Was man schwarz auf weiß besitzt, kann man getrost nach Hause tragen:

Papierloses Büro bleibt vorerst noch Science-fiction

06.02.1987

Unter zwei Prozent liegt der jährliche Produktionszuwachs bei Hygienepapieren. Mehr als das Dreifache erreichen Druck- und Schreibpapiere: Das moderne Büro erweist sich zunehmend als Konjunkturlokomotive der Papierindustrie. Doch die goldenen Zeiten kommen erst noch.

Mußten sich 1985 noch sechs Bürobeschäftigte einen Arbeitsplatzdrucker teilen, werden es 1991 nur noch anderthalb sein. Und da probieren über studieren geht, wird die Flut be- und verdruckten Papiers alle Hoffnungen oder Befürchtungen über das papierlose Büro hinwegspülen. Auch Dokumentationssysteme und Bürokommunikation werden nicht jene Sicherheit ersetzen, die das gedruckte Ergebnis in der eigenen Tasche vermittelt. Schwarz (oder bunt) auf weiß bleibt Trumpf.

Ausgedruckte Ergebnisse eines Prozesses zur Informationsverarbeitung gab es erstmalig in den 50er Jahren, als Tabelliermaschinen ihre Ergebnisse zu Papier brachten. Die vergangenen zwanzig Jahre waren vom kontinuierlichen Vordringen der Informationstechnik vom zentralen Rechenzentrum über die Abteilungsebene bis zum Sachbearbeiter geprägt. Mit der Verfügbarkeit von Computerleistung am Arbeitsplatz entstanden Forderungen nach kleinen, flexiblen Geräten zur lokalen Druckausgabe. Noch vor wenigen Jahren mußte der Anwender sich zwischen dem schnellen, aber fast unleserlichen Matrixdruck oder langsamen, teuren, lauten Typenraddruckern entscheiden. Preisverfall bei Mikroelektronik, neue Produktionsverfahren und vor allem große Stückzahlen haben zu einem Angebot geführt, das die Entscheidung erleichtert.

Tintenstrahldrucker, Thermotransferdrucker und vor allem die neuen kleinen Seitendrucker bieten heute eine Schriftqualität, die jener von Schreibmaschinen ebenbürtig ist. Parallel dazu erfolgte ein Wandel in der Bewertung:

Auch beim offiziellen Geschäftsbrief ist das mechanisch aufgedruckte Zeichen kein Muß mehr, seit IBM mit der Thermotransfer-Schreibmaschine den elektronischen Druck hoffähig machte. Tischlaserdrucker bieten Auflösungen von 300 Rasterpunkten pro Zoll. Damit sind die Punkte nur noch mit der Lupe erkennbar, und die gedruckten Schriften sind wegen des besseren Design in der Lesbarkeit den meisten Schreibmaschinenschriften überlegen.

Die Absatzentwicklung im Druckermarkt ist ein Spiegelbild der veränderten Anforderungen. Hatten Nadelmatrixdrucker und Typenraddrucker noch 1985 einen Anteil von über 90 Prozent an der gesamten abgesetzten Stückzahl, reduzierte er sich bereits im ersten Halbjahr 1986 auf knapp 80 Prozent. Den deutlichsten Rückgang hatten Typenraddrucker zu verzeichnen: Ihr Anteil schrumpfte von 11,4 Prozent auf 6,5 Prozent. Gewinner waren alle andruckfreien Drucker. Den höchsten Zuwachs konnten erwartungsgemäß kleine Seitendrucker in Lasertechnik verzeichnen. Ihr Anteil am Stück- und Wertabsatz verdoppelte sich innerhalb des Zeitraums.

Die wachsende Durchdringung der Arbeitsplatzebene mit Informationstechnik zeigt die Verteilung installierter und abgesetzter Drucker nach Einsatzgebieten. Rund 18 Prozent aller Drucker waren Anfang 1986 mit Bürocomputern installiert; 2,5 Prozent standen bei Textsystemen, und rund 58 Prozent dienten zur Ausgabe bei Mikrocomputern. Über 65 Prozent aller 1986 abgesetzten Drucker waren zum Anschluß an Mikrocomputer bestimmt, 6,5 Prozent wurden für Textsysteme beschafft und lediglich 8,8 Prozent wurden mit Bürocomputern abgesetzt.

Mit dem Mikrocomputer als typischem Endgerät am Arbeitsplatz wird die Bearbeitung von Grafiken nicht ohne Einfluß auf die Entwicklung am Druckermarkt bleiben. Genügten im technisch-wissenschaftlichen Bereich Plotter, so stellt die Kombination von Text- und Grafikelementen im Bürobereich neue Anforderungen. Grundsätzlich sind alle rasterorientierten Drucker in der Lage, grafische Darstellungen auszugeben.

Während die Druckausgabe einer Geschäftsgrafik jedoch bereits zum Standard der üblichen Mikrocomputeranwendungen gehört, bleibt die Komposition einer Druckseite aus Text und grafischen Elementen gegenwärtig noch speziellen Programmen vorbehalten, die unter dem Schlagwort "Desktop-Publishing" als neue Werkzeuge für effiziente Dokumentationsproduktion schmackhaft gemacht werden soll. Der Engpaß sind jedoch nicht die Drucker, sondern die Dateneingabe und die Bearbeitung am Bildschirm.

Große Bedeutung für die Entwicklung im Druckerbereich haben die Forderung nach Lärmminderung im Büro. Gehörte das Hämmern des Zeilendruckers noch zum Geräuschpegel des Rechenzentrums, haben die Berufsgenossenschaften mit der Grenze von 5,7 dB(A) für den Bürobereich eine deutliche Marke gesetzt. Da ein dezentraler Drucker zweckmäßig am Arbeitsplatz installiert ist, kann seine Geräuschentwicklung zum ausschlaggebenden Kriterium werden. Schallschluckhauben sind nur ein Notbehelf, denn sie erschweren die Handhabung beträchtlich und benötigen mehr Platz, als in der Arbeitsplatzumgebung verfügbar ist. So werden vor allem andruckfreie Drucker vom Ausstattungsbedarf profitieren.

Das vollelektronische Büro der Zukunft soll zum Ziel haben, die Informationen eines Unternehmens als wichtigen Aktivposten jederzeit zugänglich und transparent zu machen. Das setzt neben der notwendigen Infrastruktur auch die Bereitschaft aller Beteiligten zur Nutzung voraus. Im Idealfall lassen sich Informationen, die aus den Komponenten Text, Daten und Festbild beliebig zusammengesetzt sind, elektronisch übermitteln und archivieren. Bevor jedoch der Drucker- und Papiermarkt hiervon nachhaltig beeinträchtigt werden, müßte ein Umdenken aller Beteiligten stattfinden. Nicht mehr der Besitz eines Dokuments, sondern das Wissen um seine Verfügbarkeit rückte in den Vordergrund. Selbst wenn Infrastruktur und Endeinrichtungen die Voraussetzungen bieten, jederzeit auf gespeicherte Informationen zuzugreifen, bleibt zweifelhaft, ob die Mentalität des Habens und Davontragens mittelfristig veränderbar ist.

In den kommenden fünf Jahren wird die Durchdringung der Arbeitsplatzebene mit Druckern erheblich zunehmen. Der installierte Bestand wird von rund 1,9 Millionen Anfang 1986 auf über 5,7 Millionen am 1. Januar 1991 ansteigen. Während im Durchschnitt jeder Benutzer eines Mikrocomputers im Büro einen Drucker zur Verfügung haben wird, stehen pro Bürocomputer, Textsystem und Minirechner im Mittel drei Drucker zur Verfügung. Ergonomische Merkmale, hohe Geschwindigkeit und günstiger Preis werden kleinen Seitendruckern zu einem Anteil von über 20 Prozent am Gesamtabsatz verhelfen.

Die Produktion einer Seite bedruckten Papiers dauert mit einem Typenraddrucker professioneller Qualität rund zwei Minuten. Mit einem Tintenstrahl- oder einem Thermotransferdrucker reduziert sich der Aufwand auf knapp eine Minute; Nadelmatrixdrucker sind bei Korrespondenzqualität nicht wesentlich schneller. Heutige Tischseitendrucker schaffen acht Seiten in der Minute; Werte um zwanzig Seiten bei gleichem Preis erscheinen für 1991 nicht unrealistisch. Zusammengerechnet können 1991 mit allen installierten Druckern jeden Tag rund 100 Millionen Blätter Papier bedruckt werden - zwei Blätter für jeden Bewohner Deutschlands und rund 400 Tonnen Gewicht täglich. Stellt sich die Frage, wer das alles liest, versteht, ablegt und wiederfindet. Elektronische Bürokommunikation kann hier eine Herausforderung sehen, diese Flut einzudämmen, damit wir alle nicht von der Jahrhundertwelle überflutet werden.

Peter Steding ist Marketingberater bei der Diebold Deutschland GmbH in Frankfurt.