktur (FFII), der am letzten Wochende in Köln mit dem einflußreichen französischen Open-Source-Verband Association Francophone des Utilisateurs de Linux et Logiciels Libres (Aful) das Bündnis "Eurolinux" geschlossen hat. Nach Meinung von Jean-Paul Smert, Vorstandsmitglied der Aful, liefen Entwickler in Europa mit einem derart ausgedehnten Patentrecht ständig Gefahr, bei ihrer Arbeit irgendwelche patentierten Algorithmen zu benutzen und dafür verklagt werden zu können. Microsofts in den berüchtigten "Halloween"-Dokumenten skizzierte Taktik ginge dann mit Segen der EU auf: Durch flächendeckende Anmeldung von Softwarepatenten die Open-Source-Bewegung stoppen.

Eurolinux sagt EU und Monopolen den Kampf an

Eurolinux soll daher als Sammelorganisation der Verteidigung und der Förderung freier Software dienen und Wirtschaft und Politik über Open Source aufklären. Als nächste Aktion organisiert Eurolinux eine Ausstellung europäischer Linux-Firmen in Tokio. Bezüglich der Patentpläne der EU dient unter anderem die Web-Site http://swpat.ffii.org als internationales Informations- und Protestforum. So ist hier auch eine Protestnote an EU-Wettbewerbskommissar Karel van Miert veröffentlicht, in der man vor einer Monopolisierung des europäischen Softwaremarktes und Störung des Wettbewerbs durch Patente und einzelne Hersteller warnt.

Jüngstes Beispiel für die Bedrohung sei die Kooperation zwischen Microsoft mit dem Land Nordrhein-Westfalen, die eine massive Unterstützung des Herstellers beim Aufbau eines Zentrums für den elektronischen Geschäftsverkehr beinhaltet. Laut FFII haben über 700 Entwickler ein Protestschreiben an Ministerpräsident Wolfgang Clement unterzeichnet. Darin heißt es, daß die Kooperation eine Nacht- und Nebelaktion gewesen sei, in die objektive Gutachter hätten eingeweiht werden müssen. Etliche Steuergelder flössen nun in zweifelhafte Softwarelösungen, obwohl bessere Technik zur Verfügung stünde. "Statt eine quelloffene Infrastruktur zu errichten, überantworten Sie ihr Land in die Hände einer Monopolfirma, deren rücksichtsloser Machtwille derzeit Gegenstand von gerichtlichen Untersuchungen ist", heißt es in dem Brief. Die Initiatoren appellieren an Clement, die Ausführung der Pläne vorerst zu stoppen, und fordern eine öffentliche Diskussion in den Foren des Internet. Eine Antwort steht noch aus.