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Patente: Microsoft sagt der Open-Source-Konkurrenz den Kampf an

14.05.2007
Laut Microsoft verstoßen freie und Open-Source-Software (Foss) gegen 235 Microsoft-Patente. Distributoren und Anwender sollen für diese angeblichen Urheberrechtsverletzungen zur Kasse gebeten werden.

In einem Interview mit dem amerikanischen Wirtschaftsmagazin "Fortune" äußerten sich Microsofts Chefjustiziar Brad Smith und der für Lizenzen zuständige Manager Horacio Gutierrez eindeutig. "Es geht hier nicht um zufällige, unbewusste Patentverletzungen. Es geht hier um eine gewaltige Zahl von Patenten, die verletzt werden", beklagt sich Gutierrez. Smith führte in dem Gespräch aus, dass allein der Linux-Kernel 42 Microsoft-Patente verletze. Weitere 65 Verstöße gingen vom Benutzer-Interface aus. Die Bürosuite Open Office verletze 45 Patente und diverse quelloffene E-Mail-Anwendungen weitere 15. Andere Open-Source-Anwendungen tangierten zudem 68 Patente von Microsoft.

Microsoft hatte das Fundament für Klagen gegen die Open-Source-Community bereits Ende letzten Jahres gelegt. Damals unterzeichnete das Unternehmen ein Abkommen mit Linux-Distributor Novell, das die Interoperabilität von Open-Source-und Microsoft-Produkten zum Ziel hat. Bestandteil dieses Abkommens war, dass Novell und seine Kunden im Falle von Patentklagen außen vor bleiben sollten. In der Community hatte dieser Passus für große Aufregung gesorgt, Novell hatte alle Hände voll zu tun, die Wogen wieder zu glätten.

Wieder nur Drohgebärden oder lässt es Microsofts Chefjustiziar diesmal wirklich drauf ankommen?
Wieder nur Drohgebärden oder lässt es Microsofts Chefjustiziar diesmal wirklich drauf ankommen?
Foto: Brad Smith

Die Verfechter der freien Softwareidee sehen Microsofts zu erwartenden Attacken gelassen entgegen. Einer ihrer Chefstrategen ist Eben Moglen, langjähriger juristischer Vordenker der Free Software Foundation und Kopf des Software Freedom Law Center, dessen Ziel es ist, Foss-Projekte vor patentrechtlichen Ansprüchen Dritter abzusichern. Die Tatsache, dass Microsoft möglicherweise relevante Patente besitzt, beeindruckt ihn nicht. Patente könnten in Gerichtssälen schnell zugesprochen und wieder annulliert werden. Erst eine sehr tiefgehende qualitative Analyse der jeweils individuellen Situation könne valide Erkenntnisse darüber bringen, ob eine Erfindung schützenswert sei. Der oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten gibt ihm recht: Vor wenigen Wochen hieß es in einer einmütigen Stellungnahme, in den vergangenen zwei Dekaden seien zu viele Patente leichtfertig ausgestellt worden, viele davon seien wahrscheinlich ungültig.

Hinzu kommt, dass das Foss-Lager eine Vielzahl namhafter Konzerne auf seiner Seite weiß. So hatten im Jahr 2005 sechs von ihnen (IBM, Sony, Philips, Novell, Red Hat und NEC) das Open Invention Network (OIN) ins Leben gerufen, um ein Portfolio an Patenten zusammenzukaufen, damit eventuelle Probleme mit Firmen wie Microsoft vermieden werden könnten. Sollte beispielsweise Microsoft versuchen, Red Hat wegen Patentverletzungen zu verklagen, könnte der Linux-Distributor im Gegenzug das Patentportfolio der OIN durchforsten und möglicherweise einen Weg finden, Microsoft seinerseits wegen Patentverletzungen in Windows vor den Kadi zu zerren. (hv)