1992 wiederum Millionendefizit erwartet

Pariser DV-Show Sicob kämpft mit aller Kraft ums Überleben

11.09.1992

PARIS - Die Pariser Informatik-Messe Sicob wird Anfang Oktober nach zweieinhalbjähriger

Pause zwar wieder über die Bühne gehen, doch die unübersehbaren Lücken in der Teilnehmerliste machen die Veranstaltung zum Spiegelbild einer krisengeschüttelten Branche.

Da der Sicob auch 1992 voraussichtlich wieder mit zehn bis 15 Millionen Franc Defizit abschließen wird, muß über seine Zukunft wohl sofort nach dem Abbau der letzten Stände entschieden werden. "Ewig kann sich das Pariser Messekomitee Investitionen in ein Verlustgeschäft natürlich nicht leisten", räumt dessen Vorsitzender, Edme Nerot, freimütig ein.

Gleichzeitig verteidigt der Messechef aber nicht nur die Anstrengungen seines Gremiums, den Sicob wieder weltweit zu einem festen Begriff zu machen. Er wehrt vielmehr auch vehement jeden "unzulässigen" Vergleich mit der CeBIT in Hannover ab. Zwar sei die Veranstaltung heute in der Tat kleiner als früher: 15 000 Quadratmeter wurden an rund 160 Teilnehmer vermietet, während die Messe im DV-Boom der 70er Jahre leicht auf 50 000 Quadratmeter kam. Aber, so Nerot, "damals waren zwei Fünftel der Ausstellungsfläche auch für die Büromöbel-Hersteller reserviert -eine Sparte, die wir jetzt bewußt ausgeklammert haben". Statt dessen konzentriere sich der Sicob nunmehr auf die drei Schwerpunkte klassische DV , Telecommunikation und Büroautomation einschließlich PCs mit Peripherie. Deren Standfläche wird 1992 gleichwohl nur noch halb so groß sein wie zu besten Zeiten.

Den Hinweis auf 600 000 Besucher der letzten CeBIT gegenüber 140 000 auf der Sicob vom April 1990 will der Messechef auch nicht gelten lassen. Für die Bevölkerung von Hannover habe nun einmal "jede Ausstellung eine ganz andere Bedeutung als die vielen Pariser Salons für die Bewohner der französischen Hauptstadt". Im Klartext: In Hannover gebe es vermutlich mehr Zugucker, in Paris mehr Zugreifer.

Jedenfalls habe die 20 Millionen Franc teure Besucher -und Teilnehmerwerbung der Pariser Messeveranstalter diesmal in erster Linie professionelle DV-User angesprochen. So seien 200 000 Freiberufler und Führungskräfte von mittelständischen Firmen direkt angeschrieben worden, ferner 20 000 Leitende in größeren Unternehmen und nochmals 55 000 Adressaten im Ausland.

Die Verlegung des Sicob seit 1987 in das Ausstellungsgelände von Villepinte im Nordosten von Paris verlängere die Anreise der Profis zwar, konzediert Nerot. Gleichzeitig jedoch trenne diese Distanz Neugierige von Interessenten. Der Eintrittspreis von 120 Francs (zirka 40 Mark) tut wohl ein übriges.

Das eigentliche Handikap des diesjährigen Sicob sieht Nerot im übrigen weniger bei den knapper gehaltenen Messebudgets von Firmen wie SNI, Canon, Olivetti oder auch des Bull-Partners NEC. Eher wurmt ihn, daß große französische Softwarehäuser wie Cap Gemini, Sema Group oder Sligos dem Sicob traditionell einen Korb geben, dafür aber an der Münchner Systems teilnehmen. Erst in diesem Jahr gelang es dem Pariser Messekomitee, in zwei Spezialpavillons wenigstens die Leistungen zwölf mittelgroßer französischer Softwareschmieden (Gruppe Syntec) sowie einer Gruppe von Winzlingen (Vereinigung GNPI) zu präsentieren.

Unternehmen wie Apple und DEC leisten dem Aufruf zur Sicob-Beteiligung auch diesmal keine Folge; sie organisieren statt dessen Veranstaltungen wie die Apple Expo oder die DECVille. Ferner ist Hewlett-Packard 1992 nicht mit von der Partie. Die Kalifornier ließen sich für eine Reihe von Spezialmessen abwerben, darunter die Telecom Networks, Solutions Unix und die Windows Europe. Diese Veranstaltungen laufen bereits vom 16. bis 18. September l992, also vor dem Sicob, in Paris ab.

Der Sicob Präsident hält dieses Manöver für eine weitere Eskalationsstufe im "etwa seit 1988 dramatisch verschärften Konkurrenzkampf der Messeveranstalter".

Fraglich ist, ob seine eigene Schau mit einer Standmiete von umgerechnet etwa 450 Mark pro Quadratmeter für diesen Kampf ausreichend gerüstet ist.

Daß die Pariser Veranstaltung die Teilnehmer teurer zu stehen kommt als die CeBIT, mag auch Nerot nicht bestreiten. Doch einerseits sei das unvermeidlich, weil den Sicob-Veranstaltern weder das Messegeländes gehöre noch sie wie in Deutschland mit der Unterstützung von Gemeinden und Ländern rechnen könnten. Andererseits seien "einige der mit uns rivalisierenden Spezial- und Regionalmessen etwa doppelt so teuer", ohne "gleichermaßen den Erwartungen der Besucher zu entsprechen".

Immerhin kann der Sicob tatsächlich mit einer Reihe von Vorzügen aufwarten. Zumindest von einem großen Aussteller ist Nerot zufolge intern bekannt, daß er die Messe zur europaweiten Ankündigung neuer Produkte nutzen wird. Ferner entdeckt man in der Teilnehmerliste nicht nur französische Firmen oder Frankreich-Töchter: Mit MCI, NTT, Ericsson , Teleglobe und der Deutschen Bundespost Telekom ist zumindest eine Handvoll Auslandsfirmen auch direkt in Villepinte vertreten. IBM, Toshiba, Kodak, France Telecom und das staatliche Forschungszentrum CNET werden im Rahmen der Sonder schau "Zukunftstechnologien" ihre aktuellen Forschungs - und Entwicklungsprojekte vorstellen.

Besonders stolz sind Nerot und das Messekomitee freilich auf ihre Idee, an jedem Messestand einen Scanner zu installieren, der Name und Firma vom Besucheretikett eines Interessenten in eine zentrale Datei einliest und mit dem Direct-Mail-Verzeichnis des Sicob vergleicht. Auch nach Messeschluß können Aussteller und Besucher also gegenseitig Kontakt aufnehmen und sich informieren. Nerot: "Kein Teilnehmer wird unter dem Motto aufs Messegelände entlassen: Na, nun macht mal schön."