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Pat House: "Arroganz können wir uns nicht erlauben"

28.11.2000
Für den auf große Unternehmen spezialisierten CRM-Anbieter Siebel Systems ist es schwer, beim Mittelstand Fuß zu fassen. Pat House, Executive Vice President und Mitbegründerin der Firma, spricht über den Markt, Partner und Konkurrenten.

CW-Interview von Bernd Seidel

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) -

Siebel Systems, Marktführer im Bereich Customer-Relationship-Management-Lösungen, ist vor allem bei großen Unternehmen stark. Nun versucht die US-Company auch im Mittelstand Fuß zu fassen. Über die Chancen und Fallstricke in diesem Segment sprach CW-Redakteur Bernd Seidel mit Pat House, Executive Vice President und Mitbegründerin von Siebel.

CW: Siebel zählt viele der Top-500-Unternehmen zu seinen Kunden. Um allerdings langfristig erfolgreich zu sein, muss man laut den Analysten von J.P. Morgan auch bei mittelständischen Betrieben erfolgreich sein. Hier tun Sie sich schwer.

HOUSE: Wir sind im Mittelstand besser als weithin bekannt. Einen großen Teil unseres Umsatzes erzielen wir bereits mit Betrieben, die weniger als 200 Millionen Dollar im Jahr umsetzen. Insgesamt bieten wir 147 Softwaremodule an, doch schon vor zwei Jahren haben wir erkannt, dass kleinere und mittlere Betriebe nicht das komplette Portfolio benötigen. Mit der "Siebel Midmarket Edition" haben wir ein Paket im Programm, das auf die Bedürfnisse des Mittelstands zugeschnitten ist. Darin sind Bausteine für Vertrieb, Service und Marketing enthalten. Zu dem Paket gehören ebenfalls eine Datenbank, vereinfachte Administrationsfunktionen sowie eine abgespeckte Dokumentation.

CW: Zu ihren Beratungspartner zählen im Wesentlichen die Big Five sowie einige nationale Größen. Im Mittelstand können Sie mit diesen Anbietern nichts ausrichten.

HOUSE: Zu unseren Partnern gehören auch kleine, regional tätige Consulting-Firmen. Einen guten Zugang zum Mittelstand haben wir beispielsweise durch unsere Kooperation mit IBM Global Services. Zudem arbeiten wir mit J.D. Edwards, Navision und Great Plains zusammen, die zum einen die Midmarket Edition verkaufen und zum anderen über die eigenen Partner einen Kanal zu kleineren und mittleren Betrieben haben sowie über ein eigenes engmaschiges Partnernetz verfügen.

CW: Nach eigenen Aussagen erreichen Sie im Jahr 2000 im Bereich Sales Force Automation weltweit einen Marktanteil von rund 75 Prozent. Hierzulande liegt ihr Anteil laut Branchenkennern unter zehn Prozent. Ist der hiesige Markt schwieriger?

HOUSE: Die Entscheidung für ein CRM- oder E-Business-System wie Siebel wird nicht bei einem Bier oder auf dem Golfplatz gefällt. Die Liberalisierung von Märkten, neue globale Mitbewerber und der Wunsch, sich durch einen besseren Service von der Konkurrenz zu unterscheiden, sind die Motivatoren.

CW: Ist der hiesige Markt komplexer? Macht Ihnen die Präsenz von SAP zu schaffen?

HOUSE: Wir teilen die Welt in vier Vertriebsregionen: Nord- und Lateinamerika, Emea (Europa, Mittlerer Osten und Afrika) und den asiatisch-pazifischen Raum. Das Geschäft wächst in Europa ohne Ausnahmen am stärksten und hat derzeit einem Anteil von rund 40 Prozent von unserem Gesamtumsatz. Ohne in Details gehen zu wollen, einige unserer größten Abschlüsse haben wir in Europa getätigt.

Am stärkster konkurrieren wir mit selbstgestrickten Sales-, Service- und Marketing-Lösungen. Gefolgt von Clarify, mit denen wir uns in 15 Prozent aller Vorhaben messen müssen– entweder als eigenständiger Konkurrent, oder Clarify kommt als Partner von SAP ins Spiel. Vantive ist stark in Südamerika. Dann erst folgen SAP, Oracle und Dendrite.

CW: Worauf führen Sie die schwache Reputation von Oracle und SAP im CRM-Markt zurück?

HOUSE: Die beiden Unternehmen haben eine andere Historie: SAP ist Marktführer bei ERP-Systemen speziell im industriellen Umfeld und hat in seiner Bilanz den Umsatz im CRM-Bereich als vernachlässigbar angegeben. Oracle ist ein Datenbankanbieter. Nun versuchen sich die beiden als Companies, die alles aus einer Hand bieten möchten. Doch es ist schwer, neue Geschäftsfelder erfolgreich zu besetzen. Wir machen seit sieben Jahren nichts anderes als CRM und bleiben auch in Zukunft ein Best-of-Breed-Anbieter. Fast 7000 Mitarbeiter beschäftigen sich ausschließlich mit Lösungen rund um das Kunden-Management.

CW: Insider munkeln, dass nur zehn Prozent der verkauften Siebel-Lizenzen derzeit produktiv genutzt werden.

HOUSE: Wir haben eine Reihe sehr großer Installationen: Charles Schwab hat rund 7000 Arbeitsplätze live, bei Compaq nutzen etwa 6000 User unsere Software. Auch hierzulande gibt es viele Anwender.

CW: Aber die 66.000 Lizenzen, die IBM für sich und Partner gekauft hat, dürften noch nicht produktiv sein. Noch einmal: Wie viel Prozent der verkauften Lizenzen setzen Unternehmen ein?

HOUSE: Ich schätze, das liegt zwischen 50 und 60 Prozent, die genaue Zahl weiß ich nicht. Es gibt auf jeden Fall weltweit einige 100 000 Benutzer, die mit unseren Lösungen arbeiten.

CW: Siebel-Mitarbeiter gelten als arrogant.

HOUSE: Ich hoffe nicht.

CW: Ein Beispiel: Noch vor zwei Jahren sollen Siebel-Verkäufer ihre Angebote in Dollar abgegeben haben - damit machen Sie sich hier keine Freunde.

HOUSE: Das kann passiert sein, ist aber die Ausnahme. Unsere Kunden können grundsätzlich wählen, in welcher Währung sie ein Angebot bekommen möchten. Die Wechselkurse sind ja sehr flexibel, wie sich gerade zeigt. Arroganz gegenüber den Kunden kann auch nicht im Sinne unserer Mitarbeiter sein. Denn 50 Prozent ihres Gehaltes richten sich nach der Zufriedenheit ihrer Kunden, und die fragen wir regelmäßig schriftlich ab.

CW: Ist es richtig, dass jährlich die unproduktivsten fünf Prozent ihrer Mitarbeiter gefeuert werden?

HOUSE: Ja. Wir wachsen sehr stark und haben uns in der Vergangenheit jährlich etwa verdoppelt. Dabei passiert es, dass man auch mal die falschen Mitarbeiter einstellt, von denen trennen wir uns dann rasch wieder. Aber die Mitarbeiter wissen das. Wir haben ein ausgefeiltes Coaching- und Trainings-Programm und helfen Kollegen dabei, erfolgreich zu sein. Die Fluktuation bei uns liegt mit acht bis zehn Prozent jährlich deutlich unter dem Branchenschnitt von zwölf bis 15 Prozent in der gesamten Hightech-Industrie.