Pro und Kontra die IBM-Cluster-Technologie (Teil 1)

Parallel Sysplex bietet Vor- und Nachteile

07.11.1997

Das Thema Verbindungstechnologien für Server ist spätestens seit dem Tag in jedermanns Bewußtsein, da Microsoft mit seinem "Wolfpack"-Konzept auf den Plan trat. Genau genommen muß allerdings die Digital Equipment Corp. (DEC) als Mutter des Cluster-Konzepts bezeichnet werden, bot sie doch bereits 1983 mit dem VAX-Cluster erstmals ein Konzept an, bei dem Prozessorkomplexe lose gekoppelt wurden.

Relevanz gewann das Thema Clustering zudem vor dreieinhalb Jahren, als die IBM zusammen mit ihren ersten auf CMOS-Prozessortechnologie basierenden Mainframes - dem "Parallel Transaction Server" und dem "Parallel Query Server" - auch das Parallel-Sysplex-Konzept präsentierte.

Damit stellte Big Blue eine Verbindungstechnologie für Großrechner vor, bei der sich ein Verbund mehrerer Hosts, also Rechner mit multiplen, eng gekoppelten Prozessoren, für den Anwender wie ein Single-System-Image darstellt - wie ein einziger riesiger, extrem leistungsfähiger Host also.

Schon aus dieser oberflächlichen Erläuterung wird klar, daß die Parallel-Sysplex-Anbieter in einer anderen Liga spielen als Microsoft mit seiner Cluster-Lösung Wolfpack. Die bietet bislang nicht mehr als ein sogenanntes Fail-over-Konzept. Das heißt, zwei PC-Server mit jeweils bis zu vier Prozessoren werden aneinander gekoppelt. Fällt der eine Rechner aus, übernimmt automatisch der andere die Aufgaben des havarierenden Systems.

Kritiker wollen IBMs Lobeshymnen nicht folgen

So sehr allerdings die IBM ihr Konzept von mehreren zusammengeschalteten Großrechnern auch schönreden will, es gibt kritische Stimmen zu Parallel Sysplex. Im folgenden zeichnet deshalb die CW einen Diskurs von Analysten der Gartner Group und von Xephon nach. Insbesondere die Experten von Xephon äußern sich sehr kritisch zu Big Blues Technologiekonzept. Sie argumentieren vor allem, Big Blue verspreche Anwendern Rechenleistungssteigerungen durch den Einsatz von Parallel Sysplex auf Basis rein theoretisch ermittelter Werte, die der Realität nicht standhalten.

Prinzipiell gilt es zunächst mit dem Irrglauben aufzuräumen, Parallel Sysplex sei als Cluster-Technologie ausschließlich für IBMs neue CMOS-basierte Großrechner geeignet. Vielmehr ist das Design der Parallel-Sysplex-Umgebung darauf ausgelegt, verschiedene - allerdings nicht alle - S/390-Rechnermodelle zu koppeln. Grundsätzlich kann die Parallel-Sysplex-Technologie nur auf Systemen eingesetzt werden, die unter dem MVS-Betriebssystem ab Version 5.1 laufen, ferner unter allen Releases von OS/390. VM oder VSE beispielsweise unterstützen Parallel Sysplex nicht.

Der Einsatz der Parallel-Sysplex-Technologie macht, schreiben die Gartner-Analysten, unter verschiedenen Aspekten Sinn:

So gibt es Applikationen, deren Systemanforderungen dermaßen hoch sind, daß die Rechenleistung des Mainframes ausbaufähig sein sollte. Die meisten MVS-basierten Einzelsysteme - gemeint sind jeweils einzelne Mehr-Wege-Maschinen mit eng gekoppelten Prozessoren - sind da überfordert.

Eine Herausforderung für IT-Manager ist ferner die Aufgabe, Rechenzentren mit heterogenem Maschinenpark zu verwalten. Batch-Jobs oder Online-Transaktionen in solch einer DV-Umgebung quasi manuell auszubalancieren ist sehr schwer. Auch hier sei, so die Gartner-Group-Experten, Parallel Sysplex von Wert.

Ein anderes Thema, das zunehmend an Aktualität gewinnt, ist die Frage der Verfügbarkeit von Rechenleistung. Ohne Unterbrechung auf die Dienstleistungen eines RZs zugreifen zu können stellt sich insbesondere bei global agierenden Unternehmen als Herausforderung dar. Die Ausfälle eines Unternehmens-Rechensystems müssen praktisch auf Null reduziert werden. Gartner schreibt, heutzutage komme es Unternehmen teurer zu stehen, wenn auf bestimmte Applikationen nicht zugegriffen werden könne, als in Hochverfügbarkeits-Systeme zu investieren.

Parallel-Sysplex-Installationen sind also auch für solche Unternehmen von Interesse, die bezüglich der Verfügbarkeit hohe Ansprüche haben. Klassischerweise denkt man hier an Banken oder andere Dienstleister, die ihren Kunden rund um die Uhr Services anbieten müssen.

Parallel-Sysplex-Installationen sind gegebenenfalls auch deshalb sinnvoll, argumentiert Gartner, weil die Kosten für Hardware Jahr für Jahr konstant um 25 bis 35 Prozent fallen. Die Preise für Software sinken demgegenüber, wenn überhaupt, nur langsam. Mit anderen Worten, es rechnet sich für den Anwender, Geld für zusätzliche Hardware auszugeben.

Auch Abschreibungszyklen sind ein Thema

In diesem Zusammenhang sind ferner Anforderungen an die Flexibilität bei den Hardware-Aufrüstoptionen zu nennen. Auch diesbezüglich sei die Parallel-Sysplex-Technologie eine Überlegung wert.

Schließlich spielt IBMs Cluster-Konzept auch bei betriebswirtschaftlichen Fragen eine Rolle: Unternehmen, schreiben die Gartner-Analysten, suchen bei der Abschreibung ihres Maschinenparks händeringend nach Möglichkeiten, den Lebenszyklus ihrer Großsysteme zu verlängern, denn deren Buchwert übersteigt den des Straßenpreises zum Abschreibungstermin oft noch erheblich.

Das Parallel-Sysplex-Konzept bedient nun nach Meinung der Gartner-Analysten verschiedene der vorgenannten Problemstellungen. Im wesentlichen betreffen diese die Forderung nach der Skalierbarkeit von Applikationen und des Rechnersystems selbst, die Hochverfügbarkeit eines Gesamtsystems, die Verwaltung verschiedener zusammengeschalteter Rechnerkomplexe sowie den Anwenderwunsch, die Softwarekosten zu reduzieren.

Skalierbarkeit der Anwendungen

In einer Parallel-Sysplex-Struktur lassen sich Applikationen gut skalieren. Grund hierfür ist, daß über multiple MVS-Images hinweg ein voller Schreib-Lese-Zugriff auf Host-Daten unter vollständiger Beibehaltung der Datenintegrität besteht. Auch die Rechenleistung wird in diesem Konzept nicht geschmälert. Auf jedem MVS-Image läuft eine Kopie der gleichen Applikation. Diese greift auf eine Datenbank zu, wobei anzumerken ist, daß nicht alle Datenbanken fit sind für die Parallel-Sysplex-Architektur: Lediglich IMS/DL1, DB2, Oracle oder VSAM (Virtual Sequential Access Method) unterstützen überhaupt IBMs Cluster-Technologie.

Auch die Art der Skalierbarkeit der Hardware ist eine Stärke des Parallel-Sysplex-Konzepts: Es ist möglich, in Mehr-System-Komplexe, die man auch als Central Electronic Complexes (CECs) bezeichnet, Mainframes unterschiedlicher Größe einzubinden. Allerdings gilt auch hier, daß nicht alle IBM-Großrechner-Typen Parallel Sysplex unterstützen.

Big Blues Cluster-Technologie entspricht zudem Anforderungen an die Hochverfügbarkeit von Großrechnerinstallationen. Dies wird erreicht durch die bereits genannte Möglichkeit, mehrere Kopien derselben Applikation auf multiplen MVS-Images in verschiedenen CECs laufen zu lassen. Kommt es zu Systemabstürzen, fallen diese dem Anwender nicht auf, weil seine Arbeit, das heißt, seine Daten, über Recovery-Funktionen auf andere Images im Parallel-Sysplex-Komplex verlagert werden.

Die Verwaltung beziehungsweise Verwaltbarkeit mehrerer CECs ist darüber hinaus nach Meinung der Gartner-Analysten in einer Parallel-Sysplex-Umgebung recht komfortabel zu bewältigen. Auch hier kommt der Umstand zum Tragen, daß sich eine komplette Sysplex-Umgebung wie ein einziges Image darstellt. So läßt sich die Ressourcennutzung über den gesamten Rechnerverbund regulieren. Zudem können die unterschiedlichen Aufgaben konzertiert erledigt werden. Mit solch einer dynamischen Arbeitslastverteilung ist es möglich, die Kapazitäten eines gesamten Parallel-Sysplex-Komplexes besser auszulasten.

Mainframe-Verbünde, die über IBMs Cluster-Technologie verkettet sind, entfalten nach Meinung der Gartner Group auch dann ihre Vorzüge, wenn es um Einsparpotentiale bei den Softwarekosten geht. Anwender können das für Parallel-Sysplex-Umgebungen gültige Lizenzierungsmodell nämlich auch auf Einzelsysteme übertragen.

Zwar lassen sich entsprechende Vereinbarungen vor allem bei IBM-Software tätigen. Aber auch andere Anbieter wie etwa die Software AG begännen, ihre Softwarepreise an dem Parallel-Sysplex-Lizenzierungsmodell auszurichten.

Wer Parallel Sysplex in seinem Unternehmen einsetzen will, wird aber nicht nur von den genannten Vorteilen profitieren können. Neben den Pros gibt es auch Nachteile beim Einsatz der Cluster-Technologie. Diese sind Gegenstand eines Artikels in der kommenden CW-Ausgabe.