Parallelrechner ante portas Dieter Eckbauer

01.10.1993

Es ist offensichtlich, dass sich Org./DV-Leiter, generell DV- Spezialisten, gegenueber frueher jetzt wesentlich besser "verkaufen" - um diese eingaengige, wenn auch etwas abgedroschene Formulierung zu gebrauchen. Sie muessen, um die Rolle des Dienstleisters auszufuellen, unter anderem gute Akquisiteure sein. "Dem Anwender bieten sich heute Alternativen zur zentralen DV, die er unweigerlich einsetzen wird, sollten sich die Informationsprofis nicht neuer Verfahren im Umgang mit den Anwendern bedienen." Diese Erkenntnis stammt nicht von dem Leiter einer Selbsterfahrungsgruppe in einem Personalberater-Seminar, sondern von einem DV-Praktiker. Rainer Seidel, Org.-Leiter bei der Unternehmensgruppe Schieder-Moebel, warnt seine Kollegen (CW Nr. 38 vom 17. September 1993, Seite 38): "Das Festhalten an bestehenden Machtpotentialen und der Einsatz DV-technischer Druckmittel wird nicht die geringste Aussicht auf Erfolg haben."

Welch ein Wandel! Das sind klare Worte, die das neue Selbstverstaendnis der DV-Profis ausdruecken. Schoenmalerei? Nein: ein Appell, nicht in die alte Laisser-faire-Mentalitaet zurueckzuverfallen. Es soll jedoch nicht verschwiegen werden, dass sich einige Alt-Mainframer wohl mehr selbst schmeicheln wollen, wenn sie sich etwa positiv ueber neue Entwicklungen hin zum Client- Server-Computing aeussern. Aus Anwender-Umfragen abgeleitete Prognosen ueber den Einsatz von Client-Server-Technologien sind denn auch mit Vorsicht zu geniessen, wie es andererseits natuerlich bloedsinnig ist, von einer Renaissance der Mainframes zu sprechen.

Solche Argumente gibt es. Sie gehoeren in Seidels Kategorie "nicht die geringste Aussicht auf Erfolg". Da wird mit versteckten Kosten operiert, die angeblich den Client-Server-Einsatz begleiteten. Die Rechnung geht nicht auf. Wenn man schon auf der Kostenebene argumentiert, dann doch bitte so, dass die Altlasten nicht unterschlagen werden. Das Pauschalurteil "Weg mit den Mainframes" wird man gleichwohl nicht aufrecht erhalten koennen. Mit grossen Rechnern, die auf Preis-pro-MIPS-Basis den Vergleich mit Power-PCs nicht scheuen muessten, koennten die Anwender sehr wohl leben.

Jetzt wird klar, was mit Downsizing beziehungsweise Rightsizing gemeint ist, und wo die Altlasten liegen: Die /370-Architektur hat ausgedient, sie passt nicht mehr in die Landschaft, ob diese nun Client-Server oder nach wie vor Host-zentrierte DV heisst - Parallelrechner ante portas. Dem wird nicht einmal der Mainframe- Marktfuehrer IBM widersprechen. Dass Big Blue Muehe hat, sich mit dem Gedanken an "preiswerte Mainframes" anzufreunden, hat einen simplen Grund: Die Profitabilitaet des "Big iron" ist futsch, endgueltig: kommt nie wieder.

Das ist allein IBMs Problem, keine Client-Server-Macke - und das meint Seidel, wenn er die Abschaffung monopolistischer Strukturen als Voraussetzung fuer den erforderlichen Wandel bezeichnet: DV- technische Druckmittel wirken nicht mehr, auch wenn sie noch so huebsch verpackt sind.