Paradies bei der Citibank

29.10.1976

Dr. Gerhard Mauer

Seit Jahren die gleiche Monotonie in den Rechenzentren der großen Firmen: In steter Regelmäßigkeit werden alte Großrechner abgebaut, um Platz zu machen für neue, noch größere Großrechner. Ein Zyklus, so vorhersehbar wie das Wandern der Singvögel.

In New York gab es bei der First National City Bank eine bemerkenswerte Ausnahme. Zwei IBM-Systeme 370/165 wurden abgeschafft und nicht etwa IBMs oder irgend jemand anderes, noch neuere, noch größere Systeme kamen an ihre Stelle, sondern zahlreiche kleinere Rechner. Darunter auch 370er. Für 25 Prozent dar vorherigen Last und für zusätzliche kommende Aufgaben wurden jedoch statt eines Großrechners acht Minicomputer installiert (Siehe Seite 1.)

Aber sind Interdata 8/32 Megaminis mit 524 KB und drei 300 MB-Platten etc. sowie 20 angeschlossenen Bildschirmen noch Minicomputer? Sicherlich vom Preis her.

Das neue Konzept der Citibank hätte man auch schon vor Jahren realisieren können. Zwei 370/165-Rechner wären durch zahlreiche 370/145 oder ähnliche Systeme zu ersetzen gewesen. Nur, damit hätte man wohl kaum die EDV-Kosten halbiert. Heute jedoch kosten die acht Interdata Minicomputer-Systeme 20 Prozent weniger als zwei 370/158-Großrechner, bringen aber angeblich den sechsfachen Durchsatz.

Voraussetzung für diesen Schritt ist allerdings, daß zwischen den einzelnen Kundenkreisen auf der operativen Ebene keine Querverbindungen in den Daten erforderlich sind. Das dürfte häufiger der Fall sein, als Propheten der Integrierten Datenverarbeitung postulieren. Zweite Voraussetzung wäre, daß für Top-Mgnegement-Informationen direkter Zugriff auf die Basis-Daten nicht erforderlich ist und daß statt dessen die regelmäßige Übergabe verdichteter Daten an ein Management-Informationssystem genügt. Aber das dürfte die Regel sein.

Insofern Ist die Citibank-Lösung - das erstemal, daß im großen Stil Großrechner konsequent durch zahlreiche Minicomputer ersetzt wurden - ein Meilenstein. Und tatsächlich wurde 111 Wall Street bereits zu einem Mekka derer, die ähnliches planen.

Bezeichnenderweise wählte man bei der Citibank für die Umstellung auf Verteilte Systeme den Code-Namen "Operation Paradise".

AMD-Statistik

Alle Jahre wieder präsentiert der "Arbeitskreis Mittlere

Datentechnik" seine AMD-Statistik. Durch die Tages- und Wirtschaftspresse geistern dann großartige Zahlen und Tabellen, die letztlich aber wenig besagen. Während in früheren Jahres das Sextett Diehl/CMT, Hohner, Kienzle, Nixdorf, Philips und Triumph/Adler nahezu ein Monopol auf dem Sektor Mittlere Datentechnik und damit die Zahl der von diesen Herstellern installierten Systeme durchaus Aussagekraft hatte, haben die AMD-Firmen mittlerweile selber ihre Produktpalette so erweitert, daß sie auch gegen Datensammelsysteme, Bankenterminals, Remote Batch Stationen und herkömmliche "kleine Großsysteme" konkurrieren. Und all das ist in den AMD-Zahlen von 88 000 "Computern" enthalten.

Indes, heute fehlt eine eindeutig definierte Bezugsgröße, mit der man diese Zahlen vergleichen könnte. Hinzu kommen weitere Ungenauigkeiten: Nicht 12, sondern 15 Monate vergingen seit der letzten "MDT-Statistik". Das letzte Mal war Anker noch dabei, CTM/Diehl aber noch nicht. Es gehört seitens der AMD-Gruppe schon viel Arroganz dazu, pflichtbewußt zu übersehen, daß es ja auch noch IBM (Systeme 3 und 32), NCR, Olivetti und noch viele andere auf diesem Markt gibt.

So besagt die AMD-Statistik nichts anderes, als daß sechs Firmen auf dem "MDT-Markt" - so wie ihn diese Hersteller definieren - bisher 88 000 Systeme absetzen konnten. Mehr nicht.